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News: Musterhaft

In Tundren oder Hochgebirgen bietet sich häufig ein seltsames Bild: Netze, Streifen oder gar regelmäßige Kreise aus Steinen überziehen den Boden. Doch ist es keine lebendige Hand, die hier Raumgestalter spielt, sondern der Frost. Und drei gestalterische Mittel reichen aus, die ganze Vielfalt zu erzeugen.
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Als sei jemand durch die Landschaft spaziert, habe Steine gesammelt und sie anschließend in Mustern wieder ausgelegt – diesen Eindruck wecken Frostmusterböden der arktischen und alpinen Regionen mit ihren regelmäßig angeordneten Steinstreifen, -netzen oder -kreisen. Kein Wunder, dass unter den diskutierten Erklärungen für das Phänomen auch zahlreiche kuriose Ansätze auftauchen. Ein Simulation allerdings, mit der sich alle bekannten Formen nachbilden ließen, fehlte bislang.

Mark Kessler von der University of California in Santa Cruz und Brad Werner von der University of California in San Diego gingen das Problem nun von theoretischer Seite an. Sie berücksichtigten in einer Computersimulation jene Prozesse, die man als grundlegend für den natürlichen Sortiervorgang annimmt: das Frieren und Auftauen der Böden, das in diesen Zonen mit ständigem Frostwechsel an der Tagesordnung ist.

Denn entscheidend ist, dass der Boden nicht gleichmäßig friert, sondern die Frostfront je nach Material unterschiedlich schnell in die Tiefe vordringen kann. So bilden sich einzelne Eislinsen in den wasserhaltigen feinkörnigen Bereichen, die sich wie ein umgedrehtes Uhrglas nach oben wölben und dabei die Steine an der Oberfläche anheben. Dieses Anheben erfolgt aber senkrecht zur Linsenoberfläche, also vor allem am Rand der Linse leicht geneigt.

Schmilzt der Boden nun wieder, fällt der zuvor angehobene Stein allerdings nicht schräg zurück, sondern senkrecht nach unten – und findet sich damit leicht versetzt wieder. Durch diesen so genannten Frosthub erfolgt eine erste, sich ständig verbessernde Sortierung: Steine sammeln sich zusammen, und der verbleibende Boden verarmt zunehmend an grobem Material.

Ein zweiter Vorgang sorgt nun dafür, dass sich diese Steinansammlungen immer weiter ausdehnen: Durch den seitlichen Druck von gefrierenden Bodenlinsen werden die streifenartigen Packungen immer stärker zusammengedrückt. Die einzelnen Steine können nur noch nach oben ausweichen – und wandern von dieser instabilen Lage entlang des Streifens zu den niedriger gelegenen Enden. Langsam breitet sich so das Muster in die Fläche aus.

Diese beiden Prozesse und als weiteren Faktor die Hangneigung packten die beiden Forscher nun in ihr Modell, gaben eine zufällige Anordnung von Steinen auf dem Boden vor und ließen dann der Dinge freien Lauf. So konnten sie verfolgen, ob sich die Muster unter verschiedenen Bedingungen selbst organisieren oder ob womöglich doch andere Faktoren entscheidend sind.

Sie waren offensichtlich auf dem richtigen Weg, denn ihr Modell lieferte sämtliche bekannten Strukturen, je nachdem, wie die Forscher die Ausgangsbedingungen der drei Stellschrauben definierten. Ringe, Labyrinthe und Inseln entstehen demnach, wenn der Sortierprozess durch Frosthub besonders ausgeprägt ist. Setzt sich vor allem der seitliche Frostdruck durch, bilden sich Polygonnetze, und bei stärker geneigten Flächen gehen die Muster in Streifen über.

Und das Modell bestand auch den Vergleich mit der freien Natur: Als die Wissenschaftler ihre Simulationen mit Luftbildern von arktischen Frostmusterböden verglichen, stimmten bei ähnlichen Ausgangsbedingungen die Ergebnisse überein.

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