Hirnstoffwechsel: Mit Zuckerabbau Hirnkarten zeichnen
In unterschiedlich aktiven Hirnregionen wird Glukose unterschiedlich schnell benötigt und verbraucht. Das erlaubt vielleicht neue Hirnfunktionskartierungen - könnte aber auch Rückschlüsse auf die Ursachen der Alzheimerdemenz zulassen.
Hirnforscher kennen einige Methoden, um unserem komplexen Denkorgan bei der Arbeit zuzuschauen und daraus Schlüsse zu ziehen – mit ihnen gelingt es nach und nach immer besser zu erkennen, welches Gehirnareal mit welchen Spezialaufgaben beauftragt ist. Man kann aber noch einen anderen Blickwinkel finden, meint ein Forscherteam von der Washington University in St. Louis: Die Neurologen demonstrieren, dass das Gehirn auch anhand der speziellen Handhabung des Zuckerstoffwechsels in Funktionsbereiche unterteilt werden kann. So schälen sich dann etwa Areale heraus, die bei bestimmten Denkaufgaben besonders gefordert werden – oder auch besonders anfällig für Demenzschäden sind.
Mark Mintun hatte mit seinen Kollegen den Stoffwechsel von Hirnzellen mit Positronenemissionstomografie (PET) analysiert [1]. Eine ähnliche Methode wird vor allem in der Krebsforschung eingesetzt, weil Tumorzellen bekanntermaßen Auffälligkeiten in der Zuckerverbrennung zeigen: Hier findet die so genannte "aerobe Glykolyse" besonders intensiv statt. Dabei wird der Zucker Glukose auch in gut mit Sauerstoff versorgten Zellen verstärkt in kleinere Bruchstücke zerlegt, die dann aber zunächst nicht weiter veratmet werden. Unter rein energetischen Gesichtspunkten ist dies wenig sinnvoll – zwar entsteht bei der Glykolyse ein wenig ATP als Energietreibstoff der Zelle, viel mehr würde aber erst gewonnen werden, wenn die Abbauprodukte in der Atmungskette weiter oxidiert würden.
Glykolyse macht auch in ihrer aeroben Version trotzdem Sinn, denn sie stellt zum Beispiel bestimmte Grundbausteine für allerlei benötigte Metabolite zur Verfügung. Bei entarteten Zellen läuft sie allerdings auf Hochtouren – und Mintun und Co ermittelten nun, dass dies auch auf einige Regionen im Gehirn ihrer gesunden Probanden zutrifft, auf andere dagegen – je nach Situation und den ablaufenden Denkprozessen – fast gar nicht. Auch der Grad der aeroben Glykolyseleistung kann demnach dazu dienen, Hirnregionen funktional zu unterscheiden.
Glykolyse-Hirnkarte mit Ruheinseln
Bei einer so durchgeführten Kartierung des Gehirns ergaben sich dann tatsächlich vor allem zwei bemerkenswerte Erkenntnisse, so die Forscher. Zum einen zeigen sie, dass bei wachen, aber nicht mit besonderen Denkaufgaben belasteten Probanden die mittleren und seitlichen Scheitellappen und der präfrontale Kortex stark mit aerober Glykolyse beschäftigt und aktiv sind. Diese Bereiche sind schon zuvor als Teil des "Default Mode Networks" (DMN) erkannt worden – einem Verbund aus Hirnregionen, die merkwürdigerweise eher weniger aktiv werden, sobald eine Denkaufgabe bearbeitet wird. Das DMN hatte Mintuns Laborkollege Marcus Raichle schon vor Jahren als Erster beschrieben: Hier laufen grundlegende Ruhefunktionen unseres Gehirns in den Augenblicken ab, in denen wir unsere Gedanken schweifen lassen und nichts unsere besondere Aufmerksamkeit fordert. Die PET-Analysen der aeroben Glykolyse bestätigen und komplettieren dieses Bild des Hirngeschehens jetzt.
Aktives Hirn und Demenz
Tatsächlich, so eine parallel durchgeführte Studie des Teams, kann die Bestimmung der aeroben Glykolyse aber nicht nur dabei helfen, Hirnbereiche wie das DMN funktionell zu umreißen – sie nageln auch jene Regionen fest, in denen etwas fatal schiefzulaufen droht. Wie schon erwähnt, zeigen Krebszellen eine stark erhöhte aerobe Glykolyserate. Gerade die Bereiche, in denen auch in gesunden Menschen die Glykolyseaktivität erhöht ist – also das DMN –, sind stets besonders von den krankhaften Amyloidablagerungen betroffen, die bei der Alzheimerdemenz typisch sind. Auch hierfür könnten die lokalen Besonderheiten des Zuckerstoffwechsels verantwortlich sein, glaubt das Forscherteam der Washington University nun [2].
Im Tiermodell zumindest sorgt ein Überschuss von Glutamat tatsächlich für Schädigungen in Hirngewebe, die den Alzheimersymptomen auffällig ähneln. Der hochtourige und spezielle Zuckerstoffwechsel der aktiven Hirnregionen sei recht störanfällig, schließen die Forscher – und damit eben auch anfälliger gegenüber den noch weit gehend unbekannten Störsignalen, die die Hirnzellen von alzheimergefährdeten Patienten ohnehin bedrohen.
Mark Mintun hatte mit seinen Kollegen den Stoffwechsel von Hirnzellen mit Positronenemissionstomografie (PET) analysiert [1]. Eine ähnliche Methode wird vor allem in der Krebsforschung eingesetzt, weil Tumorzellen bekanntermaßen Auffälligkeiten in der Zuckerverbrennung zeigen: Hier findet die so genannte "aerobe Glykolyse" besonders intensiv statt. Dabei wird der Zucker Glukose auch in gut mit Sauerstoff versorgten Zellen verstärkt in kleinere Bruchstücke zerlegt, die dann aber zunächst nicht weiter veratmet werden. Unter rein energetischen Gesichtspunkten ist dies wenig sinnvoll – zwar entsteht bei der Glykolyse ein wenig ATP als Energietreibstoff der Zelle, viel mehr würde aber erst gewonnen werden, wenn die Abbauprodukte in der Atmungskette weiter oxidiert würden.
Glykolyse macht auch in ihrer aeroben Version trotzdem Sinn, denn sie stellt zum Beispiel bestimmte Grundbausteine für allerlei benötigte Metabolite zur Verfügung. Bei entarteten Zellen läuft sie allerdings auf Hochtouren – und Mintun und Co ermittelten nun, dass dies auch auf einige Regionen im Gehirn ihrer gesunden Probanden zutrifft, auf andere dagegen – je nach Situation und den ablaufenden Denkprozessen – fast gar nicht. Auch der Grad der aeroben Glykolyseleistung kann demnach dazu dienen, Hirnregionen funktional zu unterscheiden.
Glykolyse-Hirnkarte mit Ruheinseln
Bei einer so durchgeführten Kartierung des Gehirns ergaben sich dann tatsächlich vor allem zwei bemerkenswerte Erkenntnisse, so die Forscher. Zum einen zeigen sie, dass bei wachen, aber nicht mit besonderen Denkaufgaben belasteten Probanden die mittleren und seitlichen Scheitellappen und der präfrontale Kortex stark mit aerober Glykolyse beschäftigt und aktiv sind. Diese Bereiche sind schon zuvor als Teil des "Default Mode Networks" (DMN) erkannt worden – einem Verbund aus Hirnregionen, die merkwürdigerweise eher weniger aktiv werden, sobald eine Denkaufgabe bearbeitet wird. Das DMN hatte Mintuns Laborkollege Marcus Raichle schon vor Jahren als Erster beschrieben: Hier laufen grundlegende Ruhefunktionen unseres Gehirns in den Augenblicken ab, in denen wir unsere Gedanken schweifen lassen und nichts unsere besondere Aufmerksamkeit fordert. Die PET-Analysen der aeroben Glykolyse bestätigen und komplettieren dieses Bild des Hirngeschehens jetzt.
Die in Ruhe besonders aktiven Regionen des DMN greifen vielleicht deshalb verstärkt zur aeroben Glykolyse, weil sie sehr kurzfristig Energie in Form von ATP benötigen, spekulieren die Forscher. ATP, der kleine Energieträger der Zelle, entsteht zwar bei der oxidativen Glykolyse in der Atmungskette mit deutlich höherer Effizienz, aber auch viel langsamer, so die Wissenschaftler. Aktive Vorgänge in den Hirnzellen verlangen dagegen nach sehr rascher Energieversorgung ihrer ATP-abhängigen Prozesse an den Membranen. So wäre die ATP-Bereitstellung per aerober Glykolyse etwa prädestiniert zur flexiblen Versorgung von Natrium-Kaliumionenpumpen, die bei verstärkter neuronaler Kommunikation zwar besonders rasch reagieren müssen, dabei aber nie viel Energie verbrauchen. Insgesamt, so die Forscher, werde jedenfalls deutlich, dass die aerobe Glykolyserate in wachen, aktiven Regionen – also etwa dem DMN des sonst "unbeschäftigten" Gehirns – fast verdoppelt; vielleicht, weil gerade hier aktive synaptische Umbauprozesse stattfinden, die dies besonders nötig machen. Nachts sinkt die Glykolyserate übrigens generell wieder, der Energiestoffwechsel normalisiert sich.
Aktives Hirn und Demenz
Tatsächlich, so eine parallel durchgeführte Studie des Teams, kann die Bestimmung der aeroben Glykolyse aber nicht nur dabei helfen, Hirnbereiche wie das DMN funktionell zu umreißen – sie nageln auch jene Regionen fest, in denen etwas fatal schiefzulaufen droht. Wie schon erwähnt, zeigen Krebszellen eine stark erhöhte aerobe Glykolyserate. Gerade die Bereiche, in denen auch in gesunden Menschen die Glykolyseaktivität erhöht ist – also das DMN –, sind stets besonders von den krankhaften Amyloidablagerungen betroffen, die bei der Alzheimerdemenz typisch sind. Auch hierfür könnten die lokalen Besonderheiten des Zuckerstoffwechsels verantwortlich sein, glaubt das Forscherteam der Washington University nun [2].
Schon anderen Forschern ist durchaus aufgefallen, dass die durch Alzheimerplaques geschädigten DMN-Regionen Stoffwechselauffälligkeiten zeigen – meist aber vermutete man, dass die Zellen schlicht auf die Plaquebildung reagieren. Tatsächlich könne es gut umgekehrt sein, so Mintuns Team: In besonders aktiv regelmäßig umgebauten Hirnregionen mit erhöhter synaptischer Plastizität – zu denen das DMN zählt – ist eben aerobe Glykolyse ohnehin die Regel. Womöglich führt dies aber vor allem bei zusätzlichen Stressfaktoren immer wieder einmal zu einer Glukoseunterversorgung der Zellen. Das mag dann etwa dazu führen, dass Neurotransmitter wie Glutamat zu langsam (weil glukoseabhängig) aus den Zellen entfernt werden und dann neurotoxisch wirken.
Im Tiermodell zumindest sorgt ein Überschuss von Glutamat tatsächlich für Schädigungen in Hirngewebe, die den Alzheimersymptomen auffällig ähneln. Der hochtourige und spezielle Zuckerstoffwechsel der aktiven Hirnregionen sei recht störanfällig, schließen die Forscher – und damit eben auch anfälliger gegenüber den noch weit gehend unbekannten Störsignalen, die die Hirnzellen von alzheimergefährdeten Patienten ohnehin bedrohen.
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