Atmosphäre: Plasmablasen behindern die Kommunikation
Am 4. März 2002 kam es während eines militärischen Einsatzes von US-Streitkräften in Afghanistan zu einem tragischen Fehlschlag: Ein Truppenhubschrauber vom Typ Chinook sollte im Rahmen der Operation Anaconda 21 Soldaten auf dem Gipfel des Takur Ghar absetzen – sie sollten ein anderes Team retten, dass von Taliban in der Nähe belagert wurde. Doch der Berg war ebenfalls in der Hand der Gegner, und unter schwerem Beschuss kam es zur Bruchlandung des Helikopters. Drei Soldaten starben beim anschließenden Gefecht. Dabei sollten die Piloten überhaupt nicht mehr auf dem Takur Ghar landen; verzweifelt versuchte die Einsatzleitstelle sie über Funk zu erreichen. Die Botschaft kam jedoch nie an.
Michael Kelly von der Johns Hopkins University und seine Kollegen haben nun womöglich eine Erklärung für den kommunikativen Blackout: Plasmablasen in der Atmosphäre störten damals wahrscheinlich den Versand und Empfang der Signale – diese kleinen "Wolken" aus elektrisch geladenen Gasteilchen überlagerten die Radiofrequenzen, so dass diese nicht mehr zum Adressaten durchdrangen. Diese Plasmablasen bilden sich nach Sonnenuntergang in der Ionosphäre, also höheren Atmosphärenschichten, und haben einen Durchmesser von etwa 100 Kilometern. Treffen Radiowellen darauf, so werden diese gestreut und gebeugt, so dass diese ihr Ziel nicht oder stark verzerrt erreichen. Das wird vor allem nachts zum Problem, denn tagsüber ist das Plasma in der höheren Atmosphäre allgegenwärtig: Die harte Sonnenstrahlung schlägt beständig Elektronen aus Atomen und Molekülen und elektrifiziert diese dadurch – solange die Sonne scheint, ist beständig für Plasmanachschub gesorgt.
Nachts hingegen neutralisieren sich die geladenen Teilchen wieder: Es entstehen wieder elektrisch ausgeglichene Atome und Moleküle. In tieferen Bereichen der Atmosphäre vollzieht sich dieser Prozess schneller, weshalb das Plasma hier an Dichte verliert. Dadurch bilden sich Blasen aus leichtem Plasma, die ähnlich wie Kohlensäure im Mineralwasser ausperlt und nach oben durch die dichteren Plasmaschichten steigt. An den Rändern dieser Blase entstehen Turbulenzen, die letztlich die Radiowellen stören. Die Intensität dieses "Blubberns" unterliegt zudem einem jahreszeitlichen Gang und findet beispielsweise über Afghanistan verstärkt im Frühling statt.
Da der Kampf am Takur Ghar während es Frühjahrs stattfand, untersuchten die Physiker um Kelly einen möglichen Zusammenhang und hatten Glück, dass eine mit den erforderlichen Messgeräten ausgerüstete NASA-Mission zu diesem Zeitraum auch die Atmosphäre über Zentralasien erfasste: TIMED (Thermosphere Ionosphere Mesosphere Energetics and Dynamics) untersucht die Zusammensetzung und Dynamik der oberen Atmosphäre. Die Forscher entwickelten dann einen Algorithmus, mit dem sie die zweidimensionalen Satellitenbilder in dreidimensionale Abbildungen der Erdatmosphäre umwandelten: Sie zeigten die an Elektronen verarmten Abschnitte der Lufthülle, in denen es zum Flimmern der Radiosignale kam – am 4. März befand sich tatsächlich eine Plasmablase genau zwischen dem Helikopter und dem Kommunikationssatelliten. Diese Blase war laut Kelly nicht groß genug, um das Radiosignal komplett abzuschirmen. Doch zusammen mit dem gebirgigen Relief, das die Kommunikation ohnehin erschwert, führte sie zum Signalblackout, das die Soldaten ins Verderben fliegen ließ.
Ihr Modell solle zukünftig derartige Pannen verhindern helfen, hoffen die Physiker. Es kann aus den entsprechenden Strahlungs- und Wettersatellitendaten die Plasmablasen erkennen und vorhersagen, wie und wohin sie sich in den nächsten Stunden bewegen. Militärs oder die zivile Luftfahrt können dann im Notfall auf andere Frequenzen oder Kommunikationskanäle umschalten.
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