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Das aktuelle Stichwort: Mildes Frühwinterwetter

Weihnachten naht, und Schnee ist nicht in Sicht. Stattdessen bleibt es weiterhin für die Jahreszeit zu mild: Vorbote des Klimawandels oder normales Frühwinterwetter?
Wolken am Abendhimmel
"Zum Wochenbeginn kommt es durch anhaltenden Tiefdruckeinfluss zu weiteren Regenfällen und teils kräftigem Wind. An der Küste gibt es Sturmböen, in Hochlagen Orkanböen. Mit 8 bis 15 Grad ist es für diese Jahreszeit weiterhin mild. Zum Dienstag folgt das nächste Tiefdrucksystem über den Britischen Inseln, dessen Ausläufer für weiteren Regen und noch kräftigeren Wind sorgen ...", so oder so ähnlich lauten die Wettermeldungen dieser Tage – sofern sich nicht ein Hochdruckgebiet dazwischen schiebt. Doch auch dann macht sich bis jetzt kein sibirisches Kältehoch breit, sondern mit dem schönen Wetter setzten sich zumindest tagsüber ebenfalls eher milde Luftmassen durch.

Damit beginnt der meteorologische Winter, wie der letzte Herbst endete: mit eher hohen Temperaturen, die nicht zur Jahreszeit passen. So meldet der Deutsche Wetterdienst nach ersten Auswertungen seiner etwa 2600 Messstationen, dass der elfte Monat des Jahres wie auch Oktober und September deutlich zu warm waren, es zu wenig regnete und die Sonne häufiger schien, als man es vom trüben Nebelmonat November gewohnt ist. Mit exakt 7,0 Grad Celsius lag er ganze drei Grad über dem langjährigen Durchschnitt – nur zweimal fiel ein November noch wärmer aus. Und es purzelten die Temperaturrekorde: Am 25.11. notierten die Thermometer 22,1 Grad Celsius in Müllheim am Oberrhein und 21,3 Grad Celsius im bayerischen Oberstdorf – niemals zuvor seit Beginn der Wetteraufzeichnungen war es so spät im November noch so warm.

Passend dazu verhielt es sich mit dem Sonnenschein: Durchschnittlich 65 Stunden strahlte unser Zentralgestirn vom wolkenarmen oder gar -freien Himmel und damit um ein Fünftel länger als im Mittel gewohnt. Im Südwesten der Republik fiel das Plus mit sechzig bis achtzig Prozent sogar noch deutlich größer aus, nur der Nordwesten hinkte im Deutschlandvergleich etwas hinterher. Dagegen machten sich Regen oder Schnee eher rar, sodass Teile Baden-Württembergs und von Rheinland-Pfalz nur ein Drittel der normalen Niederschlagsmenge abbekamen. Insgesamt fiel der November unterdurchschnittlich feucht aus – nur am ersten Wochenende des Monats rieselten für Wintersportler einigermaßen verheißend erscheinende Schneeflocken vom Firmament.

Doch selbst in den Alpen ist bis über 1500 Meter Höhe das Weiß schon wieder von den milden Temperaturen hinweggerafft worden und blühen neuerlich Enziane an den Hängen. Braunbären in Sibirien oder Estland finden nicht in den Winterschlaf, weil lang anhaltender Frost ausbleibt, der norwegische Wetterdienst misst zum ersten Mal in seiner Geschichte noch im Dezember die Pollenkonzentration von Haselnusssträuchern als Dienstleistung für Asthmatiker, und selbst am Polarkreis im finnischen Rovaniemi bleibt der Schnee aus – zum Leidwesen der Weihnachtsmann-Freunde, die um seinen pünktlichen Schlittenstart in die Weihnachtssaison fürchten müssen. Was ist los mit dem Winter? Was löst diese Wetterkapriolen aus?

Nachdem Hoch "Wigbert" sich am Sonntag nach Südosten verabschiedet hat, bestimmt nun Tief "Petra" mit teils heftigen Böen und ergiebigen Regenfällen das Bild. Normalerweise haben wir Satt der zu dieser Jahreszeit normalen großen Kaltlufttrögen der Atmosphäre über Mitteleuropa – entlang deren Grenzen die Tiefs auch polare Luft zu uns bringen –, führt die stürmische Dame wie ihre Vorgänger aus Südwest und West warme Luftmassen mit sich, die neue Temperaturrekorde für die Jahreszeit versprechen könnten. Begünstigt werden die Plusgrade auch von den sommerlich aufgeheizten Nebenmeeren Nordsee und Mittelmeer, die wie ein Wärmespeicher wirken und diese Wärme nebst Feuchtigkeit auch an darüber hinwegziehende Luftmassen abgeben. Vor Mallorca beispielsweise hat das Wasser noch angenehme 19 Grad Celsius, vor Zypern 20 und an Tunesiens Küste sogar noch 21 Grad Celsius. Und die Nordsee ist mit rund zwölf Grad Celsius gegenwärtig ebenfalls noch um etwa zwei Kelvin wärmer als sonst üblich.

Einen Einfluss auf die milde Winterwitterung hat zudem die so genannte Nordatlantische Oszillation (NOA): Fallen die Druckunterschiede zwischen Islandtief und Azorenhoch besonders groß aus – man spricht dann vom positiven NOA-Index –, verstärkt sich die Westwinddrift und "warme" Tiefdruckgebiete werden vermehrt vom Atlantik nach Mittel- und Osteuropa geführt. Die Winter sind dann hierzulande milder und feuchter. Sind beide Drucksysteme hingegen nur schwach ausgeprägt (negativer NOA-Index), können sibirische und arktische Luftmassen leichter nach Mitteleuropa vordringen und eisige Winter auslösen. Gegenwärtig steht der Index leicht im Plus und könnte in den nächsten Tagen und Wochen noch weiter zulegen, sodass zumindest von dieser Seite aus weiterhin milde Wetterlagen zu erwarten sind.

Ob es deshalb zu weißen Weihnachten reichen wird, ist zumindest sehr fraglich. Ohnehin ist ein eingeschneites Fest häufig eher ein Wunsch denn Realität: Im Norden Deutschlands liegt die Wahrscheinlichkeit dafür im langjährigen Vergleich bei nur zwanzig Prozent, in großen Teilen Bayerns, Baden-Württembergs oder Sachsens bei immerhin 30 bis 60 Prozent, und nur der Bayerische Wald, der Schwarzwald und die Alpen sind diesbezüglich schneesicher. Wegen des Klimawandels – die jetzige Wärme ist dafür allenfalls ein Hin-, jedoch kein endgültiger Beweis – dürften sich die Chancen auf weiße Weihnachten zukünftig allerdings noch weiter vermindern, denn die Winter werden allen Prognosen und Modellen zufolge kürzer, wärmer und nässer. Die alte Bauernregel "Es folgte noch allezeit und immerdar auf kalten Dezember ein fruchtbar Jahr" könnte so bald noch weniger gültig sein, als sie es heute ohnehin schon ist.

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