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Mikrobiom-Forschung : Überall Spuren von unbekannten Bakterien

Über drei Jahre haben Forscher weltweit in U- und S-Bahnen Proben gesammelt und nach Bakterien durchsucht. Sie fanden tausende unbekannte Keime - und für viele Orte einen ganz typischen Artenmix.
Das Mikrobiom kann sportliche Leistungsfähigkeit beeinflussen.

Wenn man nach neuen Bakterien und Viren sucht, dann wird man sicher welche finden: Nach diesem Motto enttarnen Mikrobiomforscher mit Hilfe von genetischen Analysen bisher unbekannte Keime anhand ihrer Erbgutspuren auf allerlei Oberflächen. Einen neuen Zwischenbericht für das Fachblatt »Cell« liefern nun Keimanalysten der Universität Tübingen mit einem internationalen Team im Rahmen des Konsortiums Metagonomics und Metadesign of Subways and Urban Biomes (MetaSUB): Sie hatten in einem dreijährigen Projekt mehr als 5000 Abstrichproben von allerlei Oberflächen in U-Bahn-Stationen, Bahnhöfen und Krankenhäusern gesammelt und dann im Labor die darin gefundenen DNA-Fragmente analysiert. In den Proben aus 60 Städten und 32 Ländern fanden sie dabei Sequenzen von 10 928 Viren- und 748 Bakterienstämmen, die bislang noch nicht in einer Referenzdatenbank verzeichnet sind.

Spannend sind aber nicht allein die neuen Funde in einzelnen Proben. Der Fortschritt in der Analysetechnik erlaubt es, Rückschlüsse aus der spezifischen Zusammensetzung des Mikrobioms an einem Ort zu ziehen. Ein Beispiel sind Proben von den Schuhen eines Stadtbewohners: Das Vorkommen einzelner seltener Bakterienarten in einem typischen Gemisch ergeben einen bakteriellen Fingerabdruck, mit dem Forscherinnen und Forschern bei etwa 90-prozentiger Genauigkeit vorhersagen können, in welcher Stadt der Besitzer des Schuhs herumgelaufen ist. Das Mikrobiom eines Ortes wird durch Faktoren wie die Gesamtbevölkerung und Bevölkerungsdichte, die Höhenlage, die Nähe zum Meer und das Klima geprägt – die alle zu einer typischen Signatur beitragen. »Eine Küstenprobe kann Salz liebende Mikroben enthalten, während eine Probe aus einer dicht besiedelten Stadt eine auffallende Artenvielfalt aufweisen kann«, sagt der Koautor der Studie, David Denko von der New Yorker Weill Cornell Graduate School, in einer Pressemeldung.

Eine möglichst umfassende Analyse der ortsspezifischen Mikofauna könnte dabei helfen, die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen genauer zu verstehen. Bei den Untersuchungen wurde deutlich, dass bestimmte Resistenzgene in den Bakterien mancher Städte häufiger sind. Die Wissenschaftler können auf dieser Grundlage nun untersuchen, wie und warum sich bestimmte Resistenzen in manchen Gegenden ausbreiten. In Zukunft plant das Konsortium, außer DNA-Sequenzen auch Erbgutspuren von RNA-Viren zu untersuchen. Dies würde es zudem erlauben Erreger mit RNA-Erbgut wie etwa Sars-CoV-2 in Städten aufzuspüren.

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