Umweltpsychologie : Nachhaltigkeit macht glücklich

Glücklich sein und Sinn im Leben finden – das möchten viele Menschen, die eine Psychotherapie beginnen. Einen überraschenden Weg, diesen Zielen näherzukommen, zeigt eine Studie des Philosophen Michael Prinzing, die im Herbst 2024 im Fachblatt »Psychological Science« erschien: Sich im Alltag umweltfreundlich zu verhalten, ist demnach Balsam für die eigene Psyche.
Prinzing wertete an der texanischen Baylor University zunächst Daten einer älteren Untersuchung aus, an der 181 Erwachsene teilgenommen hatten, hauptsächlich aus den USA. Die Probandinnen und Probanden gewährten zehn Tage lang Einblick in ihren Alltag, indem sie fünfmal täglich am Smartphone einen Fragebogen ausfüllten. Darin gaben sie jeweils an, was sie in der Stunde vorher getan hatten, und bewerteten ihre aktuelle Stimmung. Wer gerade »umweltverträgliches Verhalten« gezeigt hatte (was allerdings nicht näher definiert wurde), berichtete von einem größeren subjektiven Wohlbefinden. Die Teilnehmenden, die umweltbewusst agierten, waren zudem über den gesamten Erhebungszeitraum hinweg besser gelaunt als jene, die weniger ökologisch handelten.
Um herauszufinden, ob Nachhaltigkeit tatsächlich die Stimmung hebt – oder ob nicht vielleicht besser gelaunte Menschen einfach mehr Zeit für die Natur erübrigen –, führte Prinzing ein eigenes Experiment durch. Darin beantworteten 545 Studierende im Abstand von zwei Tagen Fragen über ihr seelisches Befinden. Eine Gruppe erhielt die Aufgabe, an dem Tag zwischen den Befragungen drei umweltfreundliche Verhaltensweisen in den Alltag zu integrieren. Eine zweite Gruppe wurde angewiesen, sich an diesem Tag selbst etwas Gutes zu tun. Die dritte Gruppe sollte lediglich ihre Aktivitäten protokollieren.
Wer etwa mit dem Fahrrad statt mit dem Auto zur Universität gefahren war, Müll eingesammelt oder das Thermostat niedriger eingestellt hatte, war am Tag darauf glücklicher und gab eher an, sein Leben als sinnvoll zu empfinden. Self-Care-Aktivitäten hatten eine vergleichbare Wirkung; das bloße Protokollieren des Alltags besserte das Befinden dagegen nicht.
Doch warum könnte es gut für die mentale Gesundheit sein, etwas für die Umwelt zu tun? Prinzing glaubt, dass nachhaltiges Verhalten grundlegende psychologische Bedürfnisse befriedigt: das nach Kompetenz (mit eigenem Handeln etwas bewirken), nach Autonomie (selbstbestimmte Entscheidungen treffen) und nach Zugehörigkeit (Teil einer Gemeinschaft sein). Dies widerspreche der verbreiteten Wahrnehmung, dass Nachhaltigkeit vor allem lästig oder mit Entbehrungen verbunden sei. Allerdings stehe das Ergebnis im Einklang mit einer langen philosophischen Tradition und einer wachsenden Zahl wissenschaftlicher Erkenntnisse, nach denen »tugendhaftes« Verhalten das eigene Wohlbefinden fördern kann.
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