Direkt zum Inhalt

Methantriol: Molekül bricht 150 Jahre alte Chemie-Regel

Gleich drei OH-Gruppen auf einmal? Das geht nun wirklich nicht. Doch! In superkaltem Eis entsteht ein bisher als nahezu unmöglich geltendes Molekül.
Das Molekül Methantriol.
Normalerweise würde ein Molekül mit mehreren OH-Gruppen am gleichen Kohlenstoffatom sofort ein Wassermolekül abspalten.

Unter allen chemischen Strukturen, denen wir im Alltag begegnen, ist die Hydroxygruppe zweifellos die häufigste. Die Atomkombination –OH ist nicht nur charakteristisch für den Trinkalkohol Ethanol, sondern findet sich gleich mehrfach in Zuckermolekülen. So häufig sie aber in Molekülen in und um uns auftritt – man findet nie mehr als eine von ihnen am gleichen Kohlenstoffatom. Schon vor fast 150 Jahren stellte der deutsche Chemiker Emil Erlenmeyer den Grund fest: Solche Moleküle zerfallen sofort in zwei energieärmere Bausteine. Sie spalten Wasser ab, und zurück bleibt ein Stoff mit einem einzelnen doppelt gebundenen Sauerstoffatom.

Seither versuchen Fachleute, Moleküle zu finden, die dieser Regel widersprechen und zwei OH-Gruppen am gleichen Kohlenstoffatom tragen. Denn solche Moleküle, so kurzlebig sie auch sind, tauchen als wichtige Zwischenprodukte bei spannenden Reaktionen auf. Zum Beispiel beim Abbau von Schadstoffen in der Atmosphäre – aber ebenso im eisigen Weltraum, wo sie womöglich helfen, die frühen Bausteine des Lebens zu konstruieren. Ein Team um Ralf I. Kaiser von der University of Hawaii hat nun solche Bedingungen genutzt, um ein noch exotischeres Molekül zu erzeugen. Wie die Arbeitsgruppe in der Fachzeitschrift »Journal of the American Chemical Society« berichtet, ist es ihr gelungen, den Stoff Methantriol herzustellen: ein einzelnes Kohlenstoffatom, das sogar drei Hydroxygruppen gleichzeitig trägt.

Die Fachleute produzierten dazu ein Eis aus Methanol (CH3OH) und molekularem Sauerstoff bei Temperaturen von nur 4,8 Grad über dem absoluten Nullpunkt. Bei so tiefen Temperaturen laufen Reaktionen extrem langsam ab, so dass Stoffe mit mehreren OH-Gruppen viel länger brauchen, um gemäß der Erlenmeyer-Regel zu zerfallen. So kann man solche eigentlich instabilen Stoffe untersuchen. Die Arbeitsgruppe bestrahlte das Eis mit hochenergetischer Strahlung, um Sauerstoff und Methanol zur Reaktion zu bewegen. Dabei entstand, wie sie berichtet, auch das gesuchte Methantriol. Neben der wissenschaftlichen Leistung, ein derart instabiles Molekül überhaupt zu erzeugen, erhoffen sich die Fachleute nun Erkenntnisse über die Bildung von atmosphärischen Aerosolen, die Bedeutung für Luftverschmutzung und das Klima haben.

WEITERLESEN MIT SPEKTRUM - DIE WOCHE

Im Abo erhalten Sie exklusiven Zugang zu allen »spektrum.de« Artikeln sowie wöchentlich »Spektrum - Die Woche« als PDF- und App-Ausgabe. Genießen Sie uneingeschränkten Zugang und wählen Sie aus unseren Angeboten.

Zum Angebot

(Sie müssen Javascript erlauben, um nach der Anmeldung auf diesen Artikel zugreifen zu können)

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.