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Verhaltensbiologie: Mutige Spinnen entstehen in der Gemeinschaft

Soziale Spinnen teilen sich geschwisterlich Netz und Beute - und bilden so eine Persönlichkeit aus.
Stegodyphus dumicola

Vor einiger Zeit hatten Forscher festgestellt, dass selbst einzelne Spinnen unterschiedliche Charakterzüge haben: Die Individuen der sozialen Verbänden hausenden SpinneStegodyphus dumicola haben zum Beispiel dauerhaft und nicht situationsabhängig mehr oder weniger furchtsame Persönlichkeiten. Das kann dann Vor- und Nachteile haben: Im Extremfall sind mutigere Exemplare zum Beispiel ständig satt, vielleicht aber auch schneller tot.

Dieser Nachrichtenbeitrag aus dem Jahr 2014 fasst Ergebnisse aus einer wissenschaftlichen Veröffentlichung zusammen, deren Datengrundlage von beteiligten Forschern mittlerweile in Zweifel gezogen wird. Die Wissenschaftler haben daher im Februar 2020 beim Fachmagazin »Biology Letters« beantragt, die Studie zurückzuziehen. Weitere Details über die Probleme mit den Ergebnissen des Papers und dem Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten eines Autors finden sie in einem Hintergrundartikel auf »Nature News«.

Andreas Modlmeier von der University of Pittsburgh und sein Team haben sich nun aber gefragt, wie es zur Ausbildung solcher Charaktere in der Spinnengemeinschaft gekommen ist. Ihre Antwort in Kurzfassung: Ein Charakter bildet sich überhaupt nur in der Gemeinschaft.

Die Forscher sehen nach ihren Spinnenverhaltensexperimenten eine Hypothese der "Spezialisierung durch soziale Nischen" bestätigt. Sie ist ein Ansatz, die Entstehung dauerhaft unterschiedlicher Charaktere in den Gruppen einer Art zu erklären. Nischen – solche des Verhaltens, also ein Freiraum, Handlungen anders auszuführen als andere – sollten der Theorie zufolge besetzt werden, weil dies Vorteile hat: Die Kosten von Konkurrenz, Wettkampf und Interaktion der einzelnen Individuen verringern sich. Wenn das stimmt, meinte nun Modlmeiers Team, müssten in den Gemeinschaften von besonders häufig kostenintensiv interagierenden Spezies aber auch schneller Nischen entstehen – und demzufolge auch schneller einzelne Individuen mit eigener Persönlichkeit. Und das, freuen sich die Forscher, konnten sie im Experiment an den sozialen Spinnen tatsächlich nachvollziehen.

Soziale Spinne im Gemeinschaftsnetz | Stegodyphus dumicola gehört zu den sozialen Webspinnen. Die Tiere bauen große Gemeinschaftsnetze und attackieren Artgenossen und Nachkommen nicht, wie dies bei einzelgängerischen Spinnen oft üblich ist. Stattdessen kooperieren sie etwa beim Beutefang und im Netzbau.

Dazu hatten sie gemessen, wie lange einzelne Spinnen in einer Gruppe mit anderen zusammenlebten und zudem ermittelt, ob diese Spinnen allmählich bei einem Beutefangversuch zu besonders mutigen oder ängstlichen Verhalten neigten oder schlicht durchschnittlich blieben. Tatsächlich zeigten sich immer deutlichere individuellen Unterschiede bei immer längerer Gruppenzugehörigkeit. Soziale Interaktion fördert also die Ausbildung von Persönlichkeit, so die Forscher. Dies sei an sozialen Gliedertieren übersichtlicher nachzuweisen als bei höher entwickelten und komplexer agierenden Organismen – im Prinzip müssten aber auch dort ähnliche Prozesse wirksam sein.

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