Ornithologie: Nach 70 Jahren wiederentdeckt: Kolibri schwirrt vor Kamera
Die Bilder haben vielleicht nicht die beste Qualität, dennoch sind sie spektakulär. Denn sie zeigen das erste lebende Exemplar eines Blaubart-Helmkolibris seit fast 70 Jahren: Seit 1946 konnte niemand mehr die Vogelart in ihrer kolumbianischen Heimat in der Sierra Nevada de Santa Marta nachweisen – bis Carlos Rojas und Christian Vasquez von der Naturschutzorganisation Fundacíon ProAves eine Expedition in die abgelegenen Hochlagen des Gebirges wagten (PDF).
Die beiden Mitarbeiter von ProAves waren von regionalen Nationalpark-Mitarbeitern informiert worden, dass im so genannten Páramo – einem speziellen südamerikanischen Hochgebirgsökosystem – zahlreiche Feuer brannten, die von indigenen Viehzüchtern vom Volk der Kogi gelegt worden waren. Um die Schäden in dem empfindlichen Lebensraum zu untersuchen, stiegen sie 14 Stunden zu Fuß bis auf 4000 Meter Höhe auf, als Rojas einen winzigen Vogel an sich vorbeischwirren sah. Als er nur wenige Meter entfernt auf einem Busch landete, machte der Biologe schnell ein Bild mit seinem Fotoapparat. Darauf entpuppte sich der Vogel bei genauerer Betrachtung als die gesuchte Kolibriart. In der Folge beobachteten sie insgesamt drei Tiere auf einer Fläche von weniger als zehn Hektar, auf denen nur noch wenige Flecken mit natürlicher Vegetation bewachsen waren. Der Rest war verkohlt.
Verwandte Helmkolibriarten sammeln vor allem an bestimmten Asterngewächsen aus der Gattung Espeletia Nektar, die ebenfalls auf den Páramo spezialisiert sind. Wegen der Feuer waren jedoch davon im Untersuchungsgebiet nur ein paar Exemplare übrig. Prinzipiell entdeckten die beiden Forscher nur wenige blühende Pflanzen inmitten der Verwüstung, so dass die Vogel womöglich unter Nahrungsmangel litten: Große Flächen in der Region wurden durch ausgedehnte Brände im Februar zerstört, obwohl das Gebiet zu einem Nationalpark gehört. Allerdings dürfen indigene Gruppen die Region nutzen, was Schutzmaßnahmen erschwert.
Die Sierra Nevada de Santa Marta gehört laut einer Studie in "Science" zu den wichtigsten Gebieten der Erde, um die Artenvielfalt zu erhalten. Das höchste Küstengebirge der Erde besitzt keine Verbindung zu den Anden und existiert zudem schon 100 Millionen Jahre länger als die Kordilleren – Zeit genug, um zahlreiche einzigartige Arten auszubilden. Das zeigt auch der kurze Ausflug von Rojas und Vasquez, die in der kurzen Zeit auch den ebenfalls sehr seltenen Santa-Marta-Zaunkönig (Troglodytes monticolo) beobachteten und die vom Aussterben bedrohte Espeletia-Art Libanothamnus occultus nachwiesen.
Da der Páramo nicht nur seltene Arten beherbergt, sondern ebenso die Wasserversorgung des trockenen Gebirgsumlands sichern hilft, drängen die beiden Mitarbeiter von ProAves nun auf rasche Schutzmaßnahmen. So müsste schnellstens das Vieh aus den sensiblen Hochgebirgsflächen ausgeschlossen werden, damit sich die Vegetation erholen kann. Sonst droht die Gefahr, dass der spektakuläre Kolibri nun doch endgültig ausstirbt.
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