Mikrobiom: Die Entdeckung der Lunge-Hirn-Achse
Rauchen schadet der Lunge. Doch Zigaretten haben noch zahlreiche andere gesundheitsgefährdende Auswirkungen, darunter auch ein erhöhtes Risiko für multiple Sklerose (MS). Bei der Autoimmunkrankheit richtet sich die körpereigene Abwehr gegen sich selbst, was unter anderem dazu führt, dass sich die isolierende Hülle aus Myelin von den Neuronen löst. Doch wieso wirkt sich eine Belastung der Lunge auf Zellen im Gehirn aus?
Forscherinnen und Forscher der Universität Göttingen fanden nun Hinweise auf eine Lunge-Hirn-Achse, die solche Verbindungen erklärt. So bestimmt die Zusammensetzung des Lungenmikrobioms die Anfälligkeit, eine Autoimmunentzündung des Gehirns zu entwickeln.
Lunge als Frühwarnsystem für das empfindliche Gehirngewebe
Die Neuroimmunologen um Francesca Odoardi verabreichten Ratten ein lokales Antibiotikum in die Atemwege. Dadurch sammelten sich verstärkt bestimmte Bakterien im Lungengewebe an, deren Zellwände so genannte Lipopolysaccharide enthalten. Von diesen Molekülen ist bekannt, dass sie die Blut-Hirn-Schranke durchdringen und die Mikroglia, also die Immunzellen des Gehirns, verändern können. Tatsächlich blockierte die nun erhöhte Menge an Lipopolysacchariden die Mikroglia dieser Nager. Daraufhin war es bei ihnen anschließend nicht mehr möglich, durch die Gabe bestimmter Substanzen MS auszulösen: Die Immunzellen waren nicht in der Lage, das körpereigene Gewebe anzugreifen.
Hingegen ließen sich problemlos MS-Symptome bei Tieren hervorrufen, die kein Antibiotikum in die Lunge erhalten hatten. Verabreichten die Wissenschaftler anschließend nur Lipopolysaccharide, stoppte der Myelinabbau. Wenn sie den Stoff hingegen in den Ratten blockierten, verschlimmerten sich die Symptome. Im Vergleich zur allseits bekannten Darmflora ist die Lunge zwar weit weniger dicht mit Bakterien besiedelt, doch das macht sie nicht minder bedeutsam. Laut Odoardi diene sie als »Frühwarnsystem für das empfindliche Gehirngewebe«.
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