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DNA-Reparatur: Molekulare Schiene für beschädigtes Erbgut

DNA-Doppelhelix
Wenn UV-Strahlung die Haut trifft, verursacht sie oft einen charakteristischen Erbgutfehler, bei dem zwei in der DNA aufeinander folgende Thymine verknüpft werden. Dadurch entsteht eine Verbindung, die wie ein aufgeklapptes Buch geformt ist und die DNA verformt, so dass ihre Sequenz von einer normalen Polymerase nicht mehr korrekt ausgelesen werden kann.

Stößt die reguläre Polymerase beim Vervielfältigen der DNA auf einen Erbgutschaden, unterbricht sie ihre Arbeit. Ihren Platz nimmt eine andere Polymerase ein, die auf die Beseitigung dieses speziellen Typs von Schaden spezialisiert ist. Das ist in diesem Fall die η-Polymerase, die zu einer größeren Klasse von Reparaturenzymen gehört und speziell darauf ausgerichtet ist, die schadhafte Sequenz korrekt auszulesen. Sie geht über die schadhafte Stelle hinweg und verlängert die DNA – ist die Reparatur vollzogen, wird sie bald darauf wieder durch das ursprüngliche Molekül ersetzt.

Dadurch verhindert sie die Entstehung von Tumoren, denn ein beschädigtes Gen für dieses Enzym führt zu dem seltenen Hautkrebs Xeroderma pigmentosum. Damit ist sie die einzige der 15 menschlichen DNA-Polymerasen, für die ein direkter Zusammenhang mit der Entstehung von Krebs bekannt ist. Nun haben Wissenschaftler aufgeklärt, wie das Protein sein Kunststück vollbringt. Wie Forscher um Timothy Silverstein von der Mount Sinai School of Medicine in New York bei der Untersuchung der Struktur des Proteins feststellten [1], ist das aktive Zentrum der η-Polymerase weiter als das anderer Polymerasen, so dass die gekoppelten Basen gemeinsam von dem Molekül umschlossen werden können – Voraussetzung dafür, die schadhafte Stelle korrekt auszulesen.

Die Eta-Polymerase in Aktion | Die Eta-Polymerase mit der beschädigten DNA. In rot die Schadstelle und das gegenüberliegende Nukleotid. Diese beiden Elemente korrekt aufeinander auszurichten ist die eigentliche Funktion dieser Reparatur-Polymerase.
Die Wissenschaftler untersuchten das Molekül, indem sie seinen Komplex mit doppelsträngiger DNA kristallisieren ließen und die Struktur durch Röntgenstreuung am so erhaltenen Einkristall analysierten. Frühere Experimente mit dieser Methode waren daran gescheitert, dass die Polymerase in ihrer ursprünglichen Form einen Kristall bildet, in dem die DNA nicht korrekt gebunden ist. Die Forscher identifizierten die dafür verantwortliche Region des Enzyms und veränderten sie gentechnisch. Nachdem sie nachgewiesen hatten, dass diese Modifikation die Funktion der Polymerase nicht beeinträchtigt, erhielten sie auf diesem Weg einen hochaufgelösten Blick ins Zentrum des Geschehens.

Wie erwartet ist es für das Enzym nicht ganz einfach, mit der beschädigten DNA eine gute Basenpaarung zu erreichen. Die Strukturuntersuchung zeigte, dass die neu eingefügte Base gegenüber dem gegenüberliegenden Einzelstrang um 25 Grad verdreht ist. Teile des Enzyms halten das Molekül in der richtigen Orientierung und sorgen so dafür, dass die Bindung zu Stande kommt.

Wie das Molekül dies erreicht, hat ein weiteres internationales Forscherteam herausgefunden [2]. Die Wissenschaftler um Christian Biertümpfel vom National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases in Bethesda untersuchten ebenfalls die Kristallstruktur des Enzyms und stießen auf zwei Aminosäuren, die dafür sorgen, dass die Reaktionspartner im aktiven Zentrum richtig ausgerichtet sind. Ein Glutaminrest sorgt dafür, dass die durch UV-Strahlung beschädigte Base so platziert ist, dass die Base des neu geformten Stranges richtig mit ihr gepaart werden kann. Durch diese Stütze nimmt auch beschädigte DNA während der Reaktion in der Polymerase die normale B-Form ein, die für unbeschädigte DNA typisch ist – während freie DNA durch einen solchen Schaden verformt wird.

Auch das Nukleotid, mit dem der neu gebildete DNA-Strang verlängert wird, wird von der Polymerase gestützt. Die Wechselwirkung mit einem Argininrest hält diesen Reaktionspartner in einer Position, die Fehlpaarungen verhindert. Die η-Polymerase überbrückt also einen DNA-Schaden nicht, indem sie ihn repariert, sondern vielmehr durch gezielte Hilfestellung an den entscheidenden Punkten, so dass die für die DNA-Verdoppelung entscheidende Basenpaarung trotz des strukturverzerrenden chemischen Veränderung eben doch zufriedenstellend funktioniert. (lf)
  • Quellen
[1] Silverstein, T. et al.:Structural basis for the suppression of skin cancers by DNA polymerase η. In: Nature 465, S. 1039 – 1043, 2010. [2] Biertümpfel, C. et al.:Structure and mechanism of human DNA polymerase η. In: Nature 465, S. 1044 – 1048, 2010.

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