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NABU-Studie: Insektenschwund geht auch in Schutzgebieten weiter

Ein »alarmierendes Gesamtbild« ergab die Untersuchung eigentlich geschützter Standorte. Die Lösung findet sich auf dem Acker – aber ebenso im eigenen Garten.
Schmetterling an einer Wildblume
Wildblumenwiesen und Blühstreifen helfen Insekten beim Überleben. Einer der größten Treiber des Insektensterbens ist allerdings Pestizideinsatz.

Ein am Mittwoch vorgestelltes Forschungsprojekt unter der Leitung des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) ergab, dass sich ein bereits im Jahr 2017 belegter massiver Schwund von Insekten auch in Naturschutzgebieten weiter fortsetze. »Ich habe befürchtete, dass es so ist, ich habe gehofft, dass es nicht so ist«, sagte Projektleiterin Gerlind Lehmann vom NABU.

Nach ihren Angaben zeigt das Projekt, dass sich die Gesamtmasse der Insekten, die in direkter Beziehung mit dem Artenreichtum stehe, in keiner Weise erholt hat. Für das DINA-Projekt wurde an bundesweit 21 repräsentativ ausgewählten Standorten die Insektenvielfalt und deren Belastung aus den umliegenden landwirtschaftlich genutzten Flächen erfasst. Genaue Zahlen sollen in den kommenden Monaten veröffentlicht werden.

Im Jahr 2017 hatte eine Studie ehrenamtlicher Insektenkundler des Entomologischen Vereins Krefeld gezeigt, dass die Gesamtmasse an Fluginsekten in Teilen Deutschlands von 1989 bis 2016 um mehr als 75 Prozent abgenommen hat. An diesem Trend hat sich laut NABU in den vergangenen Jahren nichts geändert.

Eine besonders große Bedrohung für die Insektenvielfalt besteht den Ergebnissen zufolge darin, dass sich Naturschutzgebiete oft in unmittelbarer Nähe zu Äckern befinden, auf denen für Insekten tödliche Pestizide ausgebracht werden. Das hat dramatische Folgen für die Tiere und die Biodiversität. Von einem »alarmierenden Gesamtbild« spricht NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Der Pestizideinsatz müsse in der gesamten Landschaft halbiert und in den besonders sensiblen Schutzgebieten untersagt werden. »Zudem müssen wir ›Safe Spaces‹ für Fluginsekten schaffen – etwa durch Pufferstreifen und zusammenhängende Biotopnetze«, erläutert Krüger in einer NABU-Pressemitteilung zur Studie.

Auch kleine Maßnahmen von Privatleuten wie selbst gebaute Insektenhotels oder insektenfreundlich gestaltete Balkone und Gärten könnten helfen, die Situation zu verbessern. »Jeder Blumenkasten auf dem Balkon ist natürlich immer hilfreich«, sagt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für allgemeine und angewandte Entomologie Jürgen Gross. Vor allem in Großstädten sei der Effekt eines großen Angebots an heimischen Pflanzenarten nicht zu unterschätzen. Natürlich rette man damit nicht alle Bienenarten, tue den Insekten aber viel Gutes. Außerdem seien solche Aktionen für die Weiterbildung von Kindern in Sachen Naturschutz wichtig: »Was man nicht kennt, kann man nicht schützen.«

Für einen insektenfreundlichen Garten sei es wichtig, viele heimische Pflanzenarten anzupflanzen, etwa Glockenblumen oder Natternköpfe. »Aber auch Weiden sind gerade im Frühjahr, wo die meisten Wildbienen fliegen, ganz wichtige Nahrungsquellen«, erklärt der Biologe. Viele Zierpflanzen hingegen seien für Insekten nicht nutzbar. Dazu zählten etwa Rhododendren oder Rosen mit gefüllten Blüten, die keinen Nektar hätten. Auf einen Zierrasen solle man verzichten und lieber Wert auf eine Wiese mit vielen verschiedenen Kräutern legen.

Nisthilfen lieber selbst bauen

Nisthilfen wie Insektenhotels sind Gross zufolge ebenfalls eine gute und hilfreiche Maßnahme – vor allem für Wildbienen. Etwa die Hälfte der insgesamt 570 Wildbienenarten in Deutschland sind demnach bedroht. »Wenn man eine Nisthilfe aufbaut, sollte man sie selbst bauen«, rät Gross. Bei fertigen Modellen aus dem Baumarkt seien die Löcher oft nicht gut gebohrt. Dadurch bestehe die Gefahr, dass Insekten sich beim Hineinkrabbeln an ihren Flügeln verletzten.

Ein absolutes Tabu sind für den Biologen Schottergärten. »Die sind feindlich für jedes Insekt und jeden Vogel und sorgen auch noch für ein schlechtes Klima in der Stadt.« Bei hohen Temperaturen heizten sich die Steine auf und erwärmten die Luft zusätzlich. In mehreren Bundesländern und zahlreichen Gemeinden ist die Anlage von Schottergärten inzwischen nicht mehr erlaubt.

Weil Steine, Beton und Asphalt ganz offensichtlich wenig verlockend für Insekten sind, rüsten viele Städte inzwischen nach. Blühstreifen am Rand von Autobahnen sind nur ein Beispiel, begrünte Dächer von Bushaltestellen in Städten wie Hamburg und Bottrop ein anderes. Dass Aktionen wie diese durchaus einen Mehrwert für Insekten haben, zeigt eine erste Bilanz aus Hamburg: Auf nur zwei begrünten Unterständen in der Hansestadt wurden im vergangenen Jahr 49 verschiedene Wildbienen- und Wespenarten nachgewiesen. Darunter seien auch seltene und bedrohte Arten sowie Goldwespen gewesen, die zuvor noch gar nicht in Hamburg gefunden worden seien, hieß es. (dpa/jad)

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