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News: Menschliche Stammzellen in Kultur

Aus ihnen kann alles werden: Blut, Nerv, Muskel, Haut usw. Stammzellen sind die Vorläufer aller ausdifferenzierten Zellen in unserem Körper. Im Gegensatz zu diesen Spezialisten, könnten sie im Prinzip in jede Aufgabe hineinwachsen - im wahrsten Sinne des Wortes. Dadurch bieten sich Stammzellen als Ersatz für zerstörtes oder fehlerhaftes Gewebe an. Der erste Schritt auf dem Weg zur therapeutischen Nutzung ist jetzt zwei verschiedenen Wissenschaftlerteams gelungen: Sie haben menschliche Stammzellen aus Embryos isoliert und über lange Zeit in einer Zellkultur vermehrt. Dabei blieben die omnipotenten Eigenschaften der Zellen erhalten.
Embryonale Stammzellen (human embryonic stemm cells, hES cells) sind so etwas wie der absolute Joker im Spiel der vielen verschiedenen Zelltypen des Körpers. Sie können im Prinzip wirklich zu jeder Zellart ausdifferenzieren, indem sie bestimmte Gene an- oder ausschalten und ihre Gestalt und Biochemie den Erfordernissen anpassen. Stammzellen, die in späteren Stadien der menschlichen Entwicklung noch vorhanden sind, haben bereits eine Teilspezialisierung erfahren, so daß aus ihnen nur noch bestimmte Zellen hervorgehen können.

Es ist daher nicht verwunderlich, daß Wissenschaftler seit über einem Jahrzehnt bemüht sind, menschliche embryonale Stammzellen in Laborkulturen zu züchten und am Leben zu erhalten. Zwei Teams ist das Kunststück jetzt gelungen: Die Gruppe um John Gearhart von den John Hopkins Medical Institutions werden ihre Ergebnisse in einer November-Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlichen, James A. Thomsom von der University of Wisconsin-Madison und seine Kollegen berichteten in Science vom 6. November 1998 von ihrem Erfolg.

Das Team um Thomson isolierte die Stammzellen aus menschlichen Embryos, die bei einer In-vitro-Fertilisation erzeugt, dann aber doch nicht der Mutter eingepflanzt wurden. Der Embryo befand sich im Stadium einer Blastozyste – einer hohlen Kugel aus etwa 140 Zellen, die innerhalb weniger Tage nach der Befruchtung entsteht. Aus insgesamt 14 Blastozysten entnahmen die Forscher die innere Zellmasse (den Embryoblasten) und kultivierten diese auf bestrahlten Mäusefibroblasten, die als Nährstofflieferanten dienten. Nach rund zwei Wochen wurden die menschlichen Stammzellen auf eine frische Platte umgesetzt, ein Vorgang, der sich dann regelmäßig wiederholte. Auf diese Weise blieben die hES-Zellen über Monate im undifferenzierten Zustand.

Die Wissenschaftler der John Hopkins Medical Institutions gingen einen anderen Weg, um ihre Zellkultur anzulegen. Sie suchten in totem menschlichen Fötengewebe nach den primordialen Keimzellen, aus denen sich später Spermien und Eizellen entwickelt hätten. Diese Initialzellen gaben sie einzeln auf Bindegewebszellen von Mäusen und fügten eine Nährlösung mit speziellen Wachstumsfaktoren hinzu. "Genau die richtigen Zusätze zu finden, um die Zellen zu kultivieren, war keine leichte Sache", meinte Michael Shamblott aus dem Team.

Unter den richtigen Bedingungen entwickelten sich schließlich kleine Häufchen von Stammzellen, welche einer Reihe von Anforderungen genügen, die an echte Stammzellen gestellt werden. Dazu gehören verschiedene Oberflächenmerkmale, ein kompletter Satz normaler Chromosomen und die Produktion typischer Enzyme wie zum Beispiel der Telomerase – einem Enzym, das den Stammzellen prinzipielle Unsterblichkeit verleiht.

Das wichtigste Kriterium war in den Experimenten beider Arbeitsgruppen jedoch die Frage, ob die vermeintlichen Stammzellen noch in der Lage waren, zu jedem beliebigen Zelltyp auszureifen. Im Verlaufe der Embryonalentwicklung bilden sich drei verschiedene Schichten aus, die als Ectoderm, Entoderm und Mesoderm bezeichnet werden und aus denen später verschiedene Gewebe hervorgehen. So stammen Haare, die Retina und das Nervensystem vom Ectoderm ab, Lunge, Leber und Darmendothel vom Endoderm und Blut- und Skelettzellen entwickeln sich aus dem Mesoderm.

Thomsons Gruppe erbrachte den Nachweis der sogenannten Pluripotenz, indem sie die menschlichen Embryonalstammzellen in Mäuse mit gestörten Immunsystem injizierten. In den Tieren bildeten sich im Laufe der Zeit Gewebe verschiedener Art aus differenzierten Humanzellen. Gearhart ließ dagegen die Stammzellen in der Nährlösung weiterwachsen. Ab und zu enstanden dabei kleine Klümpchen fortgeschrittenen Gewebes, die nach immunologischen Tests über Entoderm, Ectoderm und Mesoderm verfügten.

Die Palette möglicher Anwendungen für humane Embryonalstammzellen ist groß. Sie könnten bei vielen Erkrankungen defekte Zellen ersetzen, so zum Beispiel bei Parkinson, einigen Krebsarten (unter anderem Leukämie) und Diabetes. Als Ausgangsmaterial für ausdifferenzierte menschliche Zellkulturen sind sie von pharmazeutischen Wert. Bislang werden Medikamente an Tierzellen oder entarteten Menschenzellen gestest. Aus den Stammzellen ließe sich beliebiges Material gewinnen. Schließlich kann an ihnen die Entwicklung des Embryos in der frühesten Phase verfolgt und studiert werden.

Klinische Anwendungen liegen nach Auskunft der Forscher allerdings noch in weiter Ferne – möglicherweise werden bis dahin noch Jahrzehnte vergehen.

Siehe auch

  • Quellen
John Hopkins Medical Institutions und University of Wisconsin-Madison

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