News: Minikreisverkehre gegen das Unfallrisiko
Am Anfang der Studie stand die Auswahl der richtigen Orte für Minikreisverkehre. Aus etwa fünfzig vorgeschlagenen Einmündungen und Kreuzungen suchten die Verkehrspezialisten 18 Plätze innerhalb geschlossener Ortschaften aus, die bestimmte Kriterien erfüllen mußten. So müssen sie von Ferne gut erkennbar sein, also zum Beispiel nicht hinter Kuppen oder langen Kurven liegen, sie dürfen kein zu starkes Gefälle haben, das Verkehrsaufkommen darf nicht zu hoch sein und es muß einen ausgewogenen Querverkehr geben.
Zu Vergleichszwecken machten die Forscher noch vor dem Bau der Kreisverkehre Videoaufnahmen und Geschwindigkeitsmessungen an den alten Verkehrsknotenpunkten. Dann berieten sie die Baulastträger bei Planung und Ausführung der Minikreisel. Da sie die jeweilige Verkehrssituation in ihre Berechnungen einbezogen, sehen die einzelnen Lösungen unterschiedlich aus. Ein Kölner Minikreisel ersetzt zum Beispiel eine Ampel in der Nähe einer Behindertenwerkstatt und mußte mit Mittelinseln in den Zufahrten und mit Zebrastreifen ausgestattet werden.
Als wesentlich für die Erkennbarkeit der Minikreisel stellten sich weiße Pfeile in Fahrtrichtung heraus, die sich gegenüber der Zufahrten auf der Fahrbahn befinden. Ein eigens für Minikreisel entworfenes Schild kündigt in Verbindung mit dem "Vorfahrt gewähren"-Zeichen die neue Verkehrslage an. Ein besonders wichtiges Merkmal für das Funktionieren des Kreisels ist ein drei bis vier Zentimeter hohes Bord am Rand der Mittelinsel. Die Gestaltung der Insel selbst ist weitgehend dem Baulastträger überlassen; fehlt aber das Bord, wird sie von fast der Hälfte aller Autofahrer überfahren.
Etwa drei Monate nach der Fertigstellung der Kreisverkehre brachen die Bochumer Wissenschaftler zu neuen Untersuchungen auf. An denselben Orten wie zuvor machten sie Videoaufnahmen und Geschwindigkeitsmessungen. Die Ergebnisse können sich sehen lassen: Die Durchschnittsgeschwindigkeit der Autos, Busse und LKW ist um sechs bis elf Stundenkilometer niedriger als vorher. Die mittlere Unfallhäufigkeit hat sich halbiert.
Um die Schwere der Unfälle mit einbeziehen zu können, haben die Wissenschaftler sie monetarisiert, d.h. je schwerer der Unfall desto höher die von ihm verursachten Kosten. So können sie auch Personenschäden einrechnen. Die so berechnete Unfallkostenrate ist nach dem Umbau um 90 Prozent geringer als vorher. An allen achtzehn Kreiseln hat es nach dem Umbau insgesamt nur noch drei Personenschäden gegeben und keinen einzigen Schwerverletzten.
Besonders skeptisch waren die Verkehrswissenschaftler gegenüber dem Verhalten der Radfahrer. Sie befürchteten, daß sie der Verlockung nicht widerstehen könnten, einfach ohne die Vorfahrt zu achten durch den Kreisel zu fahren. Um so überraschender die Beobachtung: Fast alle Radler benahmen sich vorbildlich. Bus- und LKW -Fahrer kommen mit der neuen Situation gut klar. Nach anfänglichem Zögern tun sie automatisch das richtige: Sie überfahren die Mittelinsel wie geplant.
Nicht nur die Forscher sind hochzufrieden; auch die Anwohner der Minikreisverkehre empfinden die neue Lösung als Verbesserung. Zwischen 80 und 95 Prozent der befragten Haushalte äußerten sich positiv.
Für die ausdrückliche Empfehlung der Minikreisverkehre durch das Ministerium gibt es aber noch einen anderen guten Grund: Sie sind äußerst kostengünstig. Zwischen 15 000 und 140 000 DM haben die achtzehn Modellkreisel gekostet, der Durchschnittswert liegt bei etwa 20 000 DM. Diese Summe ist vergleichbar mit den laufenden Kosten, die ein Ampelübergang pro Jahr verursacht. Ein normalgroßer Kreisverkehr kostet zwischen 300 000 und 700 000 DM. Dieser große Unterschied kommt dadurch zustande, daß die Miniversion einfach auf bestehende Straßen aufgesetzt werden kann, während man für große Kreise in den Straßenrand eingreifen muß. Das wiederum bringt tiefbauliche Maßnahmen und unter Umständen das Verlegen von Leitungen mit sich.
Über die Haltbarkeit der Minikreisel können die Forscher natürlich noch keine Angaben machen. Die jeweilige Gestaltung des Kreises wird darauf aber großen Einfluß haben. Der RUB-Verkehrswissenschaftler Dr.-Ing. Lothar Bondzio ist sich sicher, daß schon in wenigen Jahren dreistellige Zahlen von Minikreisverkehren in Deutschland zu finden sein werden. Daß man sie bald auch außerhalb Nordrhein-Westfalens einsetzen wird, scheint bei den vielen Tagungsbesuchern aus anderen Bundesländern gewiß.
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