Verhaltensbiologie: Mutige Spinnen haben die Nase vorn
Arbeitsteilung ist eine praktische Angelegenheit: Jeder müht sich mit einer ihm zugedachten Aufgabe, und alle profitieren. Selbst soziale Spinnen, die gemeinsam in einem Netz leben und sich die Beute teilen, kennen das Prinzip. Und hier sind offenbar besonders die Mutigen der Clique gefordert.
Nachwuchs produzieren, für den Nachwuchs sorgen, Futter suchen, das Nest verteidigen: In einer großen Lebensgemeinschaft gibt es vielfältige Aufgaben. Aus der Welt der sozialen Insekten ist schon lange bekannt, dass sich verschiedene "Kasten" speziell einzelner Aufgaben annehmen. Welcher Arbeit sie sich widmen, kann verschiedenste Ursachen haben – genetische wie umweltbedingte.
Auch soziale Spinnen zeigen im Labor eine gewisse Arbeitsteilung – obwohl bei ihnen die Kastenbildung wie bei Insekten nicht zu beobachten ist. Die Tiere sind meist alle etwa gleich alt, gleich groß, und zum Nachwuchs tragen mehrere, wenn auch nicht alle, bei – aber alle opfern sich dafür auf.
Was treibt sie zur Spezialisierung? Lena Grinsted von der Universität Aarhus und ihre Kollegen vermuteten dahinter die individuelle Persönlichkeit jeder Spinne. Sie überprüften zunächst den Wagemut und die Aggressivität von in Indien eingesammelten Stegodyphus sarasinorum: Wer erwachte am schnellsten nach einer simulierten Räuberattacke in Form eines Luftstoßes wieder aus der Starre? Und wer drohte einem vermeintlichen Feind in Form des Holzgriffes einer Präpariernadel, statt davonzurennen?
Zurück im Freiland beobachteten die Wissenschaftler ihre nun unverwechselbar markierten Tiere, wenn sie ihnen ein trockenes Blatt ins Netz legten, das sie zudem mit einem Vibrator zum Schwingen brachten. Und siehe da: Die Siegerinnen der Mutprobe erschienen am schnellsten, um die erwartete Beute zu attackieren. Auch größere Exemplare trauten sich eher hervor, doch neigten sie nicht stärker als andere dazu, die Beute zu überwältigen. Der Grad an Aggressivität zeigte hingegen keinen Einfluss – wobei sich die Forscher hier selbst fragen, ob ihre Methode überhaupt geeignet war, das Aggressionspotenzial zu erfassen.
Soziale Spinnen pflanzen sich meist über Inzucht fort und sind einander daher genetisch sehr ähnlich – Variation im Verhalten dürfte also durch andere Faktoren entstehen. Grinsted und ihre Kollegen vermuten eher einen simplen Rückkopplungs-mechanismus: Tiere, die beispielsweise bei der Attacke auf eine Beute erfolgreich waren, werden beim nächsten Mal eher wieder eingreifen als ein noch unerfahrenes Koloniemitglied. Ob sich die wagemutigen Individuen auch vermehrt fortpflanzen oder andere Vorteile aus ihrem Verhalten ziehen, konnten die Forscher bei dieser Untersuchung noch nicht klären. Das überwältigte Futter wird jedenfalls unter allen geteilt.
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