Große Magellansche Wolke: Beschleunigt Schwarzes Loch Sterne auf Höchstgeschwindigkeit?

In unserer Milchstraße existieren zwei dutzend bekannte Hyperschnellläufer: Sterne, die sich mit 500 bis 2000 Kilometer pro Sekunde durchs All bewegen – und damit mindestens doppelt so schnell sind wie die Sonne auf ihrem Weg um das Zentrum unserer Galaxis. Eine Geschwindigkeit, die sie nur erreichen, wenn sie durch ein extrem massereiches Schwarzes Loch beschleunigt werden. Bislang galt Sagittarius A* in unserem galaktischen Zentrum als Verursacher der Hyperschnellläufer. Eine noch nicht publizierte Studie von Jiwon Jesse Han vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics und seiner Arbeitsgruppe deutet jedoch zumindest für einen Teil dieser Sterne auf einen unerwarteten Auslöser hin: ein bislang unbekanntes extrem massereiches Schwarzes Loch in der benachbarten Großen Magellanschen Wolke, einer Galaxie, die in etwa 2,4 Milliarden Jahren mit der Milchstraße verschmelzen soll.
Das Team hatte neun Hyperschnellläufer untersucht, die im Bereich des Sternbilds Löwe unterwegs sind und die von der Gaia-Mission erfasst worden waren. Das Weltraumteleskop hatte zahlreiche Objekte im Milchstraßensystem kartiert und ihre Position im dreidimensionalen Raum ebenso erfasst wie ihre Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit. Damit analysierten die Forscher zuerst alle 21 bekannten Hyperschnellläufer, auf die der so genannte Hills-Mechanismus zutrifft. Das ist die Wechselwirkung eines Schwarzen Lochs mit einem Sternenpaar, die letztlich dazu führt, dass einer dieser Sterne bedingt durch die massiven Gezeitenkräfte mit Höchstgeschwindigkeit durch das All geschleudert wird.
Diese Hyperschnellläufer in der Galaxis gehören alle zum Subtyp B dieser Sternklasse. Sie sind massereich, heiß und weisen eine relativ kurze Lebensdauer auf. Daraus leitet sich ab, dass ihre Hochgeschwindigkeitsreisen durch den Weltraum ebenfalls relativ kurz gewesen sein müssen. Han und Co berechneten, mit welcher Geschwindigkeit die Sterne unterwegs waren und woher sie wohl gekommen sind. Dies gelang ihnen bei 16 der 21 fraglichen Sterne, und sieben davon stammten aus der Nähe von Sagittarius A*.
Bei den verbliebenen neun Kandidaten deutete sich jedoch ein anderer, unerwarteter Ursprung an, nämlich die Große Magellansche Wolke, wo sich gemäß dem Hills-Mechanismus ebenfalls ein Schwarzes Loch verbergen muss. Anhand der Daten kalkulieren die Wissenschaftler, dass es etwa 600 000 Sonnenmassen wiegt. Es damit zwar extrem massereich, aber bedeutend kleiner als unser Schwarzes Loch, das es auf rund vier Millionen Sonnenmassen bringt.
Würde sich dieser Verdacht bestätigen, wäre das der erste wichtige Beleg, dass Schwarze Löcher in Zwerggalaxien existieren. Bislang konnten Astronomen nur Hinweise darauf entdecken. Gleichzeitig böte sich durch die relative Nähe der 160 000 Lichtjahre entfernten Großen Magellanschen Wolke eine Möglichkeit, Sterne zu beobachten, die dieses Schwarze Loch umkreisen.
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