Insektenplagen: Millionen Raupen fressen sich durch US-Wälder
Dem Nordosten der USA steht eine massive Entlaubung seiner Wälder bevor: Millionen Schwammspinnerraupen (Lymantria dispar) fressen sich zurzeit durch mehrere hundert Quadratkilometer Laubwald in Massachusetts, wie die Tageszeitung "Boston Globe" berichtet. Der Nachwuchs des Nachtfalters verschmäht dabei weder Eichen noch Obstbäume und verzehrt mit großem Appetit sogar Nadeln von Kiefern. Dabei können sich die Raupen nach dem Schlüpfen über große Flächen verbreiten, weil sie mit Hilfe seidiger Gespinste vom Wind weitergetragen werden. Sie fressen nahezu ununterbrochen, bis sie sich im Herbst verpuppen. Augenzeugenberichten zufolge soll es in betroffenen Waldgebieten ziemlich gespenstisch zugehen, nicht nur weil viele Bäume bereits kahl gefressen sind, sondern weil es vom blauen Himmel her regnet – die Ausscheidungsprodukte der Tiere. Auf ihren Wanderungen stürmen die Raupen bisweilen auch zu tausenden Hauswände, die sie als Hindernisse überqueren wollen.
Der gegenwärtige Ausbruch in der Region gilt als der schlimmste seit mehr als 30 Jahren, ursprünglich gehen diese Orgien auf ein gescheitertes Experiment im Jahr 1869 zurück. Schwammspinner kamen in Nordamerika nicht vor; ihre Heimat liegt in wärmeren Regionen Europas und Nordafrikas. Der französische Entomologe Étienne Léopold Trouvelot brachte sie nach Medford in Massachusetts, weil er testen wollte, ob sie zur Naturseidengewinnung taugen und ob es hierfür einen Markt in den USA gäbe. Der Legende nach hielt der Forscher sie auf seiner Fensterbank, von der sie eines Tages in die Umwelt entkamen – angeblich vom Winde verweht. Schon 20 Jahre später fand der erste Ausbruch der eingeschleppten Pest statt, und seitdem kehren diese Ereignisse regelmäßig wieder. Das US-Landwirtschaftsministerium zählt die Schwammspinner zu den schlimmsten invasiven Arten in Nordamerika wegen der Schäden, die sie in den Wäldern hinterlassen.
1981 wurde die Raupeninvasion noch massiv mit Pestiziden bekämpft, doch ab 1989 schien die Natur selbst ein Gegenmittel parat zu haben. Ein natürlich vorkommender Pilzerreger namens Entomophaga maimaiga befiel die Raupen und sorgte dafür, dass sie massenhaft abstarben. Dies weckte Hoffnungen bei Ökologen, dass große Ausbrüche der Vergangenheit angehörten und sich ein neues natürliches Gleichgewicht eingestellt hätte – zumindest blieben in den folgenden Jahren massive Schwammspinnereruptionen aus. Letztes Jahr spielte jedoch das Wetter den Insekten in die Karten, da im Mai eine starke Trockenheit herrschte, so dass sich die Pilze kaum vermehren konnten – sie gedeihen besser unter feuchten Bedingungen. Viele Raupen entwickelten sich zu Faltern, die wiederum neuen Nachwuchs zeugten, der 2016 schlüpfte. Und da auch dieses Jahr die Bedingungen schlecht für Entomophaga maimaiga und gut für die Schwammspinner waren, droht nächstes Jahr ein noch größerer Kahlfraß. Zudem könnten weitere Bundesstaaten betroffen sein, warnen Experten.
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