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Medizintechnik: Mit Hitze gegen Krebs

Mit gezielter Wärme lassen sich Tumoren wirksam zum Schrumpfen bringen - wenn die Technik ausgereift und die Behandlung gut geplant ist. Eine solche Hyperthermie unterstützt die herkömmlichen Therapieverfahren und gilt mittlerweile als vierte Säule der Krebsbehandlung.
Brustkrebs-Applikator
Fieber – bei diesem Wort denkt jeder sofort an Krankheit. Bekanntermaßen birgt hohes Fieber große Gefahren: Steigt die Körpertemperatur für längere Zeit auf über 41 Grad Celsius an, wird das Nervensystem schwer geschädigt, Hirnödeme führen meist rasch zum Tod.

Hyperthermie | Das Herzstück einer Hyperthermie-Apparatur ist der Applikator: Seine Antennenringe senden Mikrowellenstrahlung, die gezielt das Tumorgewebe im Körper des Patienten erhitzen.
Doch schon der griechische Arzt Hippokrates (um 460-370 v. Chr.) kannte die heilende Wirkung einer erhöhten Körpertemperatur. Spontan sollen sogar Patienten nach Schüben hohen Fiebers geheilt worden sein, die unter einer anderen tödlichen Krankheit litten: Krebs.

Tatsächlich gehen Mediziner mit Hitze gegen Tumoren vor. Die so genannte Hyperthermie unterscheidet sich jedoch grundlegend vom Fieber. "Wir erwärmen nicht den ganzen Körper, sondern lediglich das Tumorgewebe", betont Rüdiger Wessalowski vom Universitätsklinikum Düsseldorf. "Es gibt eine Vielzahl von Hyperthermie-Techniken. Nur drei von ihnen sind wissenschaftlich anerkannt. Ihre Wirksamkeit konnte durch zahlreiche Studien belegt werden, und nur diese Verfahren dürfen zum Einsatz kommen."

Oberflächenhyperthermie | Mikrowellenstrahlung erhitzt den Tumor gezielt auf etwa 43 Grad Celsius. Allein diese Wärme kann Tumorzellen abtöten; darüber hinaus reagieren sie empfindlicher auf andere Krebstherapien.
Dabei unterscheiden die Ärzte zwischen der lokalen Oberflächen-, der regionalen Tiefen- und der Teilkörperhyperthermie. Erstere eignet sich für Tumoren, die nicht mehr als drei bis sechs Zentimeter unter der Haut liegen, wie beispielsweise beim wiederkehrenden Brustkrebs, bei malignen Melanom oder bei nicht operablen Tumoren am Hals.

Die Mediziner platzieren hierbei einen Wärmeapplikator an der Hautstelle, unter der sich die Geschwulst befindet. Der Applikator besteht wiederum aus ein oder zwei Spiralantennen, welche die erkrankte Region mit Mikrowellen bestrahlen und so die Gewebetemperatur erhöhen. Eine Sonde kontrolliert ständig die Temperatur im Tumorgewebe, die dort auf 40 bis 44 Grad Celsius angeheizt werden soll.

Tief ins Innere

Die regionale Tiefenhyperthermie bietet sich bei Tumoren an, die tief im Körperinneren verborgen sind. Ärzte setzen diese Therapie bei weit fortgeschrittenen Tumoren im Bereich des Beckens und des Unterbauchs an, wie Enddarm-, Gebärmutter-, Prostata- und Blasenkrebs. Vor der Behandlung wird die Geschwulst per Magnetresonanz- oder Computertomografie genau lokalisiert.

Regionale Tiefenhyperthermie | Bei der regionalen Tiefenhyperthermie erhitzen elektromagnetische Wellen, die von den ringförmig angebrachten Antennen des Applikators abstrahlen, Tumorgewebe in bis zu 20 Zentimetern Tiefe.
Anschließend liegt der Patient in einem Applikator aus einem kreisförmigen Plexiglasring mit acht Antennen. Diese senden in die Mitte der Ringkonstruktion elektromagnetische Wellen, die das Gewebe selbst in bis zu 20 Zentimetern Tiefe erhitzen können. An der Innenseite des Plexiglaszylinders koppelt ein Schlauchsystem, in dem 25 Grad Celsius warmes Wasser zirkuliert, die Radiowellen luftfrei an die Haut und kühlt zugleich die Oberfläche im Einstrahlungsfeld.

Auch hier überwachen Temperatursonden ständig die Wärme im Tumorgebiet sowie in den angrenzenden Bereichen des Körpers. Ein spezielles Computerprogramm fokussiert die von den Antennen abgegebene Wärmeenergie gezielt auf den Krebsherd, so dass sich nur das Tumorgebiet stark erhitzt, während der Rest des Körpers nahezu unbehelligt bleibt.

Teilkörperhyperthermie | Bei der Teilkörperhyperthermie wird der Patient zusammen mit dem Applikator in den Tunnel eines Kernspintomografen geschoben.
Sind weite Bereiche des Körpers von Metastasen befallen, setzten Mediziner die Teilkörperhyperthermie ein. Hiermit lässt sich der gesamte Bereich vom Becken bis unterhalb der Lunge erwärmen. Bisher verfügen jedoch nur wenige Zentren in Deutschland über die notwendige Ausstattung, wie etwa das Universitätsklinikum Düsseldorf, die Charité Berlin, das Universitätsklinikum Erlangen oder das Klinikum Großhadern in München.

Zusätzlich zum Applikator, der mit drei Antennenringen ein lang gestrecktes Wärmefeld erzeugt, arbeitet die Teilkörperhyperthermie mit einen Kernspintomografen, mit dem sich die Temperaturen im Körpergewebe direkt überwachen lassen. Diese Technik hat jedoch einen Haken: Kernspintomograf und Hyperthermiesystem strahlen beide im Hochfrequenzbereich und beeinflussen sich daher gegenseitig. Um diese Störfelder in den Griff zu bekommen, mussten Ingenieure erst spezielle Filter entwickeln.

Tod durch Wärme

Wie wirkt die Hyperthermie? Die erhöhten Temperaturen bringen Zellen in arge Bedrängnis: Ab 42 Grad Celsius sterben sie in großer Zahl – wobei Tumorzellen besonders hitzeempfindlich reagieren. Bereits bei Temperaturen über 40 Grad Celsius können sie sich gegen natürliche Abwehrprozesse nicht mehr wehren.

So entstehen im Tumorgewebe Hitzeschockproteine, die das Immunsystem aktivieren und körpereigene Abwehrzellen losschicken, um den Krebs zu vernichten. Dies gelingt ihnen, indem sie die Tumorzellen markieren, die daraufhin von den Killerzellen des Immunsystems erkannt werden können. Über die Hitzeschockproteine leitet damit der Tumor seinen eigenen Untergang ein.

Kombination von Hyperthermie und Strahlentherapie | Das überhitzte Tumorgewebe wird stärker durchblutet und daher besser mit Sauerstoff versorgt. Durch die Strahlung entstehen mehr Sauerstoffradikale die wiederum das Tumorgewebe schädigen.
Zurzeit gelingt es jedoch noch nicht, das Tumorgewebe vollkommen gleichmäßig zu überwärmen. Deshalb setzen die Ärzte eine Hyperthermie nicht allein, sondern zusammen mit einer Strahlen- oder Chemotherapie ein. Dabei machen sie sich zunutze, dass die Erwärmung das Krebsgewebe besser durchbluten lässt, was wiederum zusätzliche therapeutische Maßnahmen unterstützt: Wird vor einer Strahlentherapie der Tumor erhitzt, reagieren die überlebenden Krebszellen anfälliger auf eine nachfolgende Strahlenbehandlung. Erfolgt die Hyperthermie nach der Bestrahlung, so hemmt dies die einsetzenden Zellreparaturmechanismen.

Insbesondere Tumorzellen wie etwa beim Gebärmutterhals- oder beim Brustkrebs, die sich normalerweise als äußerst hartnäckig gegenüber Strahlen erweisen, reagieren besonders empfindlich auf Wärme. Auch eine Chemotherapie lässt sich mit Hyperthermie unterstützen, da Zytostatika die erwärmten, gut durchbluteten Bereiche schnell erreichen und so die Krebszellen zerstören können.

Die Schattenseiten der Hitze

Allerdings belastet eine Hyperthermiebehandlung den Kreislauf, so dass sie sich kaum für Patienten mit Herz-Kreislauf-Problemen eignet. "Auch Patienten mit Metallimplantaten im Körper wie künstlichem Hüftkopf oder Herzschrittmacher müssen ausgeschlossen werden", erklärt Wessalowski. "Die Metallimplantate beeinflussen die Ausbreitung der elektromagnetischen Wellen in unvorhersehbarer Weise."

Auch bei Tumoren im Brustkorb oder im Gehirn müssen Mediziner auf eine Hyperthermie verzichten: Während die Luft der Lunge die elektromagnetischen Wellen stark streut und so eine Fokussierung unmöglich macht, schirmt die Kalotte des Gehirns die Wellen ab. Zudem besteht die Gefahr irreversibler Nervenschäden, sobald die Hirntemperatur auf über 41 Grad Celsius ansteigt.

Ein weiteres Problem stellen Hotspots dar – heiße Stellen, an denen die Temperaturen außerhalb des Tumors die 43-Grad-Grenze überschreiten. Sie entstehen durch unterschiedliche Eigenschaften des Körpergewebes. So ändert sich die elektrische Leitfähigkeit an den Grenzflächen zwischen Knochen und Muskeln sprunghaft, so dass das Magnetwellenfeld hier abrupt an Stärke zunehmen kann.

Die Hitze erweist sich somit als wirksame Waffe gegen die tödliche Krankheit. Neben chirurgischer, Strahlen- und Chemotherapie hat sie sich als vierte Säule der Krebsbehandlung etabliert.

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