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News: Mit einem Griff

Der Schritt vom umherziehenden Jäger und Sammler zum sesshaften Bauern war eine Revolution: Plötzlich wurden nahrhafte Körner nicht nur Neben-, sondern Hauptsache in der Ernährung. Nur - wie kamen die Menschen überhaupt darauf?
<i>Triticum turgidum</i>
Vor etwa 11 000 Jahren änderte sich das Leben unserer Vorfahren im Nahen und Mittleren Osten ganz entscheidend: Die Landwirtschaft hielt Einzug. Nicht, dass Körner, Eicheln und andere essbare Pflanzenteile vorher keine Rolle im Speiseplan gespielt hätten – doch kamen sie nun deutlich gezielter und häufiger auf den Tisch als zuvor. Die Menschen hatten nach dem Sammeln das Säen gelernt und konnten nahrhafte Getreide, Gemüse und Co anbauen, lagern und verarbeiten. Ein revolutionärer Fortschritt, der aus Nomaden sesshafte Bauern machte.

Die Frage ist nur: Wie kamen sie darauf? Oder sogar noch einen Schritt zurück – dieses Sammeln, wie lief das eigentlich ab? Rupften unsere Ahnen ganze Pflanzen aus oder nur die Ähren ab, gingen sie mit einer Art Sichel zu Werke, oder klopften sie reife Körner in Behältnisse? Auf der Suche nach der Antwort durchstreiften Mordechai Kislev und seine Kollegen drei Jahre lang Wiesen und Wälder in Israel, vom oberen Jordantal bis zu den Golanhöhen, und versuchten in bester Sammlermanier zu erkunden, wie sie möglichst einfach und effektiv Vorräte von Körnern der wilden Gerste (Hordeum vulgare subsp. spontaneum) und wildem Emmer (Triticum turgidum subsp. dicoccoides) anlegen könnten.

Bei ihren Streifzügen stellten die Forscher fest, dass abgeblühte und samenreiche Ähren von Gerste wie Emmer mit nach oben gerichteten Grannen dichte Teppiche am Boden bilden – mit einem Griff konnte man so spielend einfach gleich reiche Ernte einfahren. Verwandte Sorten wie wildes Einkorn (Triticum monococcum subsp. boeoticum), wilder Roggen (Secale vavilovii) oder eine andere Gerstenart (Hordeum bulbosum) ließen sich aufgrund der empfindlicheren Grannen dagegen nicht so leicht packen.

Damit war allerdings noch nicht geklärt, ob die Sammler damals das Getreide wirklich einfach vom Boden aufklaubten oder nicht doch reife Ähren abschnitten oder abrissen. Also warfen die Forscher noch einmal einen ganz genauen Blick auf die Überreste aus archäologischen Fundstätten – welche Körner und welche Restbestandteile der zugehörigen Gräser sind darin überhaupt überliefert?

Sie stellten fest, dass in den frühen Ablagerungen von vor etwa 11 000 Jahren die jeweils untersten beiden Ährchen fehlen – sie sind steril und fallen nicht zusammen mit der gesamten Ähre ab. Hätten unsere Vorfahren aber die Fruchtstände noch am Halm geerntet, müssten sich diese basalen Teile auch wiederfinden lassen, was einige tausend Jahre später auch der Fall ist. Aber zunächst eben nicht – ein Punkt für die Aufsammelthese. Weitere Unterstützung kommt von den überlieferten Körnern: Sie alle waren überwiegend ganz reif, nicht einmal drei Prozent machten unreife Körner an einer Fundstätte aus. Bei einer Ernte der ganzen Ähre jedoch, die noch am Halm steht, müsste der Anteil noch nicht ausgereifter Samen viel größer sein.

Noch nicht ausgeschlossen ist damit jedoch die Möglichkeit, dass die Sammler die reifen Körnchen mit der Hand von den Ähren abgestreift haben. Dies allerdings, so meinen die Forscher, wäre im Vergleich zum Aufsammeln der reichlichen Ährenteppiche deutlich ineffizienter und damit wohl weniger die Methode der Wahl. Denn in einer Stunde ließen sich mit gutem Griff in den am Boden liegenden Vorrat ein viertel bis ein halbes Kilogramm Getreidekörner sammeln, genug, um den halben bis ganzen Tagesbedarf einen Erwachsenen zu decken. Das Angebot bleibt außerdem den ganzen üblicherweise trockenen Sommer bestehen, bis im Herbst die Regenfälle einsetzen und Eicheln die Körner ablösen.

Durch den zum Boden gerichteten Sammlerblick und den einsetzenden Regen würden unsere Ahnen zudem viel eindeutiger gelernt haben, dass aus den nahrhaften Körnchen, die nun in der aufgeweichten Erde verschwinden, neue Pflänzchen sprießen, die ihrerseits später wieder Nahrung liefern – hätten sie im Sommer die noch stehenden Ähren geerntet, wäre der lehrreiche Bezug viel schwieriger herzustellen. Und damit, so schließen Kislev und seine Kollegen, kam letztendlich der entscheidende Lernschritt: Körnchen zu sammeln und sie gezielt in die Erde zu legen – eben aus dem Sammeln das Säen zu lernen.

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