Paläontologie: Mongole gegen Molekularanalytiker
Nicht zum ersten Mal verschiebt ein altes, totes Tiere aus Ostasien den Geburtstermin aller modernen Säugetiere - der merkwürdige Merkmalsmix eines mongolischen Fossils machte uns alle nun aber so deutlich jünger, dass frühere molekularanalytische Berechungen ziemlich daneben gelegen haben müssten.
Ganz früher war alles einfacher: Ein Meteorit kollidierte heftig mit der Erde, pulverisierte Teile der mexikanischen Halbinsel Yukatan, entfachte flächendeckende Waldbrände in Nordamerika, verdunkelte die Welt mit seinem Staub für ein paar Jährchen völlig und machte gut der Hälfte aller Pflanzen- und Tierarten weltweit den Garaus. Kreidezeit und Erdmittelalter sind hiermit beendet – willkommen im Tertiär, vor 65 Millionen Jahren. Und weil die Dinosaurier damals leider alle sterben mussten, hatten die bis dahin nur in kleiner Zahl herumhuschenden Säugetiere genug Nischen für eine explosionsartige Ausbreitung und übernahmen die Macht. So, wie gesagt, dachte man früher.
Nach und nach stellte sich dieses Szenario der Säugetier-Evolution als etwas zu vereinfacht heraus. Schon vor dem großen Knall hatten die Säugetiere sich in verschiedene Richtungen entwickelt; einige Analysen belegten sogar, dass die großen Gruppen der heutigen Säuger – eierlegende Kloakentiere, Beutler und die echten Plazenta-Säuger – bereits als einigermaßen erfolgreiche Modellserien existierten, als Dinosaurier in der späten Kreidezeit noch nichts von ihrem baldigen Ende ahnten.
Egal warum: Säuger gebe es jedenfalls seit etwa 166 Millionen Jahren, als die ersten Kloakentiere auftauchten, vor etwa 148 Millionen Jahren trennten sich dann die Wege von Beuteltieren und höheren Säugern, den Placentalia. Noch mitten in der Kreidezeit, vor 100 bis 85 Millionen Jahren, stieg nach den Molekulardaten die Zahl der Säugerarten dann plötzlich rapide, und alle heute noch existierenden Ordnungen entstanden – einschließlich der Primaten, zu denen auch der Mensch zählt. Soweit die aktuelle Meinung der meisten Molekularanalytiker.
Die haben sich offenbar gründlich verschätzt, meinen nun John Wible vom Carnegie-Museum für Naturgeschichte in Pittsburgh. Seine Meinung beruht zunächst einmal auf einem Fossil von Maelestes gobiensis, einem 1997 ausgegrabenen Tierchen, dass einer überdimensionierten Spitzmaus ähnelnd vor 70 bis 75 Millionen Jahren das Gebiet durchstreifte, das später einmal Wüste Gobi heißen sollte. Längst sind es und seinesgleichen – die Familie der Cimolestidae – ausgestorben.
Wible und Kollegen haben das Tierchen nun einer einzigartig intensiven phylogenetischen Analyse unterzogen und – anhand von 409 anatomisch-morphologischen Kennzeichen der Skelette – mit der stolzen Zahl von 69 ausgestorbenen und noch lebenden Säugerspezies verglichen. Am Ende der Mammutarbeit stand ein neuer Stammbaum der Plazenta-Säugetiere auf der Basis von bis dahin unerreicht umfangreichem fossilem Datenmaterial. Beruhigenderweise ordnet dieser Stammbaum Säugetiere in dieselben großen Entwicklungslinien wie gehabt. Allerdings waren die Plazentalier nach der Version von Wible und Co vor gut 140 Millionen Jahren eben noch längst nicht entstanden – sondern diversifizierten sich tatsächlich erst um die ominösen Kreide-Tertiär-Grenze vor 65 Millionen Jahren herum, an der die Saurier asteroidenunterstützt das Zeitliche segneten.
Andererseits können die Fossilgläubigen verständlicherweise nur mit dem schon gefundenen Material arbeiten – und haben daher möglicherweise eine selektive Wahrnehmung.
Wann auch immer sich im nun geöffneten, gut 80 Millionen Jahre währenden Zeitfenster höhere von niederen Säugern getrennt haben und eigenständig wurden: Irgendwann später kam ihre große Zeit dann. Vielleicht erfahren wir über diesen Zeitpunkt mehr, wenn wir nicht nur auf die Säuger schauen – sondern auf den Wandel in ihrer Umwelt, der ihren Erfolg möglich machte. Eine gewisse Rolle hat dabei der einstige Meteroritentreffer in Mexiko sicher gespielt. Ob es wirklich eine einsame Hauptrolle war, bleibt vorerst ungewiss wie der Geburtstermin des ersten Placentaliers.
Nach und nach stellte sich dieses Szenario der Säugetier-Evolution als etwas zu vereinfacht heraus. Schon vor dem großen Knall hatten die Säugetiere sich in verschiedene Richtungen entwickelt; einige Analysen belegten sogar, dass die großen Gruppen der heutigen Säuger – eierlegende Kloakentiere, Beutler und die echten Plazenta-Säuger – bereits als einigermaßen erfolgreiche Modellserien existierten, als Dinosaurier in der späten Kreidezeit noch nichts von ihrem baldigen Ende ahnten.
Gerade erst vor ein paar Monaten erschien die neueste internationale, morphologisch- molekularbiologische Analyse, bei der die Familiengeschichte der meisten der insgesamt rund 5400 heute lebenden Säugetierarten ausklamüsert wurde. Dabei zeigte sich wieder einmal, dass viele der heute noch vertretenen Säugergruppen nach, einige aber auch lange vor Asteroideneinschlag und Sauriertod entstanden waren – jedenfalls aber unabhängig von diesem Ereignis. Diskutiert werden andere mögliche säugerfördernde Faktoren wie Klimaveränderungen oder ein steigender Sauerstoffgehalt der Luft.
Egal warum: Säuger gebe es jedenfalls seit etwa 166 Millionen Jahren, als die ersten Kloakentiere auftauchten, vor etwa 148 Millionen Jahren trennten sich dann die Wege von Beuteltieren und höheren Säugern, den Placentalia. Noch mitten in der Kreidezeit, vor 100 bis 85 Millionen Jahren, stieg nach den Molekulardaten die Zahl der Säugerarten dann plötzlich rapide, und alle heute noch existierenden Ordnungen entstanden – einschließlich der Primaten, zu denen auch der Mensch zählt. Soweit die aktuelle Meinung der meisten Molekularanalytiker.
Die haben sich offenbar gründlich verschätzt, meinen nun John Wible vom Carnegie-Museum für Naturgeschichte in Pittsburgh. Seine Meinung beruht zunächst einmal auf einem Fossil von Maelestes gobiensis, einem 1997 ausgegrabenen Tierchen, dass einer überdimensionierten Spitzmaus ähnelnd vor 70 bis 75 Millionen Jahren das Gebiet durchstreifte, das später einmal Wüste Gobi heißen sollte. Längst sind es und seinesgleichen – die Familie der Cimolestidae – ausgestorben.
Wible und Kollegen haben das Tierchen nun einer einzigartig intensiven phylogenetischen Analyse unterzogen und – anhand von 409 anatomisch-morphologischen Kennzeichen der Skelette – mit der stolzen Zahl von 69 ausgestorbenen und noch lebenden Säugerspezies verglichen. Am Ende der Mammutarbeit stand ein neuer Stammbaum der Plazenta-Säugetiere auf der Basis von bis dahin unerreicht umfangreichem fossilem Datenmaterial. Beruhigenderweise ordnet dieser Stammbaum Säugetiere in dieselben großen Entwicklungslinien wie gehabt. Allerdings waren die Plazentalier nach der Version von Wible und Co vor gut 140 Millionen Jahren eben noch längst nicht entstanden – sondern diversifizierten sich tatsächlich erst um die ominösen Kreide-Tertiär-Grenze vor 65 Millionen Jahren herum, an der die Saurier asteroidenunterstützt das Zeitliche segneten.
Und damit liegen nun die zwei klassischen Schulen der Säugetierevolution – DNA-Stammbaumforscher und Fossilanalytiker – weiter auseinander als je zuvor. Eine Einigung ist offenbar erst einmal nicht in Sicht: Die Streitpartner weisen zunächst einmal lieber auf die Schwächen der vom Andersdenkenden benutzen Methodik hin. Stammbaumgenetik leide eindeutig darunter, so etwa die Anhänger der althergebrachten Fossilanalyse, dass niemand wirklich genau weiß, wie schnell die molekulare Uhr genetischer Veränderung tickt. Ein Genaustausch finde möglicherweise häufiger statt als angenommen, und daher sei gerade den Zeitangaben der Molekularbiologen nicht recht zu trauen, die eben zum Beispiel das Aufkommen der ersten Plazenta-Tiere schon vor mehr als 140 Millionen Jahren errechnet.
Andererseits können die Fossilgläubigen verständlicherweise nur mit dem schon gefundenen Material arbeiten – und haben daher möglicherweise eine selektive Wahrnehmung.
"Ein einziger Fossilfund – etwa eine Giraffe aus der Kreidezeit – könnte die Forscher zurück ans Reißbrett schicken"
(Richard Cifelli)
Mit einem einzigen bislang unbekannten Skelett, etwa dem einer frühen Giraffe aus der Kreidezeit, könnte das ganze mühsam zusammengebaute Stammbaum-Weltbild in sich zusammenfallen, kommentiert etwa Richard Cifelli vom Sam Noble Museum für Naturgeschichte von Oklahoma. Den Schiedsrichter müssen irgendwann wohl ohnehin Untersuchungen spielen, die beide Methoden nutzen und ihre jeweiligen Schwächen möglichst minimieren. (Richard Cifelli)
Wann auch immer sich im nun geöffneten, gut 80 Millionen Jahre währenden Zeitfenster höhere von niederen Säugern getrennt haben und eigenständig wurden: Irgendwann später kam ihre große Zeit dann. Vielleicht erfahren wir über diesen Zeitpunkt mehr, wenn wir nicht nur auf die Säuger schauen – sondern auf den Wandel in ihrer Umwelt, der ihren Erfolg möglich machte. Eine gewisse Rolle hat dabei der einstige Meteroritentreffer in Mexiko sicher gespielt. Ob es wirklich eine einsame Hauptrolle war, bleibt vorerst ungewiss wie der Geburtstermin des ersten Placentaliers.
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