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Keimbahnmanipulation: Meinung: Wer hat Angst vorm CRISPR/Cas9-Baby?

Die Menschheit hat bereits bewiesen, dass sie mit schwierigen bioethischen Fragestellungen verantwortungsvoll umgehen kann, meint Lars Fischer.
Spermium dringt in Eizelle ein

Bis die ersten lebensfähigen genetisch veränderten menschlichen Embryonen im Labor entstehen, da scheint sich die Mehrzahl der Fachleute einig zu sein, ist es nur eine Frage der Zeit. Doch das wäre keineswegs das große unkontrollierbare ethische Bedrohungsszenario, zu dem es von einigen Debattenteilnehmern gemacht wird. Den ganz realen Risiken solcher Techniken steht die langjährige Erfahrung gegenüber, dass die Menschheit mit solchen bioethischen Herausforderungen bisher überraschend aufgeklärt umgegangen ist.

Die Diskussion brach bereits im Frühjahr los, als chinesische Forscher den (fast) ersten mit CRISPR/Cas9 veränderten menschlichen Embryo erzeugten, allerdings war der von Anfang an nicht lebensfähig. Schon damals ging das Gerücht, andere Arbeitsgruppen arbeiteten an lebensfähigen veränderten menschlichen Embryonen. Seither hat sich die Technik rasant weiterentwickelt, wie jüngste Berichte über umfassende genetische Veränderungen am Schweinegenom zeigen. Die Technik ist noch nicht so weit, aber der Weg zur Keimbahnveränderung scheint vorgezeichnet.

Das ist durchaus ein Grund zur Hoffnung für viele Menschen – "Genome Editing" in der menschlichen Keimbahn hat enormes Potenzial, menschliches Leid zu lindern. So könnte eine gezielte Gentherapie die Wahrscheinlichkeit bestimmter Krankheiten senken oder sie völlig eliminieren und so die Menschheit dauerhaft von vielen Geißeln befreien. Klare ethische Gründe sprechen auch dafür, bestimmte Erbkrankheiten auf diese Weise zu behandeln.

Wie sinnvoll und angebracht solche Techniken sind und ob sie langfristig ungeahnte Folgen haben werden, darüber muss nicht nur die wissenschaftliche Welt, sondern gerade auch die Zivilgesellschaft einzelner Länder diskutieren. Denn die am Horizont sichtbare Möglichkeit, das menschliche Erbgut gezielt zu verändern, wirft weiter reichende Fragen auf: Wie würden solche Methoden unsere Gesellschaft verändern, und würden wir in einer solchen Welt leben wollen? Nicht zuletzt: Wie groß ist die Gefahr des Missbrauchs?

Diese Debatte gibt es bereits, und das ist ein sehr ermutigendes Zeichen. Nahezu alle Diskutanten haben sich bisher dafür ausgesprochen, menschliche Keimbahnmanipulation vorerst – und zweifellos auch langfristig – sehr restriktiv zu handhaben. Erstaunlicherweise scheinen die Gesetze zahlreicher Staaten der Wissenschaft durchaus einen Schritt voraus zu sein: In vielen Teilen der Welt ist die Veränderung lebensfähiger Embryonen bereits verboten, bevor sie überhaupt technisch möglich ist.

Es gibt nicht viele Bereiche in Wissenschaft und Gesellschaft, in denen man der Menschheit ernsthaft ethische Reife bescheinigen kann. Aber im Fall der Bioethik hat sich in Streitfragen noch immer gezeigt, dass dramatische Szenarien und Dammbruchargumente für die Realität wenig Relevanz haben. Sei es bei Biowaffen, Präimplantationsdiagnostik oder auch der jüngsten Debatte um künstlich scharf gemachte Viren – die Fachwelt hat sich ihrer Verantwortung ebenso gewachsen gezeigt wie die Zivilgesellschaft. Für die aktuelle Diskussion um Keimbahnmanipulation ist das ein gutes Zeichen.

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