Verhaltensbiologie: Mutige Spinnen entstehen in der Gemeinschaft
Vor einiger Zeit hatten Forscher festgestellt, dass selbst einzelne Spinnen unterschiedliche Charakterzüge haben: Die Individuen der sozialen Verbänden hausenden SpinneStegodyphus dumicola haben zum Beispiel dauerhaft und nicht situationsabhängig mehr oder weniger furchtsame Persönlichkeiten. Das kann dann Vor- und Nachteile haben: Im Extremfall sind mutigere Exemplare zum Beispiel ständig satt, vielleicht aber auch schneller tot.
Andreas Modlmeier von der University of Pittsburgh und sein Team haben sich nun aber gefragt, wie es zur Ausbildung solcher Charaktere in der Spinnengemeinschaft gekommen ist. Ihre Antwort in Kurzfassung: Ein Charakter bildet sich überhaupt nur in der Gemeinschaft.
Die Forscher sehen nach ihren Spinnenverhaltensexperimenten eine Hypothese der "Spezialisierung durch soziale Nischen" bestätigt. Sie ist ein Ansatz, die Entstehung dauerhaft unterschiedlicher Charaktere in den Gruppen einer Art zu erklären. Nischen – solche des Verhaltens, also ein Freiraum, Handlungen anders auszuführen als andere – sollten der Theorie zufolge besetzt werden, weil dies Vorteile hat: Die Kosten von Konkurrenz, Wettkampf und Interaktion der einzelnen Individuen verringern sich. Wenn das stimmt, meinte nun Modlmeiers Team, müssten in den Gemeinschaften von besonders häufig kostenintensiv interagierenden Spezies aber auch schneller Nischen entstehen – und demzufolge auch schneller einzelne Individuen mit eigener Persönlichkeit. Und das, freuen sich die Forscher, konnten sie im Experiment an den sozialen Spinnen tatsächlich nachvollziehen.
Dazu hatten sie gemessen, wie lange einzelne Spinnen in einer Gruppe mit anderen zusammenlebten und zudem ermittelt, ob diese Spinnen allmählich bei einem Beutefangversuch zu besonders mutigen oder ängstlichen Verhalten neigten oder schlicht durchschnittlich blieben. Tatsächlich zeigten sich immer deutlichere individuellen Unterschiede bei immer längerer Gruppenzugehörigkeit. Soziale Interaktion fördert also die Ausbildung von Persönlichkeit, so die Forscher. Dies sei an sozialen Gliedertieren übersichtlicher nachzuweisen als bei höher entwickelten und komplexer agierenden Organismen – im Prinzip müssten aber auch dort ähnliche Prozesse wirksam sein.
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