Direkt zum Inhalt

Asteroiden: Chariklo – ein Asteroid mit Ringen

Bisher konnten nur die Gasriesen im Sonnensystem mehr oder weniger stark ausgeprägte Ringsysteme vorweisen. Nun wurde beim Kleinplaneten (10199) Chariklo bei einer Sternbedeckung ein System aus zwei schmalen Ringen entdeckt.
Die Ringe des Asteroiden Chariklo (künstlerische Darstellung)

Ein Kleinplanet mit Ringen – damit rechnete bislang kaum ein Planetenforscher, da sich solche Gebilde in unserem Sonnensystem nur in den Umlaufbahnen der vier RiesenplanetenJupiter, Saturn, Uranus und Neptun finden. Nun aber macht ein Kleinplanet mit rund 250 Kilometer Durchmesser den exklusiven Anspruch der Gasriesen zunichte. (10199) Chariklo ist von einem Ringsystem aus zwei schmalen und unterschiedlich dichten Ringen umgeben, das einen Durchmesser von rund 800 Kilometern aufspannt.

Die Ringe des Asteroiden Chariklo | Wie eine Miniaturausgabe von Saturn wirkt der Asteroid (10199) Chariklo in dieser künstlerischen Darstellung. Er umrundet die Sonne zwischen den Bahnen von Uranus und Saturn. Der Himmelskörper selbst hat einen Durchmesser von 250 Kilometern, das Ringsystem von rund 800 Kilometern. Der hellere Ring ist rund sieben Kilometer breit.

Entdeckt wurden die Ringe bei einer Bedeckung des 12,4 mag hellen Sterns UCAC4 248-108672 am 3. Juni 2013. Diese Verfinsterung nahm eine internationale Forschergruppe um Felipe Bragas-Ribas vom brasilianischen Observatorio Nacional in Rio de Janeiro zum Anlass, den Durchmesser und die Form von Chariklo genauer zu bestimmen und Ausschau nach eventuellen Monden zu halten. Zu ihrer Überraschung fanden sie jedoch keine Monde, sondern das Ringsystem.

Chariklo gehört zur Objektgruppe der Zentauren, einer Klasse von Kleinplaneten, welche die Sonne zwischen den Bahnen von Jupiter und Neptun umrunden. Ihre Bahnen sind auf längere Sicht instabil, da die Bewegungen dieser Himmelskörper durch die Schwerefelder der vier Gasriesen starken Schwankungen unterworfen sind. Nur wenige dutzend Millionen Jahre halten sie sich auf ihren Bahnen, dann werden sie entweder aus dem Bereich der Gasriesen herauskatapultiert oder kollidieren sogar mit ihnen.

Chariklo wurde im Jahr 2007 im Rahmen des Projekts Spacewatch entdeckt und umkreist die Sonne überwiegend zwischen den Umlaufbahnen von Saturn und Uranus einmal in 63,2 Jahren. Mit einem Durchmesser von rund 250 Kilometern ist er das größte Mitglied der Zentauren, von denen derzeit 387 Mitglieder bekannt sind. Benannt wurde der Himmelskörper nach der griechischen Nymphe Chariklo, der Tochter des Gottes Apollo und Ehefrau des Zentauren Chiron.

Für ihre Beobachtungen setzten die Forscher um Braga-Ribas acht Teleskope ein, die sich in Brasilien, Argentinien und Chile befinden. Die große Zahl an Teleskopen war notwendig, da es eine gewisse Unsicherheit über den exakten Verlauf der Schattenzone entlang des südlichen Südamerikas gab. Tatsächlich gelang es nur mit drei Teleskopen, die eigentliche Sternbedeckung durch den Hauptkörper zu verfolgen. Wenige Sekunden, bevor Chariklo den Stern verdeckte, wurde das Licht jedoch für rund eine Sekunde deutlich abgeschwächt. Das Gleiche geschah nach der eigentlichen Bedeckung in zeitlich gleichem Abstand. Drei weitere Teleskope, die sich außerhalb der Schattenzone des Hauptkörpers befanden, registrierten ebenfalls zwei kurzzeitige Verfinsterungen des Sterns. An den beiden anderen Teleskopen ergab sich immerhin jeweils noch eine kurze Verfinsterung.

Die Astronomen erklären ihre Beobachtungen mit einem schmalen Ringsystem, das Chariklo im Bereich seines Äquators umgibt. Mit dem dänischen 1,54-Meter-Teleskop der Europäischen Südsternwarte ESO auf dem chilenischen Berg La Silla ließ sich die Bedeckung von UCAC4 248-108672 durch Chariklo mit extrem hoher zeitlicher Auflösung verfolgen. Aus den Messungen ergibt sich, dass Chariklo von zwei schmalen Ringen umgeben ist, dessen Hauptring A etwa sechs bis sieben Kilometer breit und optisch etwa so dicht wie der A-Ring von Saturn ist. Die große Halbachse des A-Rings zum Zentrum von Chariklo beträgt 391 Kilometer, von der Oberfläche trennen ihn rund 266 Kilometer. Weiter außen ließ sich ein wesentlich dünnerer Ring B nachweisen, der etwa drei Kilometer breit ist. Dazwischen befindet sich eine neun Kilometer breite Lücke, in der es offenbar kein Ringmaterial gibt.

Die Forscher vermuten, dass die Ringe das Überbleibsel einer Kollision sind. Bei dieser wurde Material aus Chariklo herausgesprengt, das in seinem Schwerefeld gefangen blieb, obwohl die Fluchtgeschwindigkeit mit nur 100 Meter pro Sekunde weniger als ein Prozent derjenigen der Erde beträgt. Braga-Ribas und seine Koautoren schätzten die Masse des in den Ringen befindlichen Materials ab. Aus ihren Berechnungen ergibt sich ein eishaltiger Himmelskörper mit einem Durchmesser von 2,4 Kilometern, könnte man das Ringmaterial zusammenfegen und vereinigen.

Erstaunlich ist auch, dass beide Ringe so scharfe Begrenzungen aufweisen. Schon innerhalb weniger Jahre sollte sich das Material in den Ringen vom Außenrand bis nahe an die Oberfläche von Chariklo ausgebreitet haben und eher eine diffuse Scheibe um den Kleinplaneten bilden. Daher vermuten die Astronomen, dass kleine Schäferhundmonde mit Durchmessern von wenigen 100 Metern die Ringe stabilisieren, ähnlich wie es in größerem Maßstab beim F-Ring von Saturn beobachtet wird. Ihn halten die Monde Prometheus und Pandora zusammen.

Braga-Ribas und seine Mitarbeiter diskutieren in ihrer Arbeit auch andere Alternativen zu einem Ringsystem um Chariklo. Eine Möglichkeit wären schmale Jets aus Gas und Staub, die ähnlich einem Kometen aus der Oberfläche des Kleinplaneten hervorbrechen. Tatsächlich wurde schon bei mehreren Zentauren kometare Aktivität gesichtet. Um aber die beobachteten zeitlichen Verläufe der Verfinsterungen zu erklären, müssten diese Ausbruchsstellen aber schon sehr speziell über die Oberfläche verteilt sein. Eine weitere Erklärung könnte eine kugelförmige Schale aus Staub sein, die den Kleinplaneten umhüllt. Beiden Vorschlägen billigen die Astronomen aber nur sehr geringe Wahrscheinlichkeiten zu. Somit ergibt sich der faszinierende Schluss, eine Art von Mini-Saturn in den Weiten des äußeren Sonnensystems aufgespürt zu haben.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.