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Psychedelika: Woran die Zulassung von Ecstasy in der Traumatherapie scheiterte

Die FDA hat die Zulassung von MDMA zur Behandlung von Traumata abgelehnt. Diese Entscheidung könnte weitere potenzielle psychedelische Therapien beeinflussen und verzögern.
Verschiedene Pillen sind nebeneinander aufgereiht - davon sind alle weiß und eine rosa.
MDMA wird für gewöhnlich als Ecstasy bezeichnet und gehört zu den Amphetaminen (Symbolbild).

Diese Entscheidung kam für viele Forscher überraschend: Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat in der vergangenen Woche die Zulassung von MDMA – auch bekannt als Ecstasy – als Medikament zur psychiatrischen Behandlung abgelehnt. Fachleute fragen sich nun, welche Auswirkungen die Entscheidung auf andere potenzielle psychedelische Therapien haben könnte.

Den Zulassungsantrag hatte Lykos Therapeutics gestellt. Laut einer Pressemitteilung des Unternehmens mit Sitz in San José, Kalifornien, wurde es von der FDA dazu aufgefordert, eine weitere groß angelegte Studie mit dem Medikament bei Menschen mit Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) durchzuführen und den Antrag anschließend erneut einzureichen.

»Die Forderung der FDA nach einer weiteren Studie ist zutiefst enttäuschend«, sagt Amy Emerson, Geschäftsführerin von Lykos. Das Unternehmen werde mit der Behörde zusammenarbeiten, um »wissenschaftliche Meinungsverschiedenheiten zu lösen«. Die Durchführung einer ähnlich großen Studie würde mehrere Jahre in Anspruch nehmen, erklärt sie und betont, dass Lykos viele der Bedenken der FDA bereits berücksichtigt habe.

In einer E-Mail an »Nature« lehnte das Unternehmen es ab, den vollständigen Brief der Behörde mit den konkret genannten Einwänden zur Verfügung zu stellen. Laut Experten ist es ohne Zugang zu dem Brief schwierig, nachzuvollziehen, warum die FDA zu dieser Entscheidung gekommen ist. »Wir arbeiten mit unvollständigen Informationen«, kommentiert Mason Marks, der sich an der Florida State University in Tallahassee mit der Zulassung von Betäubungsmitteln beschäftigt. Er fügt hinzu, er sei von der Entscheidung der Behörde etwas überrascht.

Bedenken zu den Studien

Marks weist jedoch darauf hin, dass die FDA in der Regel den Empfehlungen eines unabhängigen Beratungsausschusses folgt. Und jener, der den Antrag zu MDMA im Juni 2024 bewertet hatte, stimmte eindeutig gegen die Zulassung des Medikaments. Die Begründung: Probleme im Studiendesign haben nach Ansicht des Ausschusses die Bewertung der Sicherheit und Wirksamkeit des Medikaments erschwert. So konnte etwa keine echte placebokontrollierte Studie mit dem Halluzinogen durchgeführt werden: Knapp 90 Prozent der Teilnehmer an Lykos' Studien konnten erraten, ob sie das Medikament oder ein Placebo erhalten hatten. Die Erwartung, dass MDMA eine Wirkung haben sollte, könnte demnach ihre Wahrnehmung, ob es ihre Symptome beeinflusst, verfälscht haben.

Ein weiteres Problem war die Strategie von Lykos, die Droge parallel zu einer Psychotherapie zu verabreichen. Rick Doblin ist Gründer der Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies (MAPS), der gemeinnützigen Organisation, die Lykos ins Leben gerufen hat. Er erklärte diesbezüglich, die Wirkung der Droge sei untrennbar mit einer angeleiteten Therapie verbunden. Man nimmt an, dass MDMA Menschen mit PTBS dabei hilft, offener und aufgeschlossener zu sein, traumatische Ereignisse mit einem Therapeuten zu besprechen. Da die FDA jedoch für Psychotherapien nicht zuständig ist, hatten die Behörde und das Beratungsgremium Schwierigkeiten, diese Behauptung zu bewerten. »Es war ein Versuch, einen eckigen Pflock in ein rundes Loch zu stecken«, sagt Marks.

Noch ist nicht klar, wie sich die Entscheidung der Behörde auf künftige Anträge für andere Psychedelika auswirken wird. Manche davon befinden sich bereits in weit fortgeschrittenen Studien zur Behandlung psychiatrischer Störungen – darunter etwa Psilocybin und Lysergsäurediethylamid, auch bekannt als LSD. Doch Boris Heifets, ein Anästhesist an der Stanford University in Kalifornien, der sich mit psychedelischen Substanzen befasst, sieht hier weniger Probleme. Er bezweifelt, dass in künftigen Zulassungsanträgen an die FDA eine psychotherapeutische Komponente angegeben sein wird. »Diese Art von Verwirrung hat Lykos nicht geholfen«, sagt er. Und die jeweiligen Effekte der beiden Therapiekomponenten – also jene von MDMA und die der begleitenden Psychotherapie – ließen sich nur schwer voneinander trennen.

Befürchteter Dominoeffekt

Glenn Cohen, Rechtswissenschaftler und Bioethikexperte an der Harvard University in Cambridge (USA), beobachtet, wie einige Unternehmen bereits davon abzurücken scheinen, Psychotherapie als Teil ihrer Behandlungen einzusetzen. Die Londoner Firma Compass Pathways führt etwa eine Phase-III-Studie mit Psilocybin zur Therapie von Depressionen durch. Psychotherapie soll kein Bestandteil ihrer Studie sein. Das Berliner Unternehmen atai Life Sciences schließt Personen, die vor Kurzem eine Psychotherapie begonnen haben, gänzlich von seiner Untersuchung des psychedelischen Dimethyltryptamins (DMT) aus. Betrachtet man die Wirkung von Psychedelika isoliert, kann das laut Cohen das FDA-Prüfverfahren womöglich reibungsloser gestalten. Dieser Ansatz widerspreche jedoch »dem Ethos vieler, die auf die Zulassung und Akzeptanz der Substanzen gedrängt haben«.

Einige Sorgen, die im Zusammenhang mit MDMA im Raum stehen, scheinen spezifisch MAPS und Lykos zu betreffen. In einer im Mai 2024 veröffentlichten Untersuchung des gemeinnützigen Institute for Clinical and Economic Review in Boston findet sich die Behauptung, dass Lykos-Personal Studienteilnehmende unter Druck gesetzt hätte, nur positive Ergebnisse zu melden. Die Mitarbeitenden hätten mit ihrer Befürwortung der Droge zudem das Urteilsvermögen der Teilnehmer beeinflusst. Eine weitere Kontroverse: Gegen einen Therapeuten ohne gültige Behandlungserlaubnis, der für MAPS in einem Studienzentrum in Kanada arbeitete, wurde Anklage erhoben. Im Raum steht der Verdacht, dass er eine Testperson sexuell belästigt habe, während diese unter dem Einfluss des Medikaments stand.

Es ist unklar, inwieweit diese Punkte bei der Entscheidung der FDA eine Rolle gespielt haben. Doch andere Organisationen ergreifen diesbezüglich bereits Maßnahmen. Am 10. August 2024 zog die Zeitschrift »Psychopharmacology« drei dervon Lykosveröffentlichten Arbeiten zurück, weil man am kanadischen Standort »Verstöße gegen das Protokoll in Form von unethischem Verhalten« festgestellt hätte. Das Fachblatt erklärte, die Studienautoren hätten »Psychopharmacology« nicht über die Probleme informiert und die an dem Standort erhobenen Daten unzulässigerweise in ihre Analyse mit einbezogen.

Bei den widerrufenen Arbeiten handelt es sich nicht um die beiden Phase-III-Studien, auf die sich die FDA in ihrer Bewertung stützte. Die Daten erschienen in den Jahren 2021 und 2023 in »Nature Medicine«. In einer Erklärung sagte ein Sprecher der Zeitschrift, dass sie derzeit keine Maßnahmen ergreife. Man würde aber natürlich die Entwicklungen weiterverfolgen und die Arbeiten neu bewerten, sofern neue Informationen bekannt würden.

In der Zwischenzeit bleibt MDMA in den Vereinigten Staaten illegal, was seine Erprobung als Therapeutikum äußerst schwierig macht. Im Gegensatz dazu kündigten australische Behörden letztes Jahr an, Psychiatern das Verschreiben der Droge ermöglichen zu wollen. Eine FDA-Zulassung hätte das Medikament in den Vereinigten Staaten nicht automatisch legalisiert – sie hätte allerdings Lykos erlaubt, die von ihm entwickelte Rezeptur des Wirkstoffs nach einem speziellen Protokoll zu verabreichen. Das hätte laut Heifets gereicht, um Fachleuten Wege zu eröffnen, die Wirkung des Medikaments mit weniger Bürokratie zu untersuchen. »Es wird weiterhin äußerst schwierig sein, die Art von Wirksamkeitsnachweisen zu erbringen, die gefordert werden«, prognostiziert er.

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  • Quellen
Nature 10.1038/d41586–024–02597-x, 2024

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