Miniaturisierung: Teilchenbeschleuniger auf einem Mikrochip erzielt Energierekord
Ganz gleich, ob sie in der Materialforschung, für die Krebsbehandlung oder zur Ergründung physikalischer Grundprinzipien eingesetzt werden, Teilchenbeschleuniger sind darauf ausgelegt, geladene Teilchen auf extrem hohe Geschwindigkeiten und Energien zu bringen. Dazu brauchen sie in der Regel viel Platz. Man denke nur an den Large Hadron Collider am CERN in Genf. Dort werden in einem 27 Kilometer langen Tunnel Protonen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und zur Kollision gebracht. Was aber, wenn es gelänge, Teilchenbeschleuniger zu bauen, die gerade einmal so groß wie eine Fingerkuppe sind?
Daran arbeiten etliche Forschungsgruppen weltweit seit vielen Jahren. Vor allem zwei Teams liefern sich derzeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen: eins von der US-amerikanischen Stanford University und eins von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Beide Gruppen konnten im Jahr 2013 erste Prototypen eines solchen Miniaturbeschleunigers präsentieren. Nachdem im Jahr 2020 zunächst die Stanford-Gruppe die Nase vorn hatte und erstmals zeigen konnte, dass sich Elektronen tatsächlich mit Hilfe von ultrakurzen Laserpulsen auf einem Siliziumchip beschleunigen lassen – allerdings nur auf wenige hundert Elektronvolt –, hat nun die FAU-Gruppe die Latte wieder etwas höher gelegt. Im Fachmagazin »Nature« beschreiben sie einen Teilchenbeschleuniger, der die Energie von Elektronen auf 500 Mikrometer Länge um 43 Prozent auf mehrere tausend Elektronvolt erhöhen kann – ein Rekord sowohl im Hinblick auf die Energie als auch die Beschleunigung. Noch dazu gelang es ihnen, den Strahl sehr eng zu bündeln. Das ist bislang neben der bloßen Beschleunigung der Teilchen die größte Herausforderung.
In der Regel werden außerhalb des Strahls montierte Magnete verwendet, um die Elektronen in einer Richtung quer zu ihrer Bewegung zu fokussieren, und zwar mit einer Technik, die »alternating-phase focusing« (abgekürzt APF, auf Deutsch etwa Wechselphasenfokussierung) genannt wird. Die winzigen Abmessungen des Minibeschleunigers erschweren jedoch den Einsatz externer Magnete. Mit dem so genannten APF-Confinement umgeht die FAU-Gruppe nun dieses Problem und nutzt den Laser selbst zur Fokussierung der Elektronen. Das Laserlicht erzeugt eine »optische Mode«, die die Elektronen in einer Struktur aus mikrometergroßen Siliziumsäulen beschleunigt. Die Siliziumsäulen sind in einzelnen Paketen angeordnet, auch Makrozellen genannt. Die Abstände zwischen den einzelnen, in Reihe geschalteten Makrozellen sind so gestaltet, dass sie plötzliche periodische Änderungen in der Phase des Lichts hervorrufen. Diese Phasensprünge bewirken, dass die Elektronenpakete zunächst in einer Richtung senkrecht zu ihrer Bewegung fokussiert werden, wodurch der Strahl verengt wird, und dass sie dann in einer Richtung parallel zu ihrer Bewegung gebündelt werden.
»Die Traumanwendung wäre, einen Teilchenbeschleuniger auf einem Endoskop zu platzieren, um eine Strahlentherapie direkt an der betroffenen Stelle im Körper durchführen zu können«, sagt Tomáš Chlouba, einer der vier Erstautoren des Forschungsartikels, laut einer Pressemitteilung der Universität. Von diesem Traum ist das Team zwar noch weit entfernt, denn dazu müsste der Energiegewinn um etwa den Faktor 100 gesteigert werden. Aber man könne »zum ersten Mal wirklich von einem Teilchenbeschleuniger auf einem Chip sprechen«. Um höhere Elektronenströme bei noch größeren Energien am Ausgang der Struktur zu erreichen, müsse man nun in einem nächsten Schritt die Strukturen erweitern oder mehrere Kanäle nebeneinanderlegen. Ein weiterer Ansatz zur Erhöhung des Stroms könnte darin bestehen, einen zweiten Laser einzusetzen, um ein Interferenzmuster zwischen den beiden Lasern zu erzeugen.
Der Stanford-Gruppe gelang es im Übrigen fast zeitgleich, einen ähnlichen Mechanismus auf einem Chip zu integrieren. Das berichten sie in einem Vorabdruck auf dem Preprint-Server »arXiv«. Allerdings erreichen sie dabei einen Energiegewinn von »nur« 25 Prozent.
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