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News: Nachwuchs in der Neuhirnrinde

Unser Körper hat eine ganze Reihe von Methoden entwickelt, mit denen er Schäden beheben kann. Vor allem Gewebe, die einer ständigen äußeren Verletzungsgefahr ausgesetzt sind - wie beispielsweise die Haut - beeindrucken durch ihre regenerativen Heilungsprozesse. Im Körper können so genannte Stammzellen Verluste ausgleichen, indem sie sich differenzieren und damit eine Vielfalt an Funktionen übernehmen. Selbst das Gehirn, die wichtigste Schalt- und Entscheidungszentrale, kann dies offenbar - allerdings nur in geringerem Umfang. Doch wie Forscher nun herausfanden, werden sogar in der Neuhirnrinde, der wichtigsten Instanz zur Kontrolle und Informationsverarbeitung, Nervenzellen neu gebildet.
Das Gehirn der höheren Säugetiere besteht aus unterschiedlichen Abschnitten und Bereichen, die veschiedene Aufgaben erfüllen. Ein wichtiger Teil davon ist die Neuhirnrinde (Neocortex), eine Kontrolleinrichtung, in der Informationen von mehreren Sinnesgebieten zusammenlaufen und zu einer Handlung verarbeitet werden. Dabei berücksichtigt der Neocortex nicht nur "Daten" aktueller Ereignisse, sondern auch Erinnerungen aus dem Gedächtnis, bevor er seine Befehle an die motorischen Zentren weiterleitet. Bisher nahmen Gehirnforscher an, dass in diesem Zentrum für komplexe geistige Aufgaben Nervenzellen nicht regenerationsfähig sind. Für andere Teile des Gehirns, beispielsweise dem Hippocampus, konnten Wissenschaftler aber die Neubildung von Neuronen belegen.

Im März 2000 berichtete Jeffrey Macklis, Neurowissenschaftler an der Harvard Medical School in Boston, dass absterbende Nervenzellen den Heilungsprozess fördern können. Er hatte Gehirnzellen bei Zebrafinken zerstört, die für das Singen zuständig sind und fand heraus, dass sich dadurch neue Neuronen bildeten. Macklis bemerkt allerdings, dass diese "Neugeburt" von Zellen in einem Teil des Gehirns auftritt, in dem Nervenzellen saisonal nachwachsen. Er stellte sich deshalb die Frage, ob er die Neubildung von Neuronen auch an Gehirnbereichen anregen kann, wo sie normalerweise nicht beobachtet wird. Ähnlich wie zuvor beim Zebrafinken löste er dann bei Zellen im Neocortex von Mäusen durch Chemikalien die Selbstzerstörung aus. Anschließend beobachtete er mit chemischen Indikatoren, die sich teilende Zellen markieren, die Entwicklung von neuen Neuronen. Als Ergebnis fand er im Neocortex der behandelten Tiere Nervenzellen in allen Entwicklungsstadien: Von gerade neu entstandenen bis hin zu Zellen, die aus der Ventrikularzone einwanderten. Einige der differenzierten Zellen hatten bereits Kontakt zu schon länger etablierten Nachbarn geknüpft.

"Diese Arbeit zeigt, dass das Gehirn die Fähigkeit besitzt, sich bei Beschädigung selbst zu regenerieren", meint Elizabeth Gould von der Princeton University. Wenn ein ähnlicher Regenerationsmechanismus auch im menschlichen Gehirn ausgelöst werden kann, so folgert sie, öffnet diese Entdeckung theoretisch die Tür für die Behandlung von Verletzungen des Gehirns und Rückenmarks.

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