Umfrage: Mehr schwere depressive Symptome während Coronakrise
Etliche Experten hatten bereits darauf hingewiesen, dass die Maßnahmen zur Eindämmung des neuen Coronavirus psychische Störungen verstärken oder sogar auslösen könnten. Nun bestätigen erste Zahlen diese Sorge: Offenbar hat die Beschränkung des gesellschaftlichen Lebens während der Covid-19-Pandemie die schweren Symptome bei Depression deutlich ansteigen lassen. Dies ergab zumindest eine vorläufige Analyse einer Online-Umfrage mit bislang 2000 Teilnehmern der Privaten Hochschule Göttingen PFH.
Die Forscher verwenden für ihre Untersuchung das so genannte ICD-10-Symptom-Rating, auch bekannt unter ISR-Fragebogen – ein Instrument, mit dem Symptome für psychische Störungen erfasst werden und das auf dem anerkanntesten Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen basiert, der International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD). Damit haben die Wissenschaftler versucht, das allgemeine Befinden der Bevölkerung während der Coronakrise zu dokumentieren. Im Vergleich zu einer Normierungsstichprobe, die vor der Pandemie erhoben wurde, ergaben sich deutliche Veränderungen bei der Symptombelastung der befragten Personen. Das gilt insbesondere für depressive Beschwerden. Gemäß der Normstichprobe des ISR wäre ein Anteil von schwerer Depression in der Allgemeinbevölkerung von einem Prozent zu erwarten. Die jetzige Umfrage offenbarte hingegen einen Anteil von fünf Prozent, also einen fünffach höheren Wert. Vor allem für die Gruppe der 18- bis 25-Jährigen sei ein Anstieg im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie zu beobachten, sagte Youssef Shiban, Professor für Klinische Psychologie an der PFH und Leiter der Studie, gegenüber der Deutschen Presseagentur.
Ein ähnlicher Trend wie bei den depressiven Symptomen zeichnet sich für die anderen erhobenen Störungen ab. So ist bei Essstörungen ein deutlicher Zuwachs bei einer mittleren und schweren Symptombelastung zu erkennen. Allerdings gilt wie bei vielen während der Coronakrise vorläufig veröffentlichten Ergebnissen, dass diese zunächst mit Vorsicht zu genießen sind: »Da es sich um eine laufende Studie und somit um vorläufige Daten handelt, sind die Ergebnisse vorerst als Trend zu interpretieren«, sagt auch Shiban in der Pressemitteilung. Die Studienautoren planen nun einen Vergleich zwischen den einzelnen Bundesländern sowie mit Norwegen und Kanada. Die bisherigen Ergebnisse sind allerdings keine wirkliche Überraschung, wie etwa eine Studie zum Sars-Ausbruch in Kanada im Jahr 2003 zeigt: Bei jeweils rund 30 Prozent der von Quarantänemaßnahmen betroffenen Studienteilnehmer kam es zu depressiven Symptomen beziehungsweise Posttraumatischen Belastungsstörungen.
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