Direkt zum Inhalt

Migration: Befeuern Stimmen für rechts den Fachkräftemangel?

Eine Untersuchung zeigt: In Regionen mit hohem Zuspruch für rechte Parteien lassen sich weniger ausländische Arbeitskräfte nieder. Vor allem für Ostdeutschland könnte das ein Problem sein.
Eine Person in medizinischer Kleidung lehnt sich nachdenklich an eine Wand und hält einen Kaffeebecher. Sie trägt ein Stethoskop um den Hals. Die Reflexion der Person ist im Fenster zu sehen. Die Szene vermittelt einen Moment der Ruhe oder Reflexion in einem hektischen Arbeitsumfeld.
Pflegepersonal aus dem Ausland wird dringend benötigt, um den hiesigen Mangel an Arbeitskräften auszugleichen. Stehen rechte Parteien dem im Weg?

Ausländerfeindlichkeit schreckt ausländische Arbeitskräfte ab. Das legt eine umfassende deutschlandweite Datenanalyse unter Beteiligung der Soziologin Tanja Buch vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) nahe. Ausgewertet wurden die Daten aller Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, die zwischen 2002 und 2017 laut dem Verzeichnis der Agentur in Deutschland sozialversicherungspflichtig tätig gewesen sind.

Im Schnitt kamen in diesem Zeitraum jährlich 4,3 Arbeitsmigranten pro 1000 Einwohner nach Deutschland. Sie verteilten sich allerdings nicht gleichmäßig auf die Bundesrepublik. In Regionen, in denen rechte Parteien wie die AfD oder die NPD ausgesprochen viele Zweitstimmen bei Bundestagswahlen erhielten, sank der Anteil in der Folge. In Regionen mit sehr wenigen rechten Stimmen stieg er hingegen. Besonders stark war dieser Trend bei Menschen ausgeprägt, die aus dem europäischen Ausland nach Deutschland kamen.

Neben dem Wahlverhalten in Regionen erfasste die Studie auch den Zusammenhang zwischen den von den Landeskriminalämtern erhobenen Zahlen zu rechten Straftaten und der Arbeitsmigration. Das Ergebnis: In Regionen mit vielen Delikten siedelten sich weniger ausländische Arbeitskräfte an; vor allem höher qualifizierte Erwerbstätige zogen vermehrt in Regionen mit niedrigerer Fallzahl. Dieser Effekt war den Forschenden zufolge allerdings statistisch weniger robust. Stimmen für rechte Parteien beeinflussten hingegen in erster Linie Menschen mit niedrigerem Bildungsstand.

Eine thematische Karte von Deutschland zeigt die Häufigkeit von Vorfällen pro 1000 Mitarbeitende in verschiedenen Regionen. Die Karte ist in Farbtönen von Hellbeige bis Dunkelorange eingefärbt, wobei dunklere Farben eine höhere Vorfallrate anzeigen. Besonders in den östlichen Bundesländern sind die Vorfallraten höher, wie durch die dunkelorange Färbung dargestellt.
Straftaten mit rechtem Hintergrund | Besonders im Osten kommen rechts motivierte Straftaten häufiger vor. Die Grafik zeigt die von den Landeskriminalämtern erhobenen Zahlen der Straftaten pro 1000 Arbeitnehmer in einer Region.

Überraschend seien die Ergebnisse der Studie Experten zufolge nicht, Ähnliches hätten auch Untersuchungen in anderen Staaten ergeben. Trotzdem müsse man bei der Interpretation der aktuellen Studie vorsichtig sein, sagte Panu Poutvaara, Leiter des ifo Zentrums für Migration und Entwicklungsökonomie, gegenüber dem deutschen Science Media Center. Ob Fremdenfeindlichkeit wirklich der Grund für niedrige Zahlen von Arbeitsmigration sei, könne die Studie nicht zweifelsfrei belegen. »Die Ergebnisse könnten zu einem großen Teil auch durch den Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland bedingt sein«, so der Wirtschaftsforscher.

Ausländische Fachkräfte sind nach Einschätzung von Experten wichtig, um dem demografischen Wandel entgegenzuwirken. Laut Berechnungen des IAB aus dem Jahr 2021 wird die Zahl der Berufstätigen bis 2035 um weitere drei Millionen Menschen zurückgehen. Nur durch eine starke Zunahme der Migration könne dieser Trend aufgehalten werden.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.