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Empathie: Mitgefühl wird parteiisch verschenkt

Wohin mit dem Kreuz?

Wenn wir uns in andere einfühlen, projizieren wir häufig unsere eigenen Empfindungen auf sie. So nehmen wir etwa bevorzugt an, dass andere hungrig sind, wenn wir selbst auch gerade hungrig sind. Wie verhält es sich aber mit diesem Effekt, wenn sich unsere Mitmenschen offensichtlich von uns unterscheiden, also beispielsweise Anhänger einer anderen politischen Partei sind?

Um diese Frage zu beantworten, rekrutierten Ed O'Brien und Phoebe Ellsworth von der University of Michigan im Winter 2011 zunächst einige Probanden an einer Bushaltestelle und in der beheizten Universitätsbibliothek. Sie präsentierten ihnen eine Kurzgeschichte über eine fiktive Person, die entweder Mitglied der liberalen Demokraten war und sich für die Rechte von Homosexuellen einsetzte oder aber zu den konservativen Republikanern gehörte und das klassische Konzept der Ehe vertrat. Der Politiker verirrte sich beim Wandern im zugeschneiten Wald und hatte weder Essen und Trinken noch warme Kleidung dabei.

Anschließend fragten die Forscher die Versuchsteilnehmer, was am unangenehmsten für den verschollenen Wanderer gewesen sein muss: Hunger, Durst oder Kälte. Wer draußen in der Kälte befragt wurde, nahm an, dass der Wanderer hauptsächlich frieren würde. Dieser Effekt verschwand jedoch, wenn die Versuchsteilnehmer eine andere politische Meinung vertraten als die Figur in der Geschichte: Dann projizierten die Versuchsteilnehmer ihre eigene Situation nicht mehr auf den Wanderer.

O'Brien und Ellsworth überprüften ihr Ergebnis schließlich noch einmal im Labor. Dort gaben sie einer weiteren Gruppe von Probanden salziges Gebäck zu essen. Einem Teil der Versuchspersonen boten sie hinterher gegen ihren Durst ein Glas Wasser an. Anschließend konfrontierten sie die Versuchsteilnehmer mit derselben Geschichte. In diesem Fall hielten die Probanden, die nichts trinken durften, den Durst für das größte Leid des Wanderers, aber auch nur dann, wenn sie seine politischen Ansichten teilten.

Die Forscher werten dies als ein Zeichen dafür, dass unserer Empathie Grenzen gesetzt sind: Offenbar können wir uns generell schwerer in Menschen hineinversetzen, die wir als "anders" empfinden. Möglicherweise deuten die Ergebnisse des Experiments aber auch schlicht darauf hin, dass wir nur dann von uns auf andere schließen, wenn diese uns ähnlich erscheinen.

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