Mysteriöses Lanthanoid: Erster Promethium-Komplex offenbart Geheimnisse
Promethium (Pm) ist eines der mysteriösesten Elemente überhaupt: Alle seine 38 Isotope zerfallen nach einiger Zeit radioaktiv, weshalb Schätzungen zufolge zu keinem Zeitpunkt mehr als zirka ein Kilogramm davon auf der Erde existiert. Bis heute hat man daher bislang nur eine Hand voll Verbindungen davon hergestellt, die meisten unlösliche, schwer zu untersuchende Oxide. Das ist erstaunlich dünnes Wissen für einen Stoff, der als entscheidender Bestandteil in einer Reihe technischer Anwendungen vorkommt: Man nutzt Promethium etwa in Atombatterien für Satelliten oder Raumsonden, als Leuchtfarbe oder in der Strahlentherapie.
Zum ersten Mal haben Forschende nun das radioaktive Element in einem löslichen organischen Komplex gebändigt. Eine Forschungsgruppe vom Oak Ridge National Laboratory in Tennessee, USA, hat ihre Ergebnisse im Mai 2024 in der Fachzeitschrift »Nature« veröffentlicht. 80 Jahre nach ihrer Entdeckung konnte das Team die schwer fassbare Substanz nun endlich grundlegend untersuchen. Es schließt damit eine seit Jahrzehnten klaffende Wissenslücke über die Lanthanoide – eine Gruppe von 15 einander sehr ähnlichen Elementen, zu denen Promethium gehört. Die neuen Erkenntnisse könnten helfen, dringend benötigte Lanthanoide effizienter voneinander zu trennen und für technische Anwendungen aufzubereiten.
Lanthanoide braucht man etwa für Laser, starke Magnete in Windrädern, Smartphones, Atomreaktoren und vieles mehr. Sie zählen zusammen mit weiteren Elementen zu den »seltenen Erden«. Anders, als ihr Namen nahelegt, sind die meisten davon recht häufig, jedoch fein verstreut. Die seltenen Erden und insbesondere die einzelnen Lanthanoide sortenrein zu erhalten, ist zudem ein schwieriges Unterfangen. Denn die Elemente dieser Gruppe sind sich chemisch extrem ähnlich, kommen in Erzlagerstätten daher oft gemeinsam vor und sind nur sehr schwer voneinander zu trennen. Erst kürzlich haben Fachleute ein künstliches Protein geschaffen, das die beiden Lanthanoide Dysprosium und Neodym sortenrein separiert.
Das Team um Ilja Popovs und Alexander Ivanov isolierte für seine Zwecke das Isotop 147Promethium aus nuklearem Abfall, der bei der Herstellung von radioaktivem Plutonium (238Pu) entsteht. 147Pm hat eine Halbwertszeit von zirka zweieinhalb Jahren.
Wie andere Lanthanoide bildet Promethium bevorzugt dreifach positiv geladene Ionen. Diese brachten die Forschenden mit speziellen organisch-chemischen Liganden zusammen, das heißt mit Molekülen, die sich um das Ion herum anordnen und es in ihrer Mitte einschließen. Drei Ligandenmoleküle ordneten sich jeweils so um ein Promethiumion an, dass sie mit jeweils drei Sauerstoffatomen an das radioaktive Ion banden; folglich entstand ein Komplex, in dem Pm3+ an neun Sauerstoffatome bindet.
Letzter fehlender Beweis für die Lanthanoidenkontraktion
Anschließend maßen die Fachleute mittels Röntgenstrukturuntersuchung die Abstände zwischen Sauerstoff und Promethium. Damit ermittelten sie den Ionenradius, also die Größe des dreifach positiv geladenen Promethiumions. Doch damit nicht genug – sie erstellten außerdem dieselben Komplexe mit jedem weitere Lanthanoid und maßen dort ebenfalls die Abstände. So erhielten die Forscherinnen und Forscher eine komplette Reihe der Bindungsabstände aller Lanthanoide. Und sahen: Die Bindungsabstände – und damit die Ionenradien – nehmen mit der Ordnungszahl kontinuierlich ab.
Das sagen theoretische Modelle seit Jahrzehnten voraus. In experimentellen Daten fehlten aber stets die Werte für Promethium. Mit den neuen Messungen hat das Team aus Oak Ridge jetzt erstmals eine komplette Messreihe vorgelegt, die den Effekt allein auf Basis von Experimenten zeigt. Außerdem bewies es, dass die Ionenradien von Lanthan (dem ersten Element in der Reihe der Lanthanoide) bis Promethium stärker schrumpfen, von Promethium bis Lutetium (dem letzten Lanthanoid) langsamer. Mit den Ergebnissen lassen sich möglicherweise auch neue Trenntechniken entwickeln, um die begehrten seltenen Erden für künftige Anwendungen zu erhalten.
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