Biodiversität: Muster des Reichtums
Meist bleibt nur stummes Staunen, wer erstmalig die bunte Vielfalt tropischer Wälder erlebt. Auf die folgende Frage nach dem "Warum" des Reichtums gibt es viele Antworten - doch keine allgemein gültige. Ein neues Modell wagt die globale Synthese.
"Die dem Äquator nahe Gebirgsgegend hat einen anderen, nicht genug beachteten Vorzug: Es ist Teil der Oberfläche des Planeten, wo im engsten Raum die Mannigfaltigkeit der Natureindrücke ihr Maximum erreicht" – die Choco-Region im Westen des heutigen Kolumbiens riss schon Alexander von Humboldt zu begeisterten Worten hin. Noch heute zählt das Gebiet zu den artenreichsten, aber inzwischen auch bedrohtesten Flecken unseres Planeten.
Klima statt Geschichte?
Das vielleicht verblüffendste Ergebnis zuerst: Viele regionale Unterschiede, die gern mit der Naturgeschichte des Lebensraumes begründet werden, lassen sich genauso gut mit heutigen klimatischen Faktoren erklären. Ein Beispiel: die vergleichsweise höhere Diversität der amerikanischen gegenüber den afrikanischen Tropen. Letztere wurden – so eine gängige Hypothese – während der Eiszeiten weniger stark in isolierte, in eine Savannenlandschaft eingestreute Waldinseln aufgespalten, die in der Neotropis als Artenschmieden gewirkt haben könnten. Doch laut Kreft und Jetz reichen für das Muster aktuelle Unterschiede im Jahresniederschlag und der durchschnittlichen Zahl von Regentagen aus.
Nicht einer, sondern viele Faktoren
Eine noch bessere Übereinstimmung mit den Pflanzendaten aber erreichte eine Kombination von Faktoren, welche verschiedene Niederschlagskennzeichen, die Temperatur, die Topografie der Landschaft und auch – allerdings mit geringerer Bedeutung – die Historie der Region in Form der Zugehörigkeit zu einzelnen Florenreichen beschreiben: Mit dieser Mischung konnten die Forscher etwa siebzig Prozent der globalen Variation in der pflanzlichen Artenvielfalt und ebenso die Abnahme von den Tropen zu den höheren Breiten erklären.
Ein bekannter Ausreißer
Nur ein kleines, aber feines Pflanzenreich schert aus: Wie so oft, beugt sich die Kapensis, die artenreiche Spitze Südafrikas, nicht den Regeln. Hier kommen derzeit doppelt so viele Pflanzenspezies vor, wie das Modell von Kreft und Jetz vermuten ließe. Die Ursache für diese herausragende Vielfalt wird unter Biogeografen und Botanikern heftig diskutiert und lässt sich derzeit noch nicht auflösen.
Die Kombination der Faktoren macht auch deutlich, dass die verschiedenen Erklärungsansätze für die beobachteten globalen Muster sich keineswegs gegenseitig ausschließen, sondern sich – eigentlich erwartungsgemäß – eher ergänzen. "Die Herausforderung besteht nun darin, die vielen alarmierenden taxonomischen und geografischen Lücken in der Datenverfügbarkeit zu schließen, die – sicher zu Humboldts Bestürzung – noch immer existieren", schließen die Wissenschaftler.
Wie aber kommt es, dass in tropischen Wäldern die grüne Vielfalt so groß ist im Vergleich zu den gemäßigten Breiten? Welche Faktoren machen aus, dass im Tieflandregenwald von Borneo beinahe viermal so viele Pflanzenarten vorkommen wie in der gesamten Bundesrepublik? Klima, Böden, erdgeschichtliche Entwicklung, Struktur des Lebensraums: Verschiedenste Einflüsse werden diskutiert, und doch fehlt bislang ein Modell, welches das globale Muster der pflanzlichen Diversität insgesamt erklären könnte.
Klima statt Geschichte?
Holger Kreft vom Nees-Institut für Biodiversität der Pflanzen der Universität Bonn und Walter Jetz von der Universität von Kalifornien in San Diego versuchten, diese Misere durch eine wahre Fleißarbeit zu beenden. Ein Projekt, das globale Karten zur pflanzlichen Vielfalt zum Ziel hatte, lieferte ihnen Florenbeschreibungen, Artenlisten und weitere Literaturquellen zur Pflanzenwelt von geografischen Einheiten wie Gebirgsregionen, Wüsten oder biogeografischen Provinzen, aber auch mit politischen Grenzen wie Staaten oder Nationalparks. Daten zu über tausend solcher "Zellen" standen ihnen so zur Verfügung, aus denen sie dann mit statistischen Methoden jene Faktoren herauskristallisierten, welche die beobachteten Muster am ehesten erklärten.
Das vielleicht verblüffendste Ergebnis zuerst: Viele regionale Unterschiede, die gern mit der Naturgeschichte des Lebensraumes begründet werden, lassen sich genauso gut mit heutigen klimatischen Faktoren erklären. Ein Beispiel: die vergleichsweise höhere Diversität der amerikanischen gegenüber den afrikanischen Tropen. Letztere wurden – so eine gängige Hypothese – während der Eiszeiten weniger stark in isolierte, in eine Savannenlandschaft eingestreute Waldinseln aufgespalten, die in der Neotropis als Artenschmieden gewirkt haben könnten. Doch laut Kreft und Jetz reichen für das Muster aktuelle Unterschiede im Jahresniederschlag und der durchschnittlichen Zahl von Regentagen aus.
Tatsächlich tauchen in den Modellparametern, mit denen die beiden Forscher das globale Bild der Pflanzenvielfalt beschreiben und auch konkret vorhersagen können, vorwiegend klimatische Einflüsse auf. Als bedeutendster Einzelfaktor erwies sich die tatsächliche oder aktuelle Evapotranspiration – also jene Wassermenge, die ein System durch Verdunstung verliert. "In den meisten Regionen ist vor allem die Verfügbarkeit von Wasser für die pflanzliche Biodiversität ausschlaggebend", fasst Kreft die Ergebnisse zusammen.
Nicht einer, sondern viele Faktoren
Eine noch bessere Übereinstimmung mit den Pflanzendaten aber erreichte eine Kombination von Faktoren, welche verschiedene Niederschlagskennzeichen, die Temperatur, die Topografie der Landschaft und auch – allerdings mit geringerer Bedeutung – die Historie der Region in Form der Zugehörigkeit zu einzelnen Florenreichen beschreiben: Mit dieser Mischung konnten die Forscher etwa siebzig Prozent der globalen Variation in der pflanzlichen Artenvielfalt und ebenso die Abnahme von den Tropen zu den höheren Breiten erklären.
Am bedeutendsten innerhalb dieser Mischung zeigte sich die potenzielle Evapotranspiration (PET), also jene Wassermenge, die ein System insgesamt verdunsten könnte – sie ist damit auch ein Maß für die Energie, die dort durch die Sonneneinstrahlung zur Verfügung steht. Schon 1987 hatte sich die PET als ein maßgeblicher Faktor für die Artenzahl in nordamerikanischen Wäldern erwiesen – zusammen mit der aktuellen Evapotranspiration, die im Kombimodell von Kreft und Jetz außen vor bleibt. Hinsichtlich der Temperatur, die sich über die Energie in der PET ausdrückt, beobachteten die Forscher eine deutliche Grenze bei 505 Millimetern – das entspricht etwa fünf bis sieben Grad Celsius Jahresmitteltemperatur: Der Zusammenhang mit der Artenvielfalt galt demnach nur in den kühleren Regionen, unter wärmeren Bedingungen wurde die Wasserversorgung zur entscheidenden Bedingung.
Ein bekannter Ausreißer
Nur ein kleines, aber feines Pflanzenreich schert aus: Wie so oft, beugt sich die Kapensis, die artenreiche Spitze Südafrikas, nicht den Regeln. Hier kommen derzeit doppelt so viele Pflanzenspezies vor, wie das Modell von Kreft und Jetz vermuten ließe. Die Ursache für diese herausragende Vielfalt wird unter Biogeografen und Botanikern heftig diskutiert und lässt sich derzeit noch nicht auflösen.
Die Kombination der Faktoren macht auch deutlich, dass die verschiedenen Erklärungsansätze für die beobachteten globalen Muster sich keineswegs gegenseitig ausschließen, sondern sich – eigentlich erwartungsgemäß – eher ergänzen. "Die Herausforderung besteht nun darin, die vielen alarmierenden taxonomischen und geografischen Lücken in der Datenverfügbarkeit zu schließen, die – sicher zu Humboldts Bestürzung – noch immer existieren", schließen die Wissenschaftler.
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