Polizeiliche Kriminalstatistik: Migration erhöht nicht die Kriminalitätsrate in Deutschland

Im aktuellen Wahlkampf dominiert das Thema Migration. CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz sprach beispielsweise von einer nationalen Notlage und auch der bayrische Ministerpräsident Markus Söder sagte auf der CSU-Winterklausur, man müsse Migration begrenzen, um so die innere Sicherheit zu verbessern. Tatsächlich scheint ihnen die Statistik auf den ersten Blick Recht zu geben: In der Polizeilichen Kriminalstatistik sind Menschen ausländischer Herkunft überrepräsentiert.
Doch nun haben Forschende des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung die Daten genauer unter die Lupe genommen und festgestellt: Der entscheidende Faktor ist nicht die Herkunft der Menschen, sondern andere Merkmale wie Wohnort, Alter und Geschlecht. »Wir finden keinen Zusammenhang zwischen einem steigenden Ausländeranteil in einem Kreis und der lokalen Kriminalitätsrate. Gleiches gilt im Speziellen für Schutzsuchende«, sagt ifo-Forscher Jean-Victor Alipour. Stattdessen ziehen Migrantinnen und Migranten häufiger in Ballungsräume, wo auch unter Einheimischen eine höhere Kriminalität herrscht, zudem sind Zuwanderer im Schnitt jünger und häufiger männlich, was ein höheres Kriminalitätsrisiko mit sich bringt.
Die Ökonomen Joop Adema und Jean-Victor Alipour haben für ihren Bericht die Polizeilichen Kriminalstatistiken (PKS) der Jahre 2018 bis 2023 ausgewertet. Im Jahr 2023 kamen beispielsweise auf 1000 ausländische Einwohner 57 Tatverdächtige für Straftaten – dreimal so viele wie bei Deutschen. Um herauszufinden, welche Faktoren dafür verantwortlich sind, zogen die Forscher zunächst die nach Landkreisen geordneten Daten heran. Dann ermittelten Adema und Alipour, wie die Alters- und Geschlechterverteilung in diesen Landkreisen aussieht. Wie sich herausstellt, sind Deutsche im Schnitt elf Jahre älter als Ausländer, außerdem ist der Männeranteil unter Letzteren höher.
»Da Ausländer häufiger in kriminalitätsbelasteten Gebieten wohnen, ergibt sich ein statistischer Zusammenhang zwischen ihrem Anteil und der lokalen Kriminalitätsrate«ifo-Bericht
Zudem erkannten die Forscher, dass in Kreisen mit mehr Ausländern durchschnittlich auch eine höhere Kriminalität von Deutschen zu beobachten sei. Diese Kreise seien meist städtisch und dicht besiedelt. »Da Ausländer häufiger in kriminalitätsbelasteten Gebieten wohnen, ergibt sich ein statistischer Zusammenhang zwischen ihrem Anteil und der lokalen Kriminalitätsrate«, schreiben sie in ihrer Arbeit.

In einem zweiten Schritt haben Adema und Alipour überprüft, ob es in Kreisen mit einem höheren Ausländeranteil automatisch mehr Kriminalität gibt. Dafür haben sie Kreise miteinander verglichen, die sich in ihrem demografischen Aufbau (Altersverteilung, Männeranteil und so weiter) ähneln und nur im Ausländeranteil unterscheiden. Als sie die PKS-Daten des Jahres 2023 auf diese Weise auswerteten, fanden die beiden Forscher keinen Zusammenhang zwischen dem Ausländeranteil und der Kriminalitätsrate eines Kreises vor.

Die regionalen Unterschiede bei den verschiedenen Kriminalitätsraten in Landkreisen lässt sich den Forschern zufolge durch andere Faktoren erklären:
- 44 Prozent der festgestellten Unterschiede ergeben sich durch eine erhöhte Kriminalität vor Ort, die sich in einem erhöhten Anteil an inländischen Tatverdächtigen widerspiegelt,
- 6 Prozent der Fälle seien auf die Höhe der Arbeitslosigkeit zurückzuführen,
- 25 Prozent der regionalen Unterschiede lassen sich durch eine Kombination aus Arbeitslosigkeit und Kriminalität erklären,
- 8 Prozent der Fälle sind auf demografische Faktoren wie Altersschnitt und Männeranteil zurückzuführen,
- 11 Prozent der Unterschiede hängen mit einem Zusammenspiel aller genannter Faktoren zusammen.
»Die Ergebnisse decken sich mit Befunden der internationalen Forschung, wonach Migration und Flucht keinen systematischen Einfluss auf die Kriminalität im Aufnahmeland haben«, sagt Alipour.
Mehr Migration hat demnach weder zu mehr Straßenkriminalität noch zu mehr Tötungsdelikten geführt
Auch als die Forscher die Daten nach Straftatbeständen sortierten, konnten sie keinen Zusammenhang mit dem Ausländeranteil feststellen – mehr Migration hat demnach weder zu mehr Straßenkriminalität noch zu mehr Tötungsdelikten geführt. Adema und Alipour betonen daher, dass zur Bekämpfung der Kriminalität die relevanten Faktoren berücksichtigt werden müssen, etwa die Arbeitslosigkeit. Daher sei es umso wichtiger, dass Migranten schnellstmöglich legalen Verdienstmöglichkeiten nachgehen können. Davon könnten alle profitieren, denn so ließe sich auch der Arbeitskräftemangel bekämpfen.
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