Mikrobiologie: Mikroben lernen den Umgang mit Uran schnell
Das giftige, strahlende Schwermetall Uran hat für viele Mikroben keinen Schrecken – sie können sich gegen das radioaktive Gift wirksam abschotten oder es sogar als Energiequelle nutzen. Oder gleich beides, wie eine Zwillingsspezies beweist: Trotz nahezu identischer genetischer Grundausstattung wählen die eng verwandten Vertreter der Metallosphaera-Archäen mal die eine, mal die andere Herangehensweise an gefährlich große Uranmengen in ihrer Umgebung [1]. Offenbar haben unterschiedliche Umweltbedingungen hier eine Grundform zu verschiedenen Ausprägungen gefeilt, meinen Forscher um Robert Kelly von der North Carolina State University in Raleigh.
Die Wissenschaftler haben zwei genetisch zu 99,99 Prozent identische Mikroben verglichen: Die vor einigen Jahren erstmals aus heißem Uranabraum im thüringischen Ronneburg isolierten Metallosphaera prunae [2] und die Schwesterart M. sedula, die zum Beispiel in Vulkankratern bei Neapel gedeiht. Beide gehören zu den extremophilen Archäen, die sich erst bei Temperaturen um 70 Grad Celsius und einem sauren pH-Wert von 2 richtig wohl fühlen – wachsen und gedeihen sonst aber mit sehr verschiedenen Nährstoffangeboten. Und auch die Reaktion der Keime auf strahlendes Uran ist bei aller Ähnlichkeit erstaunlich unterschiedlich: Während M. prunae Uran durch ein sofort eingeleitetes Schutzprogramm tolerieren kann, reagiert M. sedula auf größere Mengen hochempfindlich – wohl auch, weil es das Schwermetall zur Energiegewinnung heranzuziehen versucht.
Denn in Gegenwart von Uranyllösungen – diese enthalten Uran der Oxidationsstufe +6 – stellt nur M. prunae schnell sämtliche Transkriptions- und Translationsprozesse ein und baut alle RNAs ab, um sich so offenbar zunächst vor größeren Schäden zu schützen. Der Zwillingskeim M. sedula ist gegenüber U(VI) viel anfälliger, weil er diesen Schutzmechanismus nicht beherrscht. Dagegen kann aber nur der zweite Keim Uran "chemolithoautotroph" nutzen, also zur alleinigen Energiegewinnung aus anorganischen Materialien. Er oxidiert dazu beispielsweise festes Triuranoctoxid (U3O8, ein Uran(V,VI)-oxid) zu U(VI), wie Experimente zeigen.
Die Genanalysen legen nahe, dass nur wenige Genveränderungen aus M. sedula die Variante M. prunae gemacht haben – offenbar in Anpassung an sehr hohe Urankonzentrationen in der Umwelt. Dies hatte für den Keim Vor- und Nachteile, denn als Energiequelle konnte er natürlich vorkommende Uranverbindungen nun nicht mehr nutzen. Unter sehr unterschiedlichen Bedingungen wachsende Archäen können also durchaus sehr nahe verwandt sein, schlussfolgern Kelly und Co. Denn erstaunlich wenige Mutationen reichen aus, um den Stoffwechsel auf verschiedene extreme Umweltbedingungen hin zu optimieren. Womöglich sei die Möglichkeit, durch minimale genetische Umbauten auf radikal wechselnde Umweltbedingungen reagieren zu können, eine Kernqualität der bis heute lebenden extremophilen Archäen.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben