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Alte Pinakothek München: Gemälde des Renaissance-Pioniers Giorgione identifiziert

Kunsthistoriker und Naturwissenschaftler haben in München ein Gemälde des venezianischen Renaissancekünstlers Giorgione wiederentdeckt. Es ist nicht die einzige wissenschaftliche Überraschung.
Sehr wahrscheinlich schuf der venezianische Künstler Giorgione im frühen 16. Jahrhundert dieses Porträt zweier Männer, das sich heute in der Alten Pinakothek in München befindet.
Sehr wahrscheinlich schuf der venezianische Künstler Giorgione im frühen 16. Jahrhundert dieses Gemälde, das sich heute in der Alten Pinakothek in München befindet.

In München haben Kunsthistoriker ein vergessenes Werk des venezianischen Renaissancemalers Giorgione identifiziert. »Das Gemälde ist von unschätzbarem Wert, es ist ein spektakulärer Glücksfall für die Alte Pinakothek und eine Sensation für die italienische Kunstgeschichte«, sagt Andreas Schumacher, Sammlungsleiter für italienische Malerei an der Alten Pinakothek, laut einer Pressemitteilung. Mit Hilfe von kunsthistorischen Untersuchungen, Material- und Röntgenanalysen habe sich das Porträtbildnis zweier Männer, das der Künstler um 1509/10 fertigte, als Schöpfung von Giorgio da Castelfranco, kurz Giorgione, herausgestellt. Wie die Fachleute um Schumacher im Forschungsmagazin »ArtMatters« berichten, entdeckten sie zudem weitere Pinselzeichnungen, die unter dem heute sichtbaren Bild verborgen liegen. Diese Skizzen liefern einen Einblick in die Experimentierfreude des Künstlers, seine Arbeitsweise und seine innovativen Bildschöpfungen.

Kunsthistoriker rechnen Giorgione (1473/74–1510) zu den Vorreitern der Renaissancemalerei. Da der Künstler bereits mit Mitte 30 verstarb und daher nur ein überschaubares Oeuvre schaffen konnte, haben entsprechend wenige Werke die Zeiten überdauert. Umso bedeutender sei daher der Fund in der Alten Pinakothek, so die Wissenschaftler. Bei dem Werk handelt es sich um ein Doppelbildnis, das schon zuvor mit Giorgione in Verbindung gebracht wurde, allerdings galt die Zuschreibung als unsicher.

Schumacher und seine Kollegen benennen die beiden Männer im Bild als den jungen Giovanni Borgherini und seinen Lehrer, den Humanisten Trifone Gabriele (1470–1549). Nicht nur Vergleiche mit zeitgenössischen Bildnissen des Gelehrten legten dies nahe, sondern auch das Astrolabium und der Zirkel in dessen Händen auf dem Münchner Gemälde – die beiden Attribute charakterisierten den Mann als Lehrmeister der Astronomie und Kosmologie.

Echter Giorgione | Das Bildnis des Giovanni Borgherini (links) und des Trifone Gabriele (rechts) aus den Jahren 1509/10 dürfte vom Maler Giorgio da Castelfranco stammen. Dieser ist besser bekannt als Giorgione. Das zirka 92 auf 67 Zentimeter große Gemälde hängt in der Alten Pinakothek.

Mehrere Indizien deuten auf Giorgione als Schöpfer des Doppelbildnisses hin

Jenes Bildmotiv überlieferte der Künstlerbiograf Giorgio Vasari als Werk Giorgiones. Er beschrieb das Gemälde, als er es 1568 im Palazzo der Florentiner Bankiersfamilie Borgherini betrachtete. Experten deuteten aber bislang ein Gemälde in der National Gallery of Art in Washington als das von Vasari beschriebene Bild. Laut den Münchner Forschern passe das Bildnis in der Alten Pinakothek jedoch besser zu Vasaris Darstellungen. Aus Archivdokumenten rekonstruieren sie zudem den Weg des Gemäldes über die Alpen in den Besitz der Wittelsbacher in München.

Maurisches Muster | Der Röntgenfluoreszenz-Scan offenbart die Pinselzeichnungen, die unter dem sichtbaren Bild liegen. Links unten ist ein gemustertes Gewand zu erkennen; vermutlich ist ein Stoff aus dem maurischen Spanien gemeint. Giorgione übermalte diese Partie und machte sie zum Gewandärmel von Trifone Gabriele.

Mittels der Infrarotreflektografie und der Makro-Röntgenfluoreszenz-Methode haben Experten des Doerner Instituts in München das Bild von vorne und hinten durchleuchtet. Dabei stießen sie auf drei Pinselzeichnungen, die unter dem Doppelbildnis verborgen liegen. Wie die Röntgenaufnahmen zeigen, sei in direkter Abfolge eine biblische Szene des zwölfjährigen Jesu unter den Schriftgelehrten, darüber eine Landschaftsszene und zuletzt das Bildnis einer reich gekleideten Figur gemalt worden. Das dargestellte Gewand könnte Textilien aus dem nasridischen Emirat von Granada wiedergeben.

Landschaftsszene | Der Scan von der Rückseite zeigt eine verborgene Zeichnung. Das Bild wurde dazu um 90 Grad gegen den Uhrzeigersinn gedreht. Zu erkennen ist eine Landschaft, wie sie ähnlich gemalt von Giorgione überliefert ist.

Diese Erkenntnisse machten ebenfalls Giorgione als Maler des Doppelbildnisses wahrscheinlich. So erinnere die Komposition der vier Bilder an andere Werke der venezianischen Renaissance: »Giorgiones vielschichtiges Doppelbildnis bündelt alles, was die kulturelle Blüte Venedigs im frühen 16. Jahrhundert ausmacht«, erklärt Schumacher. Zudem würde die Zeichnung einer Landschaftsszene einem berühmten Bild Giorgiones ähneln, »La tempesta« (Das Gewitter). Zwar würde keiner der gesammelten Hinweise die Zuschreibung an Giorgione absolut zweifelsfrei belegen, erklären die Münchener Experten, zusammengenommen lieferten sie aber eine sehr starke Indizienkette. (dpa/kas)

  • Quellen

Földes, A. et al.: One canvas, four ideas: A double portrait attributed to Giorgione with different compositions underneath. ArtMatters 9, 2024

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