Direkt zum Inhalt

Affenpocken: Was Sie über die neue Mpox-Variante wissen sollten

Ist die neue Affenpocken-Variante tödlicher? Wie gut helfen Impfstoffe? Die wichtigsten offenen Fragen zu Mpox und wie Fachleute versuchen, sie zu beantworten.
Patienten, die an Mpox erkrankt sind, und ihre Familienangehörigen warten am 31. August 2024 vor einem Mpox-Behandlungszentrum am Rande von Bukavu in der Provinz Süd-Kivu in der Demokratischen Republik Kongo (DRK)
An Mpox erkrankte Kinder und ihre Familienangehörigen warten am 31. August 2024 vor einem Behandlungszentrum am Rande von Bukavu in der Provinz Süd-Kivu in der Demokratischen Republik Kongo (DRK).

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Anfang August 2024 wegen Mpox eine Notlage ausgerufen. Hintergrund ist eine besonders gefährliche Form des Virus, die sich in mehreren afrikanischen Ländern ausgebreitet hatte, in denen sie zuvor noch nie aufgetreten war. Seitdem haben sich mindestens zwei Afrikareisende – einer aus Schweden und einer aus Thailand – mit diesem Virustyp, genannt Klade Ib, infiziert und in ihre Heimatländer gebracht.

Auch wenn der aktuelle Ausbruch bereits seit Ende 2023 bekannt ist, sind noch viele Fragen offen. Die Demokratische Republik Kongo (DRK) hat beispielsweise schon jahrzehntelang mit dem Affenpockenvirus der Klade I – zu der Ib gehört – zu kämpfen. Aber bisher traten Infektionen dieser Klade in der Regel nur dann auf, wenn eine Person mit wilden Tieren in Kontakt kam. Zudem verebbten die Ausbrüche meist rasch.

Klade Ib scheint anders zu sein und breitet sich hauptsächlich durch Kontakt zwischen Menschen aus, unter anderem durch Geschlechtsverkehr. Allein in der DRK wurden 2024 rund 18 000 Verdachtsfälle von Mpox gemeldet, viele davon bei Kindern. Zudem wurden mindestens 600 Todesfälle gemeldet, die möglicherweise auf die Krankheit zurückzuführen sind.

Wie verhält sich diese Notlage im Vergleich zu der im Jahr 2022 ausgerufenen Notlage, als sich Mpox-Fälle weltweit ausbreiteten? Wie unterscheidet sich dieses Virus im Vergleich zu der Version, die jenen Ausbruch auslöste, einem Typ namens Klade II? Und wird Afrika in der Lage sein, dieses Virus in den Griff zu bekommen? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Ist Klade Ib tödlicher als die anderen Virustypen?

Das ist schwer zu sagen, sagt Jason Kindrachuk, Virologe an der University of Manitoba in Winnipeg, Kanada. In der Demokratischen Republik Kongo treten aktuell zwei Ausbrüche gleichzeitig auf, so der Virologe: Das Virus der Klade I, das seit Jahrzehnten in den bewaldeten Regionen endemisch ist, zirkuliert in ländlichen Regionen, wo sich Menschen bei Tieren infizieren. Diese Gruppe wurde nach der Entdeckung der Gruppe Ib in Ia umbenannt. Studien an Tieren deuten darauf hin, dass Klade I tödlicher ist als Klade II – doch zum jetzigen Zeitpunkt könne man nicht genau sagen, was das für den Menschen bedeutet.

Selbst wenn Mpox nicht tödlich verläuft, kann es zu Fieber, Schmerzen und schmerzhaften, mit Flüssigkeit gefüllten Hautläsionen kommen. Obwohl in vielen Berichten davon die Rede ist, dass zehn Prozent der Klade-I-Infektionen beim Menschen tödlich verlaufen, bezweifelt der Infektionsforscher Laurens Liesenborghs vom Institut für Tropenmedizin in Antwerpen, dass diese Zahl korrekt ist. Selbst die jüngste Schätzung der WHO von 3,5 Prozent tödlich verlaufender Mpox-Infektionen in der DRK könnte zu hoch sein.

Die Schätzungen der Todesfallraten könnten aus verschiedenen Gründen unzuverlässig sein, sagt Liesenborghs. Zum einen erfassen die Daten nur die schwersten Fälle; viele Menschen, die weniger krank sind, suchen womöglich keine Behandlung in Krankenhäusern oder bei Ärzten, so dass ihre Infektionen nicht gemeldet werden.

Ein weiterer Faktor, der die Sterblichkeitsrate beeinflussen kann, ist eine sekundäre Erkrankung. So sterben beispielsweise HIV-Infizierte – die in vielen afrikanischen Ländern einen großen Teil der Bevölkerung ausmachen können – doppelt so häufig an Mpox wie die Allgemeinbevölkerung, vor allem, wenn ihre HIV-Infektion unbehandelt ist. Und die relativ hohe Sterblichkeitsrate bei Kindern unter fünf Jahren könnte zum Teil auf Unterernährung zurückzuführen sein, die bei Kindern in ländlichen Teilen der Demokratischen Republik Kongo weit verbreitet ist, so Liesenborghs.

Ist der Klon Ib leichter übertragbar als andere Typen?

Das Virus der Klade Ib hat für Aufregung gesorgt, weil epidemiologische Daten darauf hindeuten, dass es leichter von Mensch zu Mensch übertragen wird als frühere Stämme – auch durch Geschlechtsverkehr –, während das Virus der Klade Ia hauptsächlich von Tieren stammt. Eine Analyse, die als Preprint veröffentlicht wurde, zeigt, dass das Genom von Klade Ib genetische Mutationen enthält, die offenbar durch das menschliche Immunsystem ausgelöst wurden. Das deutet darauf hin, dass der Erreger schon seit einiger Zeit im Menschen vorkommt. Die Genome von Klade Ia weisen weniger dieser Mutationen auf.

Laut Liesenborghs sind die Mutationen und Kladen jedoch nicht die wichtigsten Faktoren, um zu verstehen, wie sich das Affenpockenvirus ausbreitet. Die Unterscheidung zwischen Ia und Ib sei zwar nützlich, um die Krankheit zu verfolgen. Doch der Schweregrad und die Übertragbarkeit der Krankheit könnten eher von der Region, in der das Virus zirkuliert, und den Menschen dort beeinflusst werden. Klade Ia scheint beispielsweise häufiger in dünn besiedelten ländlichen Regionen aufzutreten, wo es weniger wahrscheinlich ist, dass es sich weit verbreitet. Klade Ib tritt in dicht besiedelten Gebieten auf und breitet sich schneller aus.

Die Wissenschaft habe generell viele Aspekte der Mpox-Übertragung noch nicht verstanden, sagt Jean Nachega, Arzt für Infektionskrankheiten an der University of Pittsburgh in Pennsylvania – man habe noch nicht einmal herausgefunden, welches Tier in freier Wildbahn als Reservoir für das Virus dient, obwohl Nagetiere es übertragen können. »Wir müssen sehr zurückhaltend sein«, sagt Nachega.

Wie wirksam sind Impfstoffe gegen das Klade-I-Virus?

Wie schon bei der Covid-19-Pandemie setzen Gesundheitsexperten auch bei diesem Mpox-Ausbruch auf Impfstoffe. Es gibt zwar keine Vakzine, die speziell gegen das Affenpockenvirus entwickelt wurden, aber es gibt zwei Impfstoffe, die nachweislich ein verwandtes Virus abwehren – jenes, das die Pocken auslöst. Jynneos, hergestellt von dem Biotechnologieunternehmen Bavarian Nordic in Hellerup, Dänemark, enthält einen Typ des Pockenvirus, der sich nicht vermehren, aber eine Immunreaktion auslösen kann. LC16m8, hergestellt vom Pharmaunternehmen KM Biologics in Kumamoto, Japan, enthält eine lebende – aber abgeschwächte – Version eines anderen Pockenvirusstamms.

Es ist jedoch unklar, wie wirksam diese Pockenimpfstoffe gegen Mpox generell sind. Schließlich wurden die Impfstoffe gegen Viren der Klade II bisher nur in der europäischen und US-Bevölkerung getestet, da diese Impfungen während des weltweiten Ausbruchs im Jahr 2022 bloß in den wohlhabenden Ländern verteilt wurden, sagt Dimie Ogoina, Spezialist für Infektionskrankheiten an der Niger Delta University in Wilberforce Island, Nigeria. Bei den Empfängern handelte es sich zudem vor allem um junge, gesunde Männer, die Sex mit Männern haben – eine Bevölkerungsgruppe, die während des Ausbruchs besonders anfällig war. Eine Studie in den USA ergab, dass eine Dosis Jynneos bei Risikopersonen zu 80 Prozent wirksam ist, während die Wirksamkeit von zwei Dosen 82 Prozent beträgt; die WHO empfiehlt beide Impfungen.

Menschen in Afrika, die entweder mit dem Klade-Ia- oder dem Ib-Virus infiziert sind – insbesondere Kinder und Menschen mit geschwächtem Immunsystem –, reagieren möglicherweise anders. Eine Studie in der Demokratischen Republik Kongo ergab jedoch, dass der Jynneos-Impfstoff bei etwa 1000 Mitarbeitern des Gesundheitswesens die Antikörper gegen Mpox ansteigen ließ.

Die Forscher versuchen aktuell einige Datenlücken zu schließen. In der DRK startet derzeit eine klinische Studie mit Jynneos bei Menschen, die mit dem Affenpockenvirus in Berührung gekommen sind, aber keine Symptome hatten. Damit soll festgestellt werden, ob der Impfstoff eine künftige Infektion verhindern oder den Verlauf einer Infektion abmildern kann.

Werden die Impfstoffe dazu beitragen, den jüngsten Ausbruch einzudämmen?

Mpox-Impfstoffe waren in Afrika bisher kaum erhältlich. Jetzt haben mehrere westliche Länder zugesagt, Dosen für die DRK und andere betroffene afrikanische Länder zu spenden. Die USA stellten 50 000 Jynneos-Dosen zur Verfügung, die EU 175 000, wobei einzelne Mitgliedsländer zusätzliche Impfdosen zugesagt haben. Auch Bavarian Nordic hat weitere 40 000 Dosen bereitgestellt. Japan hat 3,5 Millionen Dosen LC16m8 angeboten, für die nur eine statt zwei Impfungen empfohlen werden.

»Selbst wenn die Impfstoffe eintreffen, ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein«Bwenge Malembaka, Epidemiologe

Bislang ist jedoch noch nichts davon eingetroffen, sagt Espoir Bwenge Malembaka, Epidemiologe an der Catholic University of Bukavu in der DRK. Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen können die Impfstoffe erst dann erhalten, wenn die WHO die Impfungen als sicher und wirksam eingestuft hat. Die WHO wertet aktuell die Daten der Impfstoffhersteller aus, weshalb die Impfstoffe aus den USA, der EU und Japan noch nicht verschickt werden können.

Selbst wenn die Impfstoffe eintreffen, so Bwenge Malembaka, »ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein«. Das Afrikanische Zentrum für Seuchenkontrolle und -prävention in Addis Abeba, Äthiopien, schätzt, dass zehn Millionen Dosen benötigt werden, um den Ausbruch der Krankheit einzudämmen.

Diese Ungewissheit darüber, wann die Impfstoffe eintreffen, habe es der Regierung erschwert, deren Verteilung zu planen, sagt Bwenge Malembaka. »Ich weiß nicht, wie man eine solche Herausforderung angehen kann«, sagt er. Vermutlich sollten Kinder zuerst geimpft werden, weil sie besonders anfällig für Klade I sind. Aber die Behörden hätten noch nichts entschieden. Es ist auch unklar, ob und wie die Regierung anderen gefährdeten Bevölkerungsgruppen wie Sexarbeiterinnen, die von Klade Ib betroffen sind, Vorrang einräumt. Ihr Beruf ist kriminalisiert, so dass sie sich kaum für eine Impfung melden können.

Die Forscherinnen und Forscher beklagen, dass die Organisationen des öffentlichen Gesundheitswesens nicht sofort Impfstoffe und andere Ressourcen zur Verfügung gestellt haben, als der Klade-I-Ausbruch festgestellt wurde – insbesondere angesichts der Lehren, die aus dem weltweiten Mpox-Ausbruch von 2022 gezogen wurden. »Die Möglichkeit, diese Übertragungskette zu unterbrechen, war vor einigen Monaten gegeben, doch die Ressourcen waren nicht verfügbar«, sagt Liesenborghs. »Jetzt wird es schwieriger sein, diesen Ausbruch zu bekämpfen. Zudem sind viel mehr Menschen gefährdet.«

WEITERLESEN MIT »SPEKTRUM +«

Im Abo erhalten Sie exklusiven Zugang zu allen Premiumartikeln von »spektrum.de« sowie »Spektrum - Die Woche« als PDF- und App-Ausgabe. Testen Sie 30 Tage uneingeschränkten Zugang zu »Spektrum+« gratis:

Jetzt testen

(Sie müssen Javascript erlauben, um nach der Anmeldung auf diesen Artikel zugreifen zu können)

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.