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Mikrochips: Forscher lassen dreidimensionale Chips wachsen

Die Zahl der Transistoren auf Chips lässt sich kaum mehr steigern – dieser Annahme halten Forscher nun ein neues Chipdesign entgegen. Laptops könnten damit so leistungsfähig wie Supercomputer werden, schätzen sie.
Skizze von Atomen, die in den Öffnungen einer Siliziummaske platziert sind
Das Team lagert halbleitende Partikel (in Rosa) in den Öffnungen einer Maske ab und erzeugt so elektronische Bauteile direkt auf anderen halbleitenden Schichten (in Lila, Blau und Grün).

Die Elektronikindustrie versucht seit jeher, immer mehr Schaltkreise auf die Oberfläche ihrer Computerchips zu packen. Doch damit könnte bald Schluss sein, denn die dafür nötigen Transistoren lassen sich kaum mehr weiter verkleinern. Die Physik setzt ihnen hier Grenzen. Um die Rechenpower der Chips dennoch weiter zu steigern, gehen Forschende deswegen einen anderen Weg: Sie stapeln mehrere Schichten mit Halbleiterelementen übereinander – so, als würde man ein Reihenhaus in ein Hochhaus verwandeln.

Auf solchen dreidimensionalen Chips ruhen große Hoffnungen: Sie könnten exponentiell mehr Daten verarbeiten und viel komplexere Funktionen ausführen als heute bekannte Chips. Noch können heutige Stapelchips diesen Hoffnungen allerdings nicht gerecht werden. Sie sind zu sperrig und zu langsam. Bislang werden die hochwertigen, einkristallinen Halbleiterelemente nämlich auf Siliziumscheiben, so genannten Wafern, gezüchtet. Damit ist ein gestapelter Chip nach bisheriger Machart durchzogen von »Siliziumböden«, und die stören die Kommunikation zwischen den Transistoren, Speicher- und Logikelementen in den einzelnen Schichten.

Einem Team des Massachusetts Institute of Technology (MIT) ist es nun allerdings gelungen, mehrschichtige und funktionsfähige Chips ohne dazwischenliegende Siliziumsubstrate zu produzieren. Dazu ließ es die Schichten direkt aufeinander wachsen. Die Halbleiterelemente der unterschiedlichen Schichten stehen damit im direkten Kontakt und kommunizieren so besser und schneller miteinander.

Aufbauen können die Forschenden den Chipstapel sowohl auf Siliziumwafern als auch auf jeder beliebigen anderen kristallinen Oberfläche. Ihre neue Methode haben sie in der Fachzeitschrift »Nature« vorgestellt. Neben dem Team des MIT waren Forschende der Universität Sungkyunkwan in Südkorea und der University of Texas an der Entwicklung beteiligt.

Temperaturen zerstören Schaltkreise nicht mehr

Für ihren dreidimensionalen Chip verwenden die Forscherinnen und Forscher ein Übergangsmetall-Dichalkogenid, kurz TMD. Es gilt als viel versprechender Nachfolger von Silizium für die Herstellung kleinerer leistungsstarker Transistoren. In einer früheren Arbeit stellte das Team bereits mehrschichtige Chips aus TMD her. Dabei versah es zunächst einen Siliziumwafer mit einer sehr dünnen Maske aus Siliziumdioxid, die winzige Öffnungen enthielt. Dann ließ es ein Gas über diese Maske strömen, und Atome aus dem Gas setzen sich in die Öffnungen. Diese Atome bildeten Keime, aus denen regelmäßige, einkristalline Muster wuchsen. Das Problem an dem Vorgehen: Es funktionierte nur bei etwa 900 Grad – solch hohe Temperaturen überstehen die Schaltungen des Chips nicht.

Doch dieses Problem haben die Forschenden nun mit einem denkbar einfachen Trick gelöst: Sie platzierten die Atome nicht inmitten der Öffnungen in der Maske, sondern an deren Rändern – und damit wuchsen die Keime nicht erst bei 900 Grad, sondern schon bei chipverträglichen 380 Grad zu einkristallinem Material heran. Dieses Verhalten ist auch aus der Metallurgie bekannt: Wird geschmolzenes Metall in eine Form gegossen, bilden sich Keime am ehesten an den Rändern der Form, da sie hier weniger Energie dafür benötigen.

Auf diese Weise züchtete das Team zunächst einkristalline TMD-Schichten auf einem Siliziumwafer, der bereits Schaltkreise enthielt. Anschließend baute es mehrschichtige Chips, die abwechselnd aus monokristallinen Schichten der zwei TMD-Materialien Molybdändisulfid und Wolframdiselenid bestehen. Mit Transistoren aus diesen Materialien lassen sich sämtliche logischen Operationen ausführen.

Mit dieser Methode würden gut doppelt so viele Halbleiterelemente auf einen Chip passen wie bislang, schätzt Jeehwan Kim, Professor am MIT und Mitautor der Arbeit. Und nach oben sind ihr offenbar keine engen Grenzen gesetzt: »Man könnte Dutzende bis Hunderte von Logik- und Speicherschichten direkt übereinander wachsen lassen, und sie könnten sehr gut kommunizieren.« Eine interessante Anwendung für ihre 3-D-Chips wäre den Forschenden zufolge Hardware für künstliche Intelligenz. Laptops oder Wearables würden durch solche Chips so schnell und leistungsfähig wie heutige Supercomputer, und sie könnten riesige Datenmengen speichern, wie es heute nur physische Datenzentren vermögen. Bislang haben die Fachleute das Konzept ihrer Chips für kleine Gerätearrays gezeigt. Skalieren und kommerzialisieren will Kim die Herstellung nun in einem ausgegründeten Unternehmen.

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  • Quellen

Kim, K. S. et al.: Growth-based monolithic 3D integration of single-crystal 2D semiconductors. Nature 636, 2024

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