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Spezialnahrung: Mit Schokolade kein Leben

Sie sieht mich kritisch an. "Ach komm, sei nicht albern!" Immer die gleiche Reaktion. Als ob ich mir das ausdenken würde. Als ob mir das Spaß machen würde. Melanie mustert mich, als wäre ich eine von den Tussis, die eisern Kalorien zählen. Die sich beim bloßen Gedanken an Schokolade mit einer halben Stunde Joggen bestrafen. Ich nasche sehr gerne, aber: "Ich bin allergisch gegen Kakao!" Ihr abschätzender Blick weicht purem Entsetzten, gefolgt von tiefem Mitleid: "Was? Oh mein Gott, du Arme! Wie hältst du das aus? Ich würde sterben!" 21 Jahre ohne Schokolade und ich habe überlebt. Ich kenne es nicht anders. Und es kommt noch besser – es hat mich auch noch nie gestört.

Dabei können Achtjährige noch strafender schauen als Melanie, wenn ich früher als Einzige auf dem Kindergeburtstag den tollen Marmorkuchen mit den Smarties darauf verschmäht habe. Beim Schokoladen-Essen wiederum war der Platz neben mir sehr beliebt, da ich, sobald die Packung in Sicht kam, das Besteck an meinen Nachbarn weitergab. Und gab es am Ende der Party eine Süßigkeitentüte mit nach Hause freute sich eben mein kleiner Bruder.

Mir schmeckt keine Schokolade

Wenn ich Schokolade esse, bekomme ich Hautausschlag. Viele kleine rote Punkte, die unerträglich jucken. Einmal ausprobiert, danach nie wieder. Mein Körper hat toll auf diese Sanktion reagiert: Mir schmeckt gar keine Schokolade. Ich finde alleine den Geruch von Kakao unangenehm. Selbstschutz – würde ich behaupten. Ob sich Melanie wohl Ostern ohne Nougat-Eier und Weihnachten ohne Schokonikoläuse vorstellen könnte? Jahrelang bekam ich von meiner Oma in goldenes Stanniolpapier gewickelte Hasen mit rotem Halsband und Glöckchen ins Osternest gelegt, weil "das eben dazu gehört".

Auf der anderen Seite könnte ich mir niemals vorstellen eine persönliche Beziehung zu einer Werbefigur aufzubauen. Die Trauer der Massen als der Kinderschokoladen-Junge wechselte war mir ein absolutes Rätsel. Welten brachen zusammen. Kindheitserinnerungen platzten. An mir wäre das "Drama" völlig vorbeigegangen, hätte sich nicht in meinem Freundeskreis eine Selbsthilfegruppe gegründet, die das neue Gesicht auf jeder Packung überklebte. Apropos Selbsthilfe: Bin ich ein unglücklicher Mensch, weil ich bei Liebeskummer keine Trost-Schokolade in mich hineinstopfen kann? Nein. Schließlich gibt es auch Gummibärchen – völlig kakaofrei.

Nur Melanie schaut immer noch ganz bestürzt auf den von mir verschmähten Keks. Plötzlich hellt sich ihre Miene auf: "Ich hab’s!" Vorsichtig teilt sie den Keks in eine Hälfte mit der Schokocreme und in eine ohne und stellt fest: "So kannst du mitnaschen – und ich bekomme noch mehr Schokolade pur!"

Christina Merkel


Dieser Beitrag ist Teil eines Projektes der Studenten des 3. und 5. Semester Wissenschaftsjournalismus der Hochschule Darmstadt zum Thema "Ernährung":
Das große Fressen

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