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News: Mit falschem Kurs richtig ans Ziel

Geht die innere Uhr falsch, wirft einen das ganz schön aus der Bahn. Manche Vögel der Polarregionen machen sich das im wahrsten Sinne des Wortes zunutze: Da sie sich auch von Osten nach Westen oder umgekehrt bewegen, durchqueren sie recht schnell mehrere Zeitzonen. Indem sie ihre biologische Uhr nicht nachstellen, kommen sie kontinuierlich leicht vom Kurs ab - und gelangen so zielsicher zu ihren Winterquartieren im Südosten.
Wenn sich Zugvögel auf den Weg in die Winterquartiere oder zurück in die Brutgebiete machen, orientieren sie sich wahrscheinlich an einer ganzen Reihe von Merkmalen, vom Erdmagnetfeld über bestimmte Anhaltspunkte in der Landschaft bis hin zu Sternenhimmel und Sonnenstand. Die gefiederten Bewohner polarer Regionen stehen jedoch vor einem Problem: Sterne und das Magnetfeld sind hier – so nahe an der Drehachse der Erde und dem magnetischen Pol – nicht mehr geeignet. Wie also finden sie ihren Weg?

Mithilfe eines Radargerätes auf einem kanadischen Eisbrecher in der Nordwest-Passage verfolgten Thomas Alerstam und seine Kollegen von der Lund University den Zug von nordamerikanischen Strandläufern und Goldregenpfeifern. Die Tiere brüten im hohen Norden Alaskas und ziehen sich im Winter über die Ostküste der Vereinigten Staaten bis nach Südamerika zurück. Schon lange wunderten sich Forscher darüber, dass die Vögel zunächst nach Osten fliegen, bis sie dann zusehends nach Süden abdriften.

Offensichtlich verwenden die Tiere die Sonne als Kompass. Auf ihrem Weg nach Osten durchqueren sie jedoch schnell mehrere Zeitzonen und müssten so ihre innere Uhr ständig an die neuen Verhältnisse anpassen. Was sie instinktiv richtig machen, mussten Mathematiker erst ausknobeln: Stellt man die innere Uhr nicht nach, weicht man kontinuierlich ein bisschen nach Süden vom Kurs ab, wenn man sich von Westen nach Osten bewegt. Denn wenn die Tiere fliegen und die Sonne am Ausgangspunkt um zwölf Uhr mittags genau rechts von sich haben, dann ist sie eine Zeitzone weiter schon bei ein Uhr, also liegt sie knapp hinter ihnen. Korrigieren sie das auf die inneren zwölf Uhr, verlagert sich ihre Flugbahn nach Süden. Dabei legen sie die kürzeste Strecke zwischen zwei Punkten auf der Erdoberfläche zurück – sie folgen einer Orthodrome. Auch Flugzeuge und Schiffe wählen diese Routen. Die Alternative für die Vögel wäre es, immer im selben Winkel zu den Magnetfeldlinien zu fliegen. Das wäre von der Navigation her deutlich einfacher, doch ist diese so genannte Loxodrome besonders in höheren Breiten und bei Ost-West-Strecken deutlich länger als die Orthodrome.

Auch die Zugrouten einiger altweltlicher Küstenvögel folgt Ausschnitten von Großkreisen. Sie starten im Frühling in ihren Winterquartieren in Westafrika, machen nach 4300 Kilometern einen Zwischenstopp im Wattenmeer und reisen von dort zu ihren Brutgebieten in Nord-Sibirien. Auf dieser Strecke legen sie die geringste Distanz zwischen den beiden Aufenthaltsorten zurück. Doch der kürzeste Weg muss energetisch gesehen nicht immer der sinnvollste sein, gibt Rüdiger Wehner von der Universität Zürich zu bedenken. So spielen Winde für die Reisenden eine ganz entscheidende Rolle. Günstige Rückenwinde beispielsweise finden die Tiere erst in drei Kilometern Höhe. Und hier richten sie dann ihre Flugrichtung so aus, als ob sie sich bewusst vom Wind auf die eigentliche Flugstrecke abtreiben lassen.

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