Direkt zum Inhalt

News: Minioperationen mit dem Laserskalpell

Mit einem neuartigen Laserskalpell operieren Wissenschaftler der Universität Jena in lebenden Zellen. Dabei greifen sie in Zellstrukturen ein, die nur wenige Nanometer, also millionstel Millimeter, klein sind. So lassen sich zum Beispiel einzelne Zellorganellen oder Chromosomen manipulieren.
Die Wissenschaftler der Universität Jena benutzen für ihre Experimente einen hochintensiven, ultrakurzgepulsten Femtosekunden-Laser. Das High-tech-Gerät sendet rund 80 Millionen Lichtblitze in der Sekunde aus, die jeweils nur 100 Femtosekunden, also 100 billiardstel Sekunden, lang andauern. Diese Verfahrensweise ermöglicht ein äußerst schonendes Operieren in der Zelle, weil der Lichtstrahl das Nachbargewebe nicht aufheizt. Außerdem haben Karsten König und seine Kollegen herausgefunden, daß sich nahinfrarotes Licht in einem Wellenlängenbereich zwischen 700 und 1200 nm am besten eignet. Ultraviolettes Licht hingegen kann leicht Schäden in der Erbsubstanz der Zelle verursachen.

Mit einem Spezialmikroskop gekoppelt, ist das Laser-System genau steuerbar. Der eigentliche Schnitt ist dann nur 0,2-0,4 Tausendstel Millimeter breit. Das "Nano-Skalpell" reicht bis zu einem Millimeter tief durch Gewebsschichten hindurch, ohne diese zu verletzen; Königs Team kann also im Gewebeinneren einen von außen unsichtbaren Schnitt setzen.

Mit dem nanochirurgischen Instrument ist es zum Beispiel möglich, einzelne Zellbestandteile, sogenannte Organellen, hochpräzise zu treffen. So können einzelne Mitochondrien ausgeschaltet werden, die innerhalb einer Zelle für die Energieversorgung zuständig sind. Dies ermöglicht zum Beispiel, die Rolle dieser Mini-Kraftwerke beim "programmierten Zelltod" zu untersuchen. Außerdem ist es den Forschern inzwischen gelungen, Chromosomen zu zerschneiden, die nur ein tausendstel Millimeter breit sind. Der nanochirurgische Eingriff gelang innerhalb des Zellkerns einer lebenden Zelle. Die Zellmembran und die Kernmembran wurden dabei nicht geschädigt.

Bei ihren Experimenten arbeiten die Wissenschaftler mit chinesischen Hamster-Ovarzellen. Diese Zellen, die eigens in Spezialzellkammern gezüchtet werden, sind als Modellobjekte besonders gut geeignet. Denn bislang ist der nanochirurgische Eingriff mit dem Laserskalpell erst Forschungsmethode. Wie schwerwiegend die Folgen eines Eingriffs für eine Zelle und für ihre Nachbarn tatsächlich ist, muß noch genau ermittelt werden.

"Viel hängt davon ab, wie wir den Laserstrahl modulieren", erläutert Karsten König. "Wir müssen den Fokus so punktgenau setzen, daß umgebende Nachbarzellen nicht geschädigt werden." In aufwendigen Analyseverfahren weisen die Wissenschaftler mit Fluoreszenzfarbstoffen nach, ob Zellmembranen und andere Zellbestandteile nach der "OP" noch intakt sind. Zudem beobachten sie mehrere Tochtergenerationen der Zelle weiter.

"Wir hoffen, daß wir eines Tages in einem lebenden Körper Krebszellen gezielt außer Gefecht setzen können, indem wir etwa ihre Reproduktionsfähigkeit ausschalten", macht König die segensreichen Perspektiven seiner Forschung deutlich. Wenn sich Krebszellen nicht mehr zu teilen vermögen, wächst der Tumor nicht weiter und stirbt allmählich ab. Dieser nanochirurgische Knock-out für Krebszellen könnte auch dann eingesetzt werden, wenn andere Mittel versagen. Bevor der erste krebskranke Mensch eine solche Therapie erhält, werden allerdings noch einige Jahre ins Land gehen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.