Körperwahrnehmung: Menschen unterschätzen systematisch das Gewicht ihrer Hände
Aus dem Prothesenbau ist bekannt, dass Menschen ihre Prothesen als zu schwer empfinden, selbst wenn sie sogar leichter sind als das natürliche Vorbild. Die Ursache dafür liegt womöglich in einer verbreiteten Sinnestäuschung, der ein Team um Matthew Longo von der University of London nun nachgegangen ist: Menschen unterschätzen das Gewicht ihrer Hand im Mittel um rund 50 Prozent – eine 400 Gramm schwere Hand empfinden sie dadurch als genauso schwer wie einen 200 Gramm schweren Fremdkörper an ihrem Handgelenk.
Das ergab sich aus dem kleinen Experiment der Forschenden, über das sie in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins »Current Biology« berichten. Sie ließen dazu ihre 20 Probanden den linken Unterarm auf eine Stütze legen. Die Hand hing zunächst entspannt herunter, um das Schwereempfinden der Freiwilligen auf das Gewicht der eigenen Hand zu kalibrieren. Dann stützten die Teilnehmer ihre Hand auf eine weitere Halterung, so dass deren Gewicht gewissermaßen neutralisiert wurde. Anschließend befestigten Longo und Kollegen verschieden schwere Gewichte am Handgelenk der Freiwilligen und ließen diese angeben, ob der Gegenstand schwerer oder leichter sei als die eigene Hand.
In einem zweiten Experiment ließen die Wissenschaftler die Freiwilligen ihre Hand zunächst anstrengende Bewegungen verrichten. Dadurch verringerte sich die Fehlwahrnehmung: Die Teilnehmer näherten sich bei ihren Schätzungen dem tatsächlichen Gewicht ihrer Hände an, was das Team auf die Erschöpfung der Muskulatur zurückführt. Demnach scheint das Unterschätzen des Handgewichts damit zusammenzuhängen, dass wir im Normalfall unsere Hände schnell und mit Leichtigkeit bewegen können. Sie wirken somit leichter als gleich schwere fremde Gegenstände. Berichten zufolge hätten Menschen das Gefühl, ihre Prothese würde mit der Zeit leichter werden, je besser sie mit ihr umgehen lernen und je stärker sie sie in ihr eigenes Körperbild integrieren, schreiben die Forschenden.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.