Demografie: Mehr Reichtum, mehr Kinder
Viele reiche Industrienationen weisen mittlerweile Geburtenraten auf, die deutlich unter dem Selbsterhalt der Bevölkerungszahlen liegen: In Deutschland, Spanien oder Japan liegt die absolute Geburtenrate bei 1,2 bis 1,4 Kindern pro Frau, was weit weniger ist als die erforderlichen 2,1 Kinder, um die Bevölkerung stabil zu halten. Dass mit zunehmendem Reichtum weniger Kinder geboren werden, ist ein weltweites Phänomen. Doch werde ein bestimmter Grad ökonomischer Entwicklung erreicht, drehe sich der Trend wieder um, behaupten nun Forscher um Hans-Peter Kohler von der University of Pennsylvania in Philadelphia – etwa in den USA oder den Niederlanden. Die Angst mancher Länder vor Überalterung oder gar dem Aussterben der eigenen Bevölkerung sei deshalb unbegründet, schreiben die Autoren.
Für ihre Studie analysierten sie Daten von 1975 und 2005 aus 24 Ländern und erfassten jeweils die Geburtenrate sowie den zwischen 0 und 1 liegenden Human Development Index (HDI), der Wirtschaftskraft, Lebenserwartung und Bildungsgrad der Menschen eines Landes berücksichtigt: Je höher dieser HDI liegt, desto wohlhabender und entwickelter ist eine Gesellschaft. Mit steigenden Werten verzeichneten die Statistiken sinkende Geburtenraten, wie erwartet worden war. Bereits mehr als die Hälfte aller Menschen weltweit lebe in Regionen, in denen die Geburtenrate unterhalb des 2,1-Werts liege. In vielen hoch entwickelten Ländern wie Japan oder der Bundesrepublik scheine der Trend zu immer weniger Kindern bereits unumkehrbar und eine fatale Überalterung unausweichlich.
Dieser Gesamteindruck trüge jedoch, betont Kohlers Team. Bei sehr hohen HDI-Werten nehme die Gebärfreudigkeit wieder zu, und die Geburtenrate steige langsam, aber stetig. Der Verlauf habe etwa die Form eines gespiegelten "J", erläutern die Forscher. Nach einer Talsohle bei einem HDI von etwa 0,85 bis 0,9 – bis dahin sinkt die totale Fertilitätsrate (TFR) – gehe es wieder aufwärts mit der Fortpflanzung. In den USA sanken zum Beispiel die Geburtenraten bis 1976 und stiegen danach wieder an. Norwegen erreichten diesen Umkehrpunkt 1983 und Italien 1994. Selbst in Deutschland sei in den letzten Jahren ein leichter Aufwärtstrend erkennbar gewesen. Die reichen Industrieländer müssten also möglichst viel tun, um den Index ihrer Bevölkerung weiter anzuheben – also in Bildung, Gesundheit und Arbeitsplätze zu investieren. Voraussetzung sei zudem eine familienfreundliche Politik, die auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau achte.
Es gibt allerdings auch Ausnahmen von dieser Regel – etwa Südkorea, Japan oder Kanada. Trotz stetig steigenden Wohlstands nehmen die Geburtenzahlen hier weiter ab. Zumindest bei den asiatischen Staaten führen die Autoren dies auf soziale und kulturelle Unterschiede zurück, etwa die Stellung der Frau in der Gesellschaft oder eine familienunfreundliche Politik. Auf der anderen Seite gibt es Staaten wie Litauen, die schon wieder Geburtenzuwächse vermelden konnten, bevor ihr HDI den Schwellenwert erreicht hatte. Wahrscheinlich kommen hier ähnliche Effekte zum Tragen wie in Ostdeutschland: Dort brach nach der Wende auf Grund der sozialen und wirtschaftlichen Umbrüche und Unsicherheiten die TFR eklatant ein. In den letzten Jahren ist sie hingegen wieder stark angestiegen und liegt nun wieder fast auf westdeutschem Niveau, obwohl sich das Wohlstandsniveau noch unterscheidet.
Trotz der hoffnungsvoll stimmenden Analyse sei aber auch bei weiter steigenden HDI-Werten für die meisten Staaten nicht zu erwarten, dass die Geburtenrate über den für stagnierende Bevölkerungszahlen nötigen Wert steigt. In einigen Ländern verlangsame sich die Überalterung möglicherweise auch nur. Dem könne lediglich eine verstärkte Einwanderung entgegenwirken, um die demografischen Folgen für die Wirtschaft und die Sozialsysteme abzumildern. Unklar bleibt in der Studie allerdings, welchen Einfluss gerade in Einwanderungsgesellschaften wie den USA die Geburtenraten der Immigranten haben: Bis sich ihre TFR jener der Gesamtgesellschaft anpasst, dauert es meist eine oder mehrere Generationen. Viele Zuwanderer könnten entsprechend ebenfalls die TFR heben, ohne dass dies primär mit dem Wohlstandsniveau der "Urbevölkerung" zusammenhängt.
Der "Human Development Index" für Deutschland lag dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) zufolge 2006 bei 0,940. Mehr als 20 Industrieländer wie Island, Norwegen, Australien und Kanada rangierten mit ihren Werten teils weit davor. (dl/dpa)
Für ihre Studie analysierten sie Daten von 1975 und 2005 aus 24 Ländern und erfassten jeweils die Geburtenrate sowie den zwischen 0 und 1 liegenden Human Development Index (HDI), der Wirtschaftskraft, Lebenserwartung und Bildungsgrad der Menschen eines Landes berücksichtigt: Je höher dieser HDI liegt, desto wohlhabender und entwickelter ist eine Gesellschaft. Mit steigenden Werten verzeichneten die Statistiken sinkende Geburtenraten, wie erwartet worden war. Bereits mehr als die Hälfte aller Menschen weltweit lebe in Regionen, in denen die Geburtenrate unterhalb des 2,1-Werts liege. In vielen hoch entwickelten Ländern wie Japan oder der Bundesrepublik scheine der Trend zu immer weniger Kindern bereits unumkehrbar und eine fatale Überalterung unausweichlich.
Dieser Gesamteindruck trüge jedoch, betont Kohlers Team. Bei sehr hohen HDI-Werten nehme die Gebärfreudigkeit wieder zu, und die Geburtenrate steige langsam, aber stetig. Der Verlauf habe etwa die Form eines gespiegelten "J", erläutern die Forscher. Nach einer Talsohle bei einem HDI von etwa 0,85 bis 0,9 – bis dahin sinkt die totale Fertilitätsrate (TFR) – gehe es wieder aufwärts mit der Fortpflanzung. In den USA sanken zum Beispiel die Geburtenraten bis 1976 und stiegen danach wieder an. Norwegen erreichten diesen Umkehrpunkt 1983 und Italien 1994. Selbst in Deutschland sei in den letzten Jahren ein leichter Aufwärtstrend erkennbar gewesen. Die reichen Industrieländer müssten also möglichst viel tun, um den Index ihrer Bevölkerung weiter anzuheben – also in Bildung, Gesundheit und Arbeitsplätze zu investieren. Voraussetzung sei zudem eine familienfreundliche Politik, die auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau achte.
Es gibt allerdings auch Ausnahmen von dieser Regel – etwa Südkorea, Japan oder Kanada. Trotz stetig steigenden Wohlstands nehmen die Geburtenzahlen hier weiter ab. Zumindest bei den asiatischen Staaten führen die Autoren dies auf soziale und kulturelle Unterschiede zurück, etwa die Stellung der Frau in der Gesellschaft oder eine familienunfreundliche Politik. Auf der anderen Seite gibt es Staaten wie Litauen, die schon wieder Geburtenzuwächse vermelden konnten, bevor ihr HDI den Schwellenwert erreicht hatte. Wahrscheinlich kommen hier ähnliche Effekte zum Tragen wie in Ostdeutschland: Dort brach nach der Wende auf Grund der sozialen und wirtschaftlichen Umbrüche und Unsicherheiten die TFR eklatant ein. In den letzten Jahren ist sie hingegen wieder stark angestiegen und liegt nun wieder fast auf westdeutschem Niveau, obwohl sich das Wohlstandsniveau noch unterscheidet.
Trotz der hoffnungsvoll stimmenden Analyse sei aber auch bei weiter steigenden HDI-Werten für die meisten Staaten nicht zu erwarten, dass die Geburtenrate über den für stagnierende Bevölkerungszahlen nötigen Wert steigt. In einigen Ländern verlangsame sich die Überalterung möglicherweise auch nur. Dem könne lediglich eine verstärkte Einwanderung entgegenwirken, um die demografischen Folgen für die Wirtschaft und die Sozialsysteme abzumildern. Unklar bleibt in der Studie allerdings, welchen Einfluss gerade in Einwanderungsgesellschaften wie den USA die Geburtenraten der Immigranten haben: Bis sich ihre TFR jener der Gesamtgesellschaft anpasst, dauert es meist eine oder mehrere Generationen. Viele Zuwanderer könnten entsprechend ebenfalls die TFR heben, ohne dass dies primär mit dem Wohlstandsniveau der "Urbevölkerung" zusammenhängt.
Der "Human Development Index" für Deutschland lag dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) zufolge 2006 bei 0,940. Mehr als 20 Industrieländer wie Island, Norwegen, Australien und Kanada rangierten mit ihren Werten teils weit davor. (dl/dpa)
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