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Meeresströme: Murmansk bleibt vorerst eisfrei

Infrarotaufnahme des Golfstroms
Großbritannien und Norwegen haben ihr relativ gemäßigtes Klima dem Golfstromsystem zu verdanken, das warmes Wasser aus der Karibik temperaturmildernd an ihren Küsten vorbeiführt. In der Vergangenheit wurden Bedenken laut, dass schmelzendes Gletschereis aus Grönland und stärkere Regenfälle über Nordeuropa die dafür verantwortliche Strömungspumpe zum Stottern bringen und die Warmwasserzufuhr verringern könnte. Neue Messungen von Josh Willis vom Jet Propulsion Laboratory der NASA in Pasadena widerlegen diese These nun ein weiteres Mal: Während der letzten 15 Jahre hat sich das atlantische, wärme- und massenaustauschende Strömungssystem nicht verlangsamt, sondern im Gegenteil sogar noch leicht verstärkt.

Ozeanische Zirkulation | Warme Oberflächen- und kalte Tiefenwasserströmungen umkreisen den Globus und transportieren riesige Mengen Wasser und Energie um die Erde.
Dieses Strömungssystem besteht nicht nur aus dem Golfstrom, der an der Meeresoberfläche Wärmeenergie von den Tropen in den nordöstlichen Atlantik führt. Denn dort kühlt sich das salzreiche Wasser ab und sinkt östlich von Grönland in die Tiefe, wo es als kalte Tiefenströmung zurück nach Westen und schließlich entlang der Küsten Südamerikas in Richtung Antarktis fließt. Dort zweigt sie in den zirkumantarktischen Strom ein, bevor ein Seitenast wieder in den Indischen Ozean einbiegt, aufsteigt und als warmes Oberflächenwasser weiterreist. Insgesamt transportieren diese großen Ströme in jeder Sekunde Milliarden Liter an warmem oder kaltem Wasser rund um den Globus und beeinflussen damit das Klima. Ohne den Golfstrom wären große Regionen Europas deutlich kühler: Der Hafen von Murmansk – Stützpunkt von Russlands Nordmeerflotte – wäre beispielsweise nicht das ganze Jahr über eisfrei.

Bis vor Kurzem wurden die Dimensionen des Strömungssystems vor allem von Schiffen beziehungsweise mit fest am Meeresboden installierten Sensoren gemessen, doch konnten diese stets nur einen winzigen Ausschnitt der gewaltigen Wasserverlagerungen erfassen. Willis griff stattdessen auf Satellitendaten zurück, in denen bereits winzigste Veränderungen der Meeresspiegelhöhe erfasst sind, sowie auf eine riesige Flotte frei schwimmender Messsonden, die mit den Strömungen seit 2002 durch die Ozeane treiben und deren Temperatur, Salzgehalt und Geschwindigkeit aufzeichnen.

Seit 2002 hat sich die Stärke der thermohalinen Zirkulation – so der Fachbegriff für Wärmepumpe im Meer – nicht verändert: Sie arbeitete all die Jahre mit der gleichen Kraft, obwohl durch die schmelzenden Grönlandgletscher große Mengen Süßwasser in den Nordatlantik gelangt waren – derartige Aussüßungen haben das System in der Vergangenheit bereits lahmgelegt: Vor 12 000 Jahren am Ende der Eiszeit unterbrach ein immenser Schmelzwassereinbruch in den Atlantik die Wiedererwärmung und kühlte Europa zwischenzeitlich stark ab. Momentan reicht die Süßwasserzufuhr aber offensichtlich noch nicht aus. Nimmt man die Jahre ab 1993 hinzu, für die nur die Satellitendaten vorhanden waren, so verstärkte sich die Zirkulation seit damals sogar noch um 20 Prozent: Entsprechend mehr Energie wird nach Nordost geliefert. "Dieser Zuwachs ist Teil einer natürlichen Schwankung. Der Atlantik kühlt sich in einem Jahrzehnte überspannenden Rhythmus zyklisch ab und erwärmt sich wieder", so Willis.

"Diese Veränderungen bestimmen das Klima weiter Teile der Nordhalbkugel mit. Sie beeinflussen die Regenfälle in Nordamerika oder Afrika und die Zahl der Hurrikane in der Karibik", führt der Geowissenschaftler weiter aus. Und er gibt Entwarnung, sollte sich die thermohaline Zirkulation wegen der schmelzenden Gletscher doch etwas abschwächen: "Selbst wenn wir wieder so ein Monsterereignis wie vor 12 000 Jahren bekämen, wären die Folgen wohl nicht dramatisch: Damals war es generell deutlich kälter als heute. Eine Verlangsamung des Golfstromsystems hätte jetzt einen viel kleineren Einfluss." (dl)

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