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Kinder- und Jugendgesundheitssurvey: Motorische und psychische Probleme bei Jugendlichen verbreitet

Kopf vermessen
Von Mai 2003 bis Mai 2006 wurde unter Leitung des Robert-Koch-Instituts der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) durchgeführt. Befragungen, medizinische Untersuchungen und Tests liefern einen Überblick zum Gesundheitszustand von über 17 000 Kindern und Jugendlichen bis 17 Jahre. Zum Teil starke Defizite offenbarten sich beim Körpergewicht, der psychischen Gesundheit und der Motorik. Positiv vermerkt wird ein Rückgang bestimmter Umweltbelastungen.

Die Größen- und Gewichtsmessungen zeigen anhand des BMI, dass insgesamt 15 Prozent der Drei- bis Siebzehnjährigen übergewichtig sind. Der Anteil nimmt dabei mit dem Alter zu; Kinder aus sozial schwachen Familien, mit selbst übergewichtigen Eltern oder mit Migrationshintergrund sind überdurchschnittlich betroffen. Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen sowie Ost- und Westdeutschland traten nicht auf.

Auch Essstörungen treten vor allem bei Kindern aus sozial benachteiligten Familien auf: Der Anteil der Betroffenen ist mit 27,6 Prozent fast doppelt so hoch wie bei Altersgenossen mit höherem sozioökonomischen Status. Während bei Mädchen das Risiko mit dem Alter steigt, geht es bei Jungen zurück. Meistens sind Essstörungen verknüpft mit sonstigen psychischen Auffälligkeiten und Depressionsneigung. Die Kinder und Jugendlichen berichten häufiger, dass sie mit ihrem Körperselbstbild nicht zufrieden sind und öfter sexuell belästigt werden.

Psychische Auffälligkeiten allgemein traten bei über einem Fünftel der Kinder auf, wobei ein Zehntel auch als im engen Sinne psychisch auffällig einzustufen sei. Meist handelte es sich um gestörtes Sozialverhalten, Ängste und Depressionen. Risikofaktoren waren ein ungünstiges Familienklima sowie wiederum ein niedriger sozioökonomischer Status.

Allergien hingegen sind eher ein Problem der sozial höher gestellten Schichten, wobei mehr Jungen als Mädchen daran leiden. Kinder mit Migrationshintergrund sind mit 13,6 Prozent seltener betroffen als ihre hier geborenen Altersgenossen (17,6 Prozent). Ältere Geschwister oder die frühe Betreuung in entsprechenden Einrichtungen senken das Risiko einer Erkrankung. Während der Anteil von Heuschnupfen mit dem Alter zunimmt, geht die Zahl der an Neurodermitis Leidenden zurück. Asthma kommt häufiger in Städten vor als auf dem Land.

Über vierzig Prozent der Untersuchten zeigten eine Sensibilisierung gegen mindestens ein Allergen, wobei eingeatmete Stoffe (37,2 Prozent) häufiger für Probleme sorgten als Nahrungsmittel (20,2 Prozent). Die Ergebnisse stützten die "Hygiene-Hypothese", wonach ein seltener Kontakt mit Krankheitserregern und Allergenen das Risiko für allergische Erkrankungen steigere, so die Forscher. Litten bereits die Eltern unter Allergien, verdopple sich die Wahrscheinlichkeit für ein solches Leiden bei den Kindern.

Hinsichtlich sportlicher Betätigung sehen die Zahlen zunächst positiv aus: Mehr als drei Viertel der bis zu Zehnjährigen spielt fast täglich draußen, und etwa die Hälfte macht wenigstens einmal in der Woche Sport. Bei Kindern aus Migrantenfamilien liegt der Anteil deutlich niedriger. 84 Prozent der 11- bis 17-Jährigen antwortete, mindestens einmal pro Woche in der Freizeit so aktiv zu sein, dass sie ins Schwitzen oder außer Atem geraten, fast ein Viertel erreiche dies sogar täglich. Bei Tests zur motorischen Leistungsfähigkeit allerdings fielen die Ergebnisse beunruhigend aus: Über ein Drittel der Kinder und Jugendlichen konnte nicht rückwärts zwei oder mehr Schritte auf einem drei Zentimeter breiten Balken balancieren, und bei einer Rumpfbeuge kamen 43 Prozent mit den Händen nicht bis zum Boden. Laut Standweitsprung habe sich auch die Kraftfähigkeit seit 1976 um 14 Prozent verringert.

Ebenfalls Besorgnis erregend sind die Ergebnisse des Umwelt-Surveys: Noch immer leben die Hälfte der Kinder in Haushalten mit mindestens einem Raucher. Urinuntersuchungen auf Cotinin zeigen, dass die Belastung mit Tabakrauch über Passivrauchen sogar zugenommen hat. Bei einem Zehntel der Kinder stellten die Forscher außerdem Sensibilisierungen gegen Schimmelpilze fest, und 15 Prozent der Kinder wiesen Hörverluste auf. Einzig positiv: Die Belastung mit Blei, Quecksilber, polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAH) und Pentachlorphenolen (PCP) hat offenbar abgenommen.

Laut Urinuntersuchungen scheint außerdem die Jodversorgung der Heranwachsenden gut. Allerdings zeigen Ultraschallaufnahmen, dass bei den sehr strengen Referenzwerten der Weltgesundheitsorganisation bis zu einem Drittel der Kinder an einer Schilddrüsenvergrößerung leiden könnte. Ein altes Problem, das also noch nicht gegessen ist.

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