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Analgetika: Morphin ohne Nebenwirkungen

Nackenschmerzen

Das Opiumderivat Morphin ist ein sehr wirksames Schmerzmittel mit unerfreulichen Risiken: Falsch dosiert oder zu lange verwendet, kann es bei Patienten Verstopfung, gravierende Atemprobleme oder Abhängigkeit verursachen. Französische Forscher sehen nun aber eine Möglichkeit für einen neuen, nebenwirkungsfreien Morphinersatz: Sie haben den zellphysiologischen Wirkungsmechanismus des Schmerzstillers genauer als zuvor analysiert und erkannt, wo genau die positiven und negativen Folgen ausgelöst werden.

Bekannt war längst, dass Morphin vor allem die Gamma-Subtypen von Opioidrezeptoren aktiviert, die sich im Gehirn und Nervengewebe in großer Zahl finden. Die Aktivierung dieser Rezeptoren verhindert eine Weiterleitung von Reizen und sorgt dafür, dass der Patient seine Schmerzen nur noch gedämpft wahrnimmt. Zu Grunde liegen dieser Dämpfung biochemische Befehle der Gamma-Opiodrezeptoren an nachgeschaltete Prozesse: So werden manche Ionenkanäle und enzymatische Werkzeuge mit unterschiedlichen, auch die Nebenwirkungen fördernden Folgen gehemmt; vor allem aber gibt der aktive Rezeptor das Signal zum Öffnen von Kaliumkanälen. Der Ausstrom von Kalium aus den Nervenzellen ist dann einer der Gründe dafür, dass die Schmerzweiterleitung geschwächt wird.

Alain Eschalier von der Université Clermont und seine Kollegen haben nun einen dieser Kaliumkanäle – TREK-1 – als entscheidend für die analgetische Wirkung des Morphins ausgemacht: Im Tierversuch spürten Mäuse ohne TREK-1-Rezeptor auch dann noch Schmerzen, wenn sie Morphin verabreicht bekamen. Zudem litten die Tiere aber auch weiter an den typischen Nebenwirkungen des Schmerzmittels, wie starken Atembeschwerden oder Abhängigkeit.

Die Forscher glauben daher, dass TREK-1 ein lohnendes Ziel für bessere Schmerzmittel sein könnte: Würde man nur diesen Rezeptor gezielt ansprechen statt wie bisher die vorgeschalteten, breiter gestreut wirkenden Opioidrezeptoren, dann wäre womöglich auch nur die Schmerzleitung ohne weitere Nebenwirkungen blockiert.

Die Theorie müsse nun allerdings erst überprüft werden – zunächst mit spezifischen TREK-1-Aktivatoren in Mäusen. Dabei ist zu bedenken, dass TREK-1-Rezeptoren im Organismus von Säugetieren nicht nur im Nervengewebe häufig sind. Sie übernehmen verschiedene krankheitsbeeinflussende und pharmakologisch komplexe Rollen, etwa bei der Entstehung von Epilepsie, bei der Depression oder bei der Anästhesie. Die im Versuch gegenüber Morphin unempfindlichen Mäuse ohne TREK-1 sind zum Beispiel auch viel weniger anfällig gegenüber depressionsähnlichen Zuständen. Es könnte demnach sein, dass ein gezieltes Aktivieren von TREK-1 bei Maus oder Mensch – bei aller schmerzdämpfenden Wirkung – als neue unerwünschte Nebenwirkung Depressionen fördern könnte.

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