Jahresrückblick: Mit Argusaugen unsichtbar in eine energische Zukunft
Die Quarks wurden nicht gespalten, die fundamentalen Kräfte nicht vereint, und sowohl Dunkle Materie als auch Dunkle Energie hat niemand erhellt. Auf den ersten Blick scheint das vergehende Jahr unser Wissen um physikalische Vorgänge und deren technische Anwendung nicht vorangebracht zu haben. Und auf dem zweiten? Für scharfe Blicke und besondere Arten der Fortbewegung hat 2007 jedenfalls einiges getan. Und es gab Grund zu feiern.
Forschung ist meist eine Frage des Sehens. Ein getüpfeltes Waldhuhn ist erst dann entdeckt, wenn Sie es beobachtet oder gar fotografiert haben. An das Wasser auf dem Mars glauben wir vorsichtshalber nicht, bevor wir es tatsächlich fließen oder zumindest einen aus dem Eis gebauten Schneemann sehen. Und das Mindeste, was forschende Kollegen auf der ganzen Welt verlangen, um Vertrauen in eine Messung zu fassen, ist eine schöne Kurve, die nach Möglichkeit ihre eigenen Theorien stützt. Sehen ist seit Jahrtausenden ein wichtiger Schritt zum Wissen – und mehr sehen darum ein Tor zu mehr Wissen.
Neue (Un)Sichtbarkeiten
Besondere Bedeutung hat das Sehen in der Welt des Unsichtbaren gewonnen. Atome und Moleküle haben Ausmaße im Bereich von Milliardstel Metern. Bei weitem zu klein für unser mesoskopisch spezialisiertes Auge und dennoch seit Erfindung des Mikroskops das Ziel der optischen Entwicklung, die sich längst nicht mehr auf Licht im klassischen Sinne beschränkt. Elektronen, Röntgenstrahlung und seit rund einem Viertel Jahrhundert sogar tunnelnde Elektronen zeigen uns inzwischen, was wir eigentlich nicht erkennen können.
Darin könnten zur Abwechslung mal nicht die Proben unsichtbar sein, sondern die Wissenschaftler. Den Weg zur entsprechenden Technologie haben unter anderem die Forscher um Vladimir Shalaev von der Purdue University im April teilweise geebnet. Sie führten die Arbeit anderer Gruppen aus den vorhergehenden Jahren fort und entwickelten einen Tarnmantel, der einfallendes Licht einfach um sich herum leitet. Für den suchenden Beobachter ergäbe dies den Eindruck, der Mantel und alles darunter sei schlichtweg unsichtbar. Wenigstens, solange der Raum nur mit rotem Licht geflutet ist, denn die Tarnvorrichtung des Teams funktioniert bislang nur bei einer einzigen Wellenlänge, die uns rot erscheint. Keine wirkliche Unsichtbarkeit, aber immerhin der Schritt in den Bereich des sichtbaren Unsichtbaren. Die Modelle aus den Vorjahren hatten nämlich nur für Mikrowellen funktioniert.
Fortschritte im Nanomaßstab
Spätestens dann wird sie auch wieder an die Nanobatterie denken, von welcher die Welt im April erfuhr. Zhong Lin Wang vom Georgia Institute of Technology und seine Kollegen hatten diese aus einer Art "Nagelbrett" mit feinsten Zinkoxid-Drähten und einer Platin-Elektrode hergestellt. Sobald sie mit Ultraschall an dem Aufbau rüttelten und die Nanodrähte auf das Platin stießen, verbogen sie sich und wandelten die mechanische Energie in eine elektrische Spannung. Dieser piezoelektrische Effekt sollte nach Hochrechnungen der Wissenschaftler für eine Leistung von zehn Mikrowatt pro Quadratzentimeter ausreichen. In der Zukunft, versteht, sich, wenn die Nanobatterie in Serie produziert wird und in unseren Körpern allerlei Maschinchen antreibt, die uns zu besseren Menschen machen.
Energie auf neuen Wegen
Dass wir gerade in Punkto Energie sehr schnell sehr viel besser werden sollten, haben die peinlichen Klimakonferenzen des Jahres 2007 zur Genüge bewiesen. Um dennoch möglichst wenig an unserem Lebensstil zu ändern, klammern wir uns gerne an Teillösungen wie den Energieträger Wasserstoff. Gleich zu Anfang des Jahres stellten drei Arbeitsgruppen ihre Verbesserungen an Brennstoffzellen vor, in denen Wasserstoff aus einem Speicher mit Luftsauerstoff verbrannt wird. Aber selbst falls diese Technologie es tatsächlich in den Alltag schaffen wird, löst sie nicht das eigentliche Problem: Wo soll die Energie überhaupt herkommen? Denn auch Wasserstoff wächst nicht auf dem Acker.
Das tun aber nachwachsende Rohstoffe, die reich an Kohlenhydraten sind. Nur weigern sich leider die extra dafür ausgesuchten Hefen, aus den Zuckern vom Feld mehr als zwanzig Prozent Alkohol fürs Auto zu produzieren. Zusammen mit der geringen Energiedichte des Ethanols sorgt das für eine schwache Konkurrenz des Biosprits gegen die Kraftstoffe aus Erdöl. Im Juni schlugen Chemiker wie James Dumesic von der Universität von Wisconsin-Madison und Conrad Zhang aus dem Pacific Northwest National Laboratory darum vor, dem Zucker auf chemischem Wege einen Großteil seines Sauerstoff zu entreißen und so eine dritte Variante von Treibstoff zu entwickeln. In mehreren Schritten wandelten sie Glukose und Fruktose in Verbindungen mit wohlklingenden Namen wie 2,5-Dimethylfuran und Hydroxymethylfurfural. Aus letzterem ließe sich sogar Kunststoff synthetisieren, wofür Erdöl ja ebenfalls Ausgangsstoff ist. Nur beim Tanken wird es dann ein wenig komplizierter, wenn wir uns entscheiden müssen zwischen Furan und Furfural.
Aber solange es noch Erdöl gibt, wird die Menschheit sich wohl danach verzehren. Oder Bakterien mit der Aufgabe betrauen, wie im Dezember bekannt wurde. Steve Larter von der Universität Calgary hat zusammen mit Geowissenschaftlern und Mikrobiologen aus unterirdischen Lagerstätten von zähem Schwerölschlamm die entsprechenden einzelligen Experten isoliert und untersucht. Sie entschlüsselten dabei ein Musterbeispiel von Teamarbeit, in dem der eine Bakterienstamm ausscheidet, was dem nächsten als Nahrung dient. Ein Prozess, der gut, wenn auch sehr langsam abläuft. Mit ein wenig unterstützenden Nährstoffen könnte man ihn jedoch beschleunigen, hoffen die Forscher. Und zur Belohnung Methan ernten – oder gleich Wasserstoff, wenn man noch ein bisschen weiter in das schmierige Biosystem eingreift.
Da wäre es vielleicht viel versprechender, unsere eigenen Umweltsünden nutzbringend anzuzapfen. Immerhin wissen wir seit Mai, dass Schimmelpilze in Tschernobyl ihren Energiehaushalt mit ionisierender Strahlung betreiben. Cladosporium sphaerospermum heißt der einfallsreiche Pilz aus dem Katastrophenreaktor, der es den Forschern um Ekaterina Dadachova vom Albert Einstein College of Medicine angetan hat. Er nutzt den Farbstoff Melanin, um auf noch unbekannte Art und Weise die intensive Gammastrahlung seines Lebensraums anzuzapfen. Es gibt eben für jeden Schaden innovative Konzepte, die noch einen überraschenden Nutzen hervorzaubern. Das lässt doch hoffen, oder?
Vorankommen auf bewährte Weise
Sonst blieben Robbi und seine Freunde ja ewig so unbeweglich wie Pflanzen. Obwohl die ebenfalls gerne unterwegs sind, wie wir seit Mai wissen. Rivka Elbaum und ihr Team vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung berichteten über die Struktur und Funktion der Grannen von Weizenkörnern, denen man zuvor nur balancierende Aufgaben zugetraut hatte. In Versuchen zeigte sich, dass die Fasern auf der Innen- und Außenseite der Granne sich bei Änderungen der Feuchtigkeit unterschiedlich stark ausdehnen und zusammenziehen. Dadurch spreizen sie sich während des trockenen Tages am Samen auseinander und klappen in der feuchteren Nacht zusammen. Im Zeitraffer ergibt dies eine Bewegung, die verblüffend dem Beinschlag eines schwimmenden Frosches ähnelt. Und ein entsprechendes Resultat hat: Je nach Lage des Samens wandert er ein kleines Stückchen über den Boden oder gräbt sich in die Erde.
Auch wenn die Sensationen im Jahr 2007 ausgeblieben sind, haben Physik und Technik sich mit Affen, Robotern und Weizenkörnern also doch von der Stelle bewegt und einige Anstöße gegeben für weitere Forschung. Und darüber hinaus gab es gleich zweimal besonderen Grund zu feiern: Nobelpreisehren gingen an deutsche Forscher. So erhielt Gerhard Ertl, Physiker des Berliner Fritz-Haber-Instituts den Chemie-Nobelpreis dafür, die Grundlagen der modernen Oberflächenchemie gelegt zu haben, indem er den Ablauf wichtiger chemischer Reaktionen auf Oberflächen im Detail beschrieb. Der berühmte Anruf erreichte ihn just an seinem 71. Geburtstag. Und Peter Grünberg vom Forschungszentrum Jülich und sein französischer Kollege Albert Fert wurden dafür ausgezeichnet, jenen magnetischen Effekt entdeckt zu haben, der uns heute Festplatten im Giga-Byte-Bereich und mehr ermöglicht. Mal sehen, was im kommenden Jahr geboten wird.
Neue (Un)Sichtbarkeiten
Besondere Bedeutung hat das Sehen in der Welt des Unsichtbaren gewonnen. Atome und Moleküle haben Ausmaße im Bereich von Milliardstel Metern. Bei weitem zu klein für unser mesoskopisch spezialisiertes Auge und dennoch seit Erfindung des Mikroskops das Ziel der optischen Entwicklung, die sich längst nicht mehr auf Licht im klassischen Sinne beschränkt. Elektronen, Röntgenstrahlung und seit rund einem Viertel Jahrhundert sogar tunnelnde Elektronen zeigen uns inzwischen, was wir eigentlich nicht erkennen können.
Der Trick bei diesem Tunneln besteht darin, den verrückten Regeln der Quantenphysik zu folgen und eine Barriere zu überwinden, die eigentlich unüberwindbar ist. Theoretisch könnte das jeder, allerdings mit so unglaublich kleinen Erfolgschancen, dass sich in der Praxis nur Kernbausteine Hoffnungen machen dürfen, wirklich vom A zum klassisch verbotenem B zu gelangen. Bekannt ist dieser Tunneleffekt schon lange, aber erst im April veröffentlichten Physiker um Ferenc Krausz vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik einen Artikel, in welchem sie beschreiben, wie sie Elektronen live beim Tunneln beobachtet haben. Mit Laserlicht schubsten sie die Elektronen von Neon-Atomen herum, bis diese davontunnelten und ionisierte Atomrümpfe zurückließen.
Bewegen sich die tunnelnden Elektronen auf Grund einer hohen elektrischen Spannung in geordneten Bahnen, fließt mit ihnen ein kleiner Tunnelstrom. Beim Rastertunnelmikroskop tastet ein Computer damit die Oberfläche einer Probe ab. Vorausgesetzt, sie leitet den elektrischen Strom – Isolatoren wie etwa organische Moleküle bleiben unter der modernen Extremlupe unbekannte Felder. Bis im März Amin Bannani, Christian Bobisch und Rolf Möller von der Universität Duisburg-Essen ihre Ergebnisse mit den ballistischen Tunnelelektronen veröffentlichten. Dabei handelt es sich um jene Tunnler, die an der Probe vorbeigehen oder sie vollständig durchqueren. Die Leitfähigkeit verliert so an Bedeutung, es kommt vor allem darauf an, wo das Objekt sich befindet und wie sehr es die anfliegenden Elektronen bremst. Womit beispielsweise organische Moleküle bei der neuen Rasternahfeld-Elektronendurchsicht-Mikroskopie nicht nur sichtbar werden, sondern sogar Einblick in ihr Inneres gewähren.
Nicht das reine Aussehen eines Moleküls, sondern seine chemische Identität interessierte ein Team um Renato Zenobi von der ETH Zürich. Dafür eignet sich besser Laserlicht, von dem ein geringer Anteil in der Probe je nach deren Aufbau inelastisch gestreut wird, was sich als Farbänderung verrät. Im Februar verrieten die Schweizer, wie sie dieses schwache Raman-Spektrum so weit verstärkten, dass sich damit sogar einzelne Moleküle identifizieren ließen: Sie betteten die Probe auf eine Goldplatte und brachten eine feine Silberspitze in die Nähe. Das reichte aus, um nur die Signale von einer Fläche mit zehn Milliardstel Metern Kantenlänge aufzufangen. Und das ist bei sorgfältiger Präparation der Stellplatz für ein einziges Molekül.
Winzige Ausmaße sind jedoch nur die eine Hälfte des atomaren und molekularen Films. Die andere besteht aus extremen Geschwindigkeiten. Wo Atome reagieren, ist in tausendstel milliardstel Sekunden (Pikosekunden) alles vorbei. So schnell könnte man vielleicht mit Röntgenlicht gerade noch schauen – wenn man denn wüsste, zu welchem Zeitpunkt die Handlung des Streifens einsetzt. Für derartig kurze Vergänglichkeiten haben David Mark Fritz vom Stanford Linear Accelerator Center und seine Kollegen im Februar die richtige Kamera beschrieben. Sie setzten einen elektrooptischen Kristall an den riesigen Teilchenbeschleuniger, dessen Elektronen die Röntgenstrahlung erzeugen sollten. Beim Vorbeikommen veränderten die Elektronen die Eigenschaften des Kristalls, was ein Laserstrahl registrierte und an den hundert Meter entfernten Versuchsaufbau meldete. Ein drahtloser Fernauslöser also, mit dem bereits ein Kurzfilm über die Reaktion von Bismut-Atomen auf die Anregung mit Laserlicht gelungen ist. Geniale Technik, die anscheinend nur noch auf ein passendes Drehbuch wartet.
Darin könnten zur Abwechslung mal nicht die Proben unsichtbar sein, sondern die Wissenschaftler. Den Weg zur entsprechenden Technologie haben unter anderem die Forscher um Vladimir Shalaev von der Purdue University im April teilweise geebnet. Sie führten die Arbeit anderer Gruppen aus den vorhergehenden Jahren fort und entwickelten einen Tarnmantel, der einfallendes Licht einfach um sich herum leitet. Für den suchenden Beobachter ergäbe dies den Eindruck, der Mantel und alles darunter sei schlichtweg unsichtbar. Wenigstens, solange der Raum nur mit rotem Licht geflutet ist, denn die Tarnvorrichtung des Teams funktioniert bislang nur bei einer einzigen Wellenlänge, die uns rot erscheint. Keine wirkliche Unsichtbarkeit, aber immerhin der Schritt in den Bereich des sichtbaren Unsichtbaren. Die Modelle aus den Vorjahren hatten nämlich nur für Mikrowellen funktioniert.
Fortschritte im Nanomaßstab
Ihre partielle Unsichtbarkeit verdanken Shalaev und andere Wissenschaftler weniger den klassischen optischen Stoffen als vielmehr so genannten Metamaterialien. Eigentlich handelt es sich bei diesen um filigrane Meisterwerke der Nanotechnik. Der Tarnmantel für Rot ist beispielsweise ein Zylinder mit hauchdünnen Nadeln und ähnelt somit einer Haarbürste. Mit kleinsten Strukturen und Schwingkreisen manipulieren die Metamaterialien die magnetischen und elektrischen Felder des Lichts und lenken es so auf Bahnen, die bis vor kurzem undenkbar waren. So brechen sie einfallendes Licht mit extrem kleinen oder gar negativen Brechungsindizes in die falsche Richtung und machen damit erst die Tarneinrichtungen möglich.
Noch kleinere Strukturen ließen sich eventuell eines Tages mit den "Nanobuds" aufbauen, über die ein internationales Team von Forschern um Albert Nasibulin von der Technischen Universität Helsinki im Februar berichtet hat. Mit Hilfe von Eisen-Katalysatoren hatten sie aus Wasserdampf und Kohlenstoffdioxid Mix-Moleküle von fußballförmigen Fullerenen und langgestreckten Nanoröhrchen geschaffen. Unter dem Elektronenmikroskop erweckten sie den Eindruck von Stäbchen mit festen Bläschen und Knubbeln. Bestimmt nicht schön, aber vielleicht eines Tages nützlich, wenn die Nanotechnik nach vielfältigen Bausteinen sucht.
Spätestens dann wird sie auch wieder an die Nanobatterie denken, von welcher die Welt im April erfuhr. Zhong Lin Wang vom Georgia Institute of Technology und seine Kollegen hatten diese aus einer Art "Nagelbrett" mit feinsten Zinkoxid-Drähten und einer Platin-Elektrode hergestellt. Sobald sie mit Ultraschall an dem Aufbau rüttelten und die Nanodrähte auf das Platin stießen, verbogen sie sich und wandelten die mechanische Energie in eine elektrische Spannung. Dieser piezoelektrische Effekt sollte nach Hochrechnungen der Wissenschaftler für eine Leistung von zehn Mikrowatt pro Quadratzentimeter ausreichen. In der Zukunft, versteht, sich, wenn die Nanobatterie in Serie produziert wird und in unseren Körpern allerlei Maschinchen antreibt, die uns zu besseren Menschen machen.
Energie auf neuen Wegen
Dass wir gerade in Punkto Energie sehr schnell sehr viel besser werden sollten, haben die peinlichen Klimakonferenzen des Jahres 2007 zur Genüge bewiesen. Um dennoch möglichst wenig an unserem Lebensstil zu ändern, klammern wir uns gerne an Teillösungen wie den Energieträger Wasserstoff. Gleich zu Anfang des Jahres stellten drei Arbeitsgruppen ihre Verbesserungen an Brennstoffzellen vor, in denen Wasserstoff aus einem Speicher mit Luftsauerstoff verbrannt wird. Aber selbst falls diese Technologie es tatsächlich in den Alltag schaffen wird, löst sie nicht das eigentliche Problem: Wo soll die Energie überhaupt herkommen? Denn auch Wasserstoff wächst nicht auf dem Acker.
Das tun aber nachwachsende Rohstoffe, die reich an Kohlenhydraten sind. Nur weigern sich leider die extra dafür ausgesuchten Hefen, aus den Zuckern vom Feld mehr als zwanzig Prozent Alkohol fürs Auto zu produzieren. Zusammen mit der geringen Energiedichte des Ethanols sorgt das für eine schwache Konkurrenz des Biosprits gegen die Kraftstoffe aus Erdöl. Im Juni schlugen Chemiker wie James Dumesic von der Universität von Wisconsin-Madison und Conrad Zhang aus dem Pacific Northwest National Laboratory darum vor, dem Zucker auf chemischem Wege einen Großteil seines Sauerstoff zu entreißen und so eine dritte Variante von Treibstoff zu entwickeln. In mehreren Schritten wandelten sie Glukose und Fruktose in Verbindungen mit wohlklingenden Namen wie 2,5-Dimethylfuran und Hydroxymethylfurfural. Aus letzterem ließe sich sogar Kunststoff synthetisieren, wofür Erdöl ja ebenfalls Ausgangsstoff ist. Nur beim Tanken wird es dann ein wenig komplizierter, wenn wir uns entscheiden müssen zwischen Furan und Furfural.
Aber solange es noch Erdöl gibt, wird die Menschheit sich wohl danach verzehren. Oder Bakterien mit der Aufgabe betrauen, wie im Dezember bekannt wurde. Steve Larter von der Universität Calgary hat zusammen mit Geowissenschaftlern und Mikrobiologen aus unterirdischen Lagerstätten von zähem Schwerölschlamm die entsprechenden einzelligen Experten isoliert und untersucht. Sie entschlüsselten dabei ein Musterbeispiel von Teamarbeit, in dem der eine Bakterienstamm ausscheidet, was dem nächsten als Nahrung dient. Ein Prozess, der gut, wenn auch sehr langsam abläuft. Mit ein wenig unterstützenden Nährstoffen könnte man ihn jedoch beschleunigen, hoffen die Forscher. Und zur Belohnung Methan ernten – oder gleich Wasserstoff, wenn man noch ein bisschen weiter in das schmierige Biosystem eingreift.
Da wäre es vielleicht viel versprechender, unsere eigenen Umweltsünden nutzbringend anzuzapfen. Immerhin wissen wir seit Mai, dass Schimmelpilze in Tschernobyl ihren Energiehaushalt mit ionisierender Strahlung betreiben. Cladosporium sphaerospermum heißt der einfallsreiche Pilz aus dem Katastrophenreaktor, der es den Forschern um Ekaterina Dadachova vom Albert Einstein College of Medicine angetan hat. Er nutzt den Farbstoff Melanin, um auf noch unbekannte Art und Weise die intensive Gammastrahlung seines Lebensraums anzuzapfen. Es gibt eben für jeden Schaden innovative Konzepte, die noch einen überraschenden Nutzen hervorzaubern. Das lässt doch hoffen, oder?
Vorankommen auf bewährte Weise
Falls alles zu spät sein sollte, werden wir uns demnächst wieder auf die konventionellen Arten fortbewegen müssen. Wenigstens deckt die Biomechanik allmählich auf, wie Gehen eigentlich geht. Oder Schwingen. Orang-Utans sind darin Meister, wie Susannah Thorpe von der Universität Birmingham im April verriet. Zum Springen sind die Affen nämlich zu schwer, und auf den Boden wollen sie auch nicht. Also wackeln sie auf einem elatischen jungen Baum geschickt hin und her, bis der sich ausreichend weit biegt, um bequem den Platz zu wechseln. Eine Energie sparende Variante, um von Baum zu Baum zu gelangen. Springen hätte beim gleichen Gewicht zwei- bis dreimal so viele Kalorien verbraucht, und der Weg über den Fußboden gar das Zehn- bis Zwanzigfache.
Eleganter hätte es natürlich ausgesehen, die Affen wären geflogen. Doch den Luftraum haben unter den Säugetieren nur die Fledermäuse so richtig erobert. Im Mai haben wir von Anders Hedenström von der Universität Lund und seinen Kollegen erfahren, wie die Flattertiere sich überhaupt in der Luft halten. Denn der Flug mit Häuten unterscheidet sich deutlich von der gefiederten Variante, die Vögel praktizieren. An einer Tränke in einem nebligen Windkanal lauerten die Forscher ihren Spitzmaus-Langzünglern mit fächerförmigen Laserstrahlen auf, die jeden Wirbel erfassten. Es zeigte sich, dass viel Koordinationsvermögen nötig ist für einen gelungenen Flügelschlag. Bei der Aufwärtsbewegung muss die Schwinge nämlich gekippt und gleichzeitig nach hinten geworfen werden, um keinen Abtrieb zu erzeugen. Eine Methode, die für technische Flugautomaten viel zu kompliziert und anstrengend wäre.
Im Gegensatz zu der Laufweise von Amphibien. Die demonstrierte ein Roboter bereits im März. Ein Tem um Auke Jan Ijspeert von der Biologically Inspired Robotics Group der Ecole Polytechnique Fédérale von Lausanne ließ ihn am Genfer See im typischen Schlängelschritt marschieren, bei dem jeweils die diagonalen Beinpaare gleichzeitig bewegt werden, und schwimmen, wobei sich der ganze Körper schlängelt. Dazwischen gibt es für echte Amphibien wie für den gelben Plastik-Nachbau nichts. Auf dieses Entweder-Oder kam es den Wissenschaftlern an. Und so simulierten sie mit ihrem Roboter nicht nur die Bewegungsweise, sondern auch die neuronale Verschaltung der Tiere. Mit Erfolg und dem Fernziel, eines Tages Roboter zu bauen, die selbstständig verschiedene Bewegungsformen vollführen können.
Sonst blieben Robbi und seine Freunde ja ewig so unbeweglich wie Pflanzen. Obwohl die ebenfalls gerne unterwegs sind, wie wir seit Mai wissen. Rivka Elbaum und ihr Team vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung berichteten über die Struktur und Funktion der Grannen von Weizenkörnern, denen man zuvor nur balancierende Aufgaben zugetraut hatte. In Versuchen zeigte sich, dass die Fasern auf der Innen- und Außenseite der Granne sich bei Änderungen der Feuchtigkeit unterschiedlich stark ausdehnen und zusammenziehen. Dadurch spreizen sie sich während des trockenen Tages am Samen auseinander und klappen in der feuchteren Nacht zusammen. Im Zeitraffer ergibt dies eine Bewegung, die verblüffend dem Beinschlag eines schwimmenden Frosches ähnelt. Und ein entsprechendes Resultat hat: Je nach Lage des Samens wandert er ein kleines Stückchen über den Boden oder gräbt sich in die Erde.
Auch wenn die Sensationen im Jahr 2007 ausgeblieben sind, haben Physik und Technik sich mit Affen, Robotern und Weizenkörnern also doch von der Stelle bewegt und einige Anstöße gegeben für weitere Forschung. Und darüber hinaus gab es gleich zweimal besonderen Grund zu feiern: Nobelpreisehren gingen an deutsche Forscher. So erhielt Gerhard Ertl, Physiker des Berliner Fritz-Haber-Instituts den Chemie-Nobelpreis dafür, die Grundlagen der modernen Oberflächenchemie gelegt zu haben, indem er den Ablauf wichtiger chemischer Reaktionen auf Oberflächen im Detail beschrieb. Der berühmte Anruf erreichte ihn just an seinem 71. Geburtstag. Und Peter Grünberg vom Forschungszentrum Jülich und sein französischer Kollege Albert Fert wurden dafür ausgezeichnet, jenen magnetischen Effekt entdeckt zu haben, der uns heute Festplatten im Giga-Byte-Bereich und mehr ermöglicht. Mal sehen, was im kommenden Jahr geboten wird.
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