Mysteriöses Verhalten: Warum wedelt der Hund?
Während andere Wirbeltiere mit ihrem Schwanz balancieren, sich abstützen (Känguru) oder nach lästigen Fliegen schlagen, hat das Anhängsel in der Familie der Hunde eine ganz eigene Aufgabe übernommen: Es dient vorrangig der Kommunikation. Ein zwischen die Beine geklemmter Schwanz etwa signalisiert bekanntermaßen Angst und Unsicherheit, bei Haushunden ebenso wie bei ihren wilden Verwandten, den Wölfen. Das auffällige Schwanzwedeln ist bei Wölfen allerdings weniger stark ausgeprägt. Es scheint ein Verhalten zu sein, das sich erst im Zuge der Domestikation bei den Hunden herausbildete. Inzwischen ist es eine der gebräuchlichsten Kommunikationsformen auf diesem Planeten: Mit geschätzt einer Milliarde Individuen zählen Haushunde zu den am meisten verbreiteten Säugetieren überhaupt und den häufigsten Fleischfressern.
Was aber der Hund mit seinem teils exzessiven Schwanzwedeln ausdrücken möchte und welche Rolle der Mensch bei der Herausbildung dieses Verhaltens gespielt hat, sollte eine Überblicksstudie zeigen, für die Fachleute vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nimwegen und der Veterinärmedizinischen Universität Wien mehr als 100 Studien zum Thema ausgewertet haben. Die Ergebnisse sind in »Biology Letters« erschienen.
Dabei identifiziert das Team allerdings statt eindeutiger Erkenntnisse immer noch größere Wissenslücken in der Forschung. Für viele populäre Annahmen – allen voran, dass ein Hund, der mit aufgerichtetem Schwanz wedelt, glücklich und nicht gestresst ist – gebe es keine wirklich zuverlässigen Belege. Studien, bei denen das Stresshormon Kortisol gemessen wurde, offenbarte keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Wedelfrequenz und Wohlbefinden. Das Wedeln könne in unterschiedlichen Situationen unterschiedliche Botschaften ausdrücken, heißt es darum in der Studie, auch abhängig davon, ob der Empfänger ein Artgenosse oder ein Mensch ist.
Bei Wölfen signalisiere ein langsames Wedeln mit tief gehaltenem Schwanz typischerweise Unterwerfung oder Besänftigung. Ein aufgeregtes Wedeln mit aufgerichtetem Schwanz kommt bei den wilden Rudeltieren dagegen nicht vor. Doch an der Grundbotschaft – Besänftigung und freundschaftliche Beziehungspflege – scheint sich auch bei den domestizierten Hunden nichts geändert zu haben. An ein Herrchen oder Frauchen gerichtet, wird daraus dann mitunter ein Betteln.
Wedeln mit Schlagseite
Dass die simple Gleichung, wonach ein Hund, der mit dem Schwanz wedelt, sich wohlfühlt, nicht aufgeht, zeigt das »Lieblingsergebnis« der Koautorin Taylor Hersh, wie sie dem Wissenschaftsmagazin »Science« in einem Interview verriet: »Das Schwanzwedeln ist ein asymmetrisches Verhalten. Wenn ein Hund auf etwas stößt, dem er sich nähern möchte, wedelt er oft mehr zur rechten Seite seines Körpers, während er zur linken Seite seines Körpers wedelt, wenn er sich von etwas zurückziehen möchte.« Dieses Ergebnis, erstmals 2007 beobachtet, hat sich inzwischen in zahlreichen Studien bestätigt. Die Tiere können die Wedelrichtung auch bei Artgenossen erkennen und reagieren entsprechend darauf.
Dass das Schwanzwedeln im Zuge der Domestikation immer prominenter wurde, scheint klar. Unklar ist dagegen, welche Rolle der Mensch dabei einnahm, fassen Hersh und ihr Team zusammen. Womöglich bildete es sich als Nebeneffekt der Selektion auf die zahmsten, verträglichsten Hunde heraus. Sollten diese Merkmale genetisch an das Wedelverhalten geknüpft sein, würde dies erklären, warum die Hunde mit der Zeit immer wedelfreudiger wurden.
Möglich sei aber ebenso, dass Hundebesitzerinnen und -besitzer mehr oder weniger bewusst jene Tiere bevorzugt hätten, die besonders ausgeprägt wedeln. Rhythmische Bewegungen üben eine gewisse Attraktivität auf Menschen aus. »Mehrere Studien haben gezeigt, dass sich der Mensch vor allem zu isochronen Mustern hingezogen fühlt, das heißt zu einem Rhythmus, bei dem alle Intervalle zwischen den Ereignissen gleich sind, wie bei einem Metronom«, erklärt die Verhaltensforscherin und Koautorin Silvia Leonetti. Demnach wedeln Hunde, weil es den Menschen schon immer gefallen hat.
Welche der beiden Hypothesen zutrifft – auch das sei eines der Gebiete, denen nach Meinung von Hersch, Leonetti und ihren Kollegen mehr Forschung guttun würde. In einem ersten Schritt schlagen sie vor, bei künftigen Untersuchungen des Schwanzwedelns mehr als nur Frequenz und Dauer zu erfassen und moderne Technik zu nutzen, um auch Parameter wie Schwanzhöhe, seitliche Auslenkung oder die Blickrichtung der Tiere zu registrieren. Nur so könne man diesem »allgegenwärtigen, aber wissenschaftlich schwer greifbaren Phänomen« und seiner evolutionären Geschichte endgültig auf die Spur kommen.
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