Neuronale Plastizität: Mehr Licht
Was wir ungeduldig herbeisehnen, ist für nachtaktive Nager ein Graus: länger werdende Tage. Wie Forscher um Davide Dulcis von der University of California in San Diego berichten, hinterlassen ausgedehnte Helligkeitsphasen rasch Spuren im Rattenhirn. Setzten sie die Tiere eine Woche lang täglich 19 Stunden dem Licht aus, so gerieten diese in Stress. Lange Tage führten zu einer Abnahme der Dopamin bildenden Nervenzellen im Hypothalamus – die Hirnregion, die unsere innere Uhr stellt. Stattdessen stieg die Menge des an der Stressreaktion beteiligten Botenstoffs Somatostatin.
Der Clou dabei: Das lichtgeplagte Rattenhirn baute offenbar keine Nervenzellen ab oder neue auf, sondern die vorhandenen Neuronen begannen, andere Neurotransmitter zu produzieren! Die grauen Zellen erwiesen sich somit als erstaunlich flexibel, denn meist setzt ein Neuron sein Leben lang denselben Botenstoff frei.
Der Transmitterwechsel war auch am Verhalten der Ratten ablesbar: Sie scheuten noch mehr als sonst offene Räume und zeigten beim Schwimmen in einem Wasserbecken weniger Kampfgeist als unbehelligte Artgenossen – beides Anzeichen für einen erhöhten Stresspegel.
Die Forscher vermuten ähnliche Mechanismen auch im Gehirn "tagaktiver Spezies" wie dem Menschen. Hier könnte umgekehrt zu wenig Licht die schnelle Anpassung der Hirnchemie bewirken. Kurze Tage führten entsprechend zu Dopaminmangel, der auf die Stimmung schlägt.
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