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News: Mit Hormonen gegen Krebs

Zum ersten Mal lassen die Ergebnisse von Tierstudien Rückschlüsse darauf zu, warum orale Kontrazeptive (Anti-Baby-Pillen) Schutz gegen Eierstockkrebs bieten. Sie deuten darauf hin, daß das Hormon Progestin in Antibabypillen beschädigte Eierstockzellen veranlaßt abzusterben, bevor sie bösartig werden.
Die Entdeckung der Wissenschaftler des Duke University Medical Center macht Hoffnung, daß die regelmäßige Verabreichung von Progestin eine höchst wirksame vorbeugende Behandlung für Eierstockkrebs sein könnte. Die Forscher planen in diesem Herbst Tests dieser Therapie an Menschen durchzuführen.

"Progestin könnte eines der wichtigsten Mittel zur Vorbeugung gegen Krebs sein, das je entwickelt wurde; außerdem ist es eines, das Millionen von Frauen bereits durch Antibabypillen und Hormon-Ersatztherapie kennen," erklärte Gus Rodriguez, Hauptautor der Studie, die am 9. September im Journal of the Society for Gynecologic Investigation veröffentlicht wurde.

Nach Aussage der Forscher ist ihre Studie die erste, die das Hormon Progestin in direkten Zusammenhang mit dem oft beobachteten Phänomen bringt, daß Antibabypillen gegen Eierstockkrebs schützen. Gut dokumentierte epidemiologische Studien, die sich über drei Jahrzehnte erstrecken, haben gezeigt, daß eine Einnahme der Antibabypille von nur drei Jahren das Risiko von Eierstockkrebs während der Lebenszeit der Frauen um 40 Prozent reduzieren kann.

Rodriguez und seine Kollegen untersuchten, wie Hormone sich auf die Eierstöcke von Makaken auswirken, Affen, deren Fortpflanzungsbiologie denen der Menschen stark ähnelt. Sie fanden heraus, daß Progestin den wichtigen Prozeß der Apoptosis im Epithel des Eierstocks aktiviert. Apoptosis ist ein genetisches Selbstmordprogramm in allen Zellen, das ausgelöst wird, wenn Zellen einen irreparablen genetischen Schaden erlitten haben. Die Zellen zerstören sich dann routinemäßig selbst, aber der Selbstmordprozeß funktioniert nicht immer so, wie er sollte. Dies ist insbesondere bei Frauen der Fall, die schwere Schäden an wichtigen Steuergenen aufweisen, welche normalerweise den "genetischen Selbstmordschalter" aktivieren. Sind diese Gene beschädigt, dann wird der Apoptosis-Schalter niemals aktiviert. Mutierte Zellen in der Eierstockauskleidung können sich, wenn sie "überleben" dürfen, fortpflanzen und bösartig werden.

Laut Rodriguez würde eine Progestin-Behandlung auf die präkanzerösen Zellen im Eierstockepithel abzielen, bei denen keine Apoptose eingetreten ist. Sobald diese Zellen zerstört werden, würde es Jahre oder Jahrzehnte dauern, bis sich im Eierstock erneut soviele Schäden angesammelt hätten, daß diese zu Eierstockkrebs führen könnten. Zu diesem Zeitpunkt wäre es dann möglich, wieder Progestin zu verabreichen. Die Resultate der Untersuchungen erklären auch, warum eine Schwangerschaft Schutz gegen Eierstockkrebs bieten kann: Progesteron (die natürliche Form von Progestin) erreicht während der Schwangerschaft den Höchststand.

Bis heute haben Wissenschaftler angenommen, daß Antibabypillen das Risiko von Eierstockkrebs durch die Unterdrückung der monatlichen Ovulation verringern. Bei dieser kann die konstante Zellteilung die DNA in Eierstockzellen spontan schädigen. Durch Aussetzen der Ovulation über einen bestimmten Zeitraum hätte eine Frau theoretisch ein geringeres Risiko einen genetischen Schaden davonzutragen, der Eierstockkrebs verursachen könnte.

Die Forscher der Duke University bezweifelten jedoch, daß die Einnahme von Antibabypillen über nur drei Jahre – das entspricht lediglich zehn Prozent weniger Ovulationen im Leben – das Risiko von Eierstockkrebs um vierzig Prozent reduzieren könnte. Deshalb beschlossen sie, die zellulären und molekularen Auswirkungen verschiedener empfängnisverhütender Hormone auf die Eierstöcke zu untersuchen.

Über einen Zeitraum von 35 Monaten verabreichten sie drei Gruppen von Affen eine von vier unterschiedlichen Hormonkombinationen – entweder das orale Kontrazeptivum Progestin, das orale Kontrazeptivum Östrogen oder eine Kombination von beiden. Eine vierte Kontrollgruppe erhielt kein Hormon.

Die Ergebnisse zeigten, daß die Affen, die nur Progestin erhielten, sechsmal mehr Apoptosis (24 Prozent) in ihrem Eierstock-Epithelgewebe aufwiesen, als die Kontrollgruppe oder die Gruppe, die nur Östrogen erhalten hatte. Die Gruppe, welche die Kombination erhalten hatte, zeigte ebenfalls einen hohen Grad an Apoptosis, aber weniger als die Gruppe der Affen, die nur Progestin erhalten hatte. Affen, die nur Östrogen erhalten hatten und jene in der Kontrollgruppe wiesen den geringsten Grad an Apoptosis auf, ungefähr 3,9 Prozent.

Jede Substanz, die den Zellen helfen kann, ihren Widerstand gegen Apoptosis zu überwinden, kann sie auch daran hindern bösartig zu werden, sagte Rodgriguez. "Progestin könnte die Resistenzschwelle senken, indem es die Balance zugunsten der Apoptosis verändert", erläuterte er.

Zwar wissen die Forscher nicht genau, wie Progestin die Apoptosis aktiviert. Sie sind jedoch überzeugt, daß dieses Wissen für den Erfolg nicht entscheidend ist. So lange es funktioniert und für Menschen sicher ist, könnte das Hormon eingesetzt werden, um Millionen von Frauen gegen Eierstockkrebs zu schützen, meint Rodriguez. Die künftigen Studien werden sich auf zusätzliche Auswirkungen von Progestin auf Frauen konzentrieren. Insbesondere werden die Forscher ein Profil zur Risikobeurteilung für Frauen entwickeln, indem sie ihre genetische Empfänglichkeit und einschlägige Aspekte ihrer Geschichte in bezug auf das Risiko analysieren, an Eierstockkrebs zu erkranken. Die Wissenschaftler können solche Profil nutzen, um festzustellen, wer dem größten Risiko ausgesetzt ist, und wo deswegen vorgebeugt werden sollte.

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