Chemische Synthese: Nahrung für die halbe Welt
Rad, Dampfmaschine, Elektrizität und - Ammoniaksynthese. Sie mag an dieser Stelle vielleicht seltsam klingen, doch gehört sie auf jeden Fall in die Reihe bedeutender Entdeckungen: Dank der Ammoniaksynthese nach Haber und Bosch wurden Milliarden genährt und sind Millionen gestorben. Auch nach 100 Jahren gibt es noch kein besseres Verfahren.
Er ist einer der wichtigsten Bausteine des Lebens: Alle Proteine, die DNA, insgesamt anderthalb Prozent des menschlichen Körpers beinhalten Stickstoff. Ohne ausreichende Zufuhr dieses Elements kann keine Pflanze wachsen, und so verspricht seine Zugabe schnelleres Wachstum und bessere Ernten. Da trifft es sich gut, dass Stickstoff in der Luft ausreichend vorhanden ist – leider aber meist in molekularer Form, die höhere Lebensformen als Bakterien nicht gebrauchen können. Verbindet man ihn dagegen mit drei Wasserstoffatomen zu Ammoniak, entsteht die Vorstufe für einen idealen Dünger.
Was liegt da näher, als Ammoniak aus seinen zwei Komponenten herzustellen? Das dachte sich auch der deutsche Chemiker Wilhelm Ostwald (1853-1932), als er 1900 das Patent "Herstellung von Ammoniak und Ammonium aus freiem Stickstoff und Wasserstoff" anmeldete. Sauber und einfach klingt es: Man nimmt zwei auf der Erde reichlich vorhandene Stoffe, mischt sie zusammen und fertig.
Die Ammoniaksynthese ist allerdings nicht nur ein Segen, sondern hat auch ihre Schattenseiten.
Und auch die Verwendung von Stickstoffdüngern bleibt nicht ohne Folgen. Die Emission von Stickoxiden und Ammoniak in die Atmosphäre liegt heute fünfmal so hoch wie in vorindustriellen Zeiten. Beide gelten als starke Treibhausgase und heizen den Klimawandel an. Unter Sonnenlicht lassen sie die bodennahen Ozonwerte steigen und bilden so den Sommersmog. Gleichzeitig sorgen sie in der Stratosphäre dafür, dass das Ozonloch wächst. Sie überdüngen Böden und senken die Artenvielfalt; werden sie ausgewaschen und in Gewässer geschwemmt, lösen sie ein explosionsartiges Algenwachstum aus. Sterben die Planktonblüten dann ab, verbrauchen sie große Mengen Sauerstoff und lassen insbesondere stehende Gewässer im Sommer schnell umkippen.
Der Verbrauch von Ammoniak als Düngergrundstoff wird mit steigender Weltbevölkerungszahl allerdings nicht zurückgehen. Im Gegenteil, man rechnet sogar mit einer Verdopplung.
"Nahrung und militärische Sicherheit waren die Hauptziele für Haber. Für uns muss die Umweltverträglichkeit der Hauptantrieb für zukünftige Innovationen sein", schreibt Jan Willem Erisman vom Energieforschungszentrum der Niederlande. "Es wird interessant sein, in einem weiteren Jahrhundert zurückzuschauen: Wird ein anderes Patent es schaffen, die Welt in dem Ausmaß zu verändern, wie das von Fritz Haber?"
Was liegt da näher, als Ammoniak aus seinen zwei Komponenten herzustellen? Das dachte sich auch der deutsche Chemiker Wilhelm Ostwald (1853-1932), als er 1900 das Patent "Herstellung von Ammoniak und Ammonium aus freiem Stickstoff und Wasserstoff" anmeldete. Sauber und einfach klingt es: Man nimmt zwei auf der Erde reichlich vorhandene Stoffe, mischt sie zusammen und fertig.
Doch auch hier spielt das Gas N2 nicht mit. Gepaart mit sich selbst, ist Stickstoff äußerst reaktionsträge. Um zu reagieren, muss er einzeln vorliegen, doch auseinanderreißen lässt er sich nur, wenn die äußeren Bedingungen stimmen, wie der Karlsruher Chemieprofessor Fritz Haber (1868-1934) erst nach jahrelanger Forschung entdeckte: 550 Grad Celsius, 150- bis 250-facher Normaldruck, zusammen mit einem teuren Katalysator aus Osmium oder Uran. Führt man dann noch mehr Stickstoff zu, als theoretisch gebraucht wird, sowie zusätzlich Wasserstoff, bildet sich Ammoniak. Vor hundert Jahren, am 13. Oktober 1908, konnte Haber endlich das Patent "Verfahren zur synthetischen Darstellung von Ammoniak aus den Elementen" anmelden.
Industriell nutzen ließ sich die Ammoniaksynthese allerdings noch nicht. Es gab einfach keinen Behälter, der Wasserstoff nicht durchließ, der hohen Temperaturen sowie insbesondere dem Druck standhielt, und auch der Katalysator war noch nicht perfekt. Hier setzte dann der beim Ludwigshafener Chemiekonzern BASF angestellte Carl Bosch (1874-1940) mit seinen Versuchen an. In unzähligen Anordnungen experimentierte er mit verschiedenen Materialien für Druckbehälter und Katalysatoren. Schließlich schuf er ein mehrschichtiges Gefäß mit einem weichen Innenmantel aus kohlenstoffarmem Eisen und einem stabilen Stahlgerüst, versehen mit kleinen Bohrungen. Als brauchbaren Katalysator entwickelte er eine preiswerte Kombination, bestehend aus Eisen mit Anteilen an Aluminium-, Kalzium- und Kaliumoxiden. 1913 konnte letztendlich mit dem Bau der ersten Haber-Bosch-Anlage begonnen werden.
Noch heute wird an besseren Katalysatoren geforscht, die Stickstoff und Wasserstoff bei geringeren Temperaturen und weniger Druck reagieren lassen und gleichzeitig zu einer höheren Ausbeute an Ammoniak führen. Etwa ein Prozent des weltweiten Energieverbrauchs fließt jährlich in das Haber-Bosch-Verfahren, wobei jedes Jahr insgesamt 100 Megatonnen Stickstoff in Ammoniak für die Düngemittelherstellung umgesetzt werden. Eine Erfindung, die Marc Sutton vom Centre for Ecology and Hydrology beeindruckt: "Es ist bemerkenswert, wie ein Jahrhundert Haber-Bosch-Synthese unser Leben verändert hat. Ohne sie würde heute die Hälfte von uns wahrscheinlich nicht leben."
Die Ammoniaksynthese ist allerdings nicht nur ein Segen, sondern hat auch ihre Schattenseiten.
"Ohne die Haber-Bosch-Synthese würde heute die Hälfte von uns wahrscheinlich nicht leben"
(Marc Sutton)
Sie liefert gleichermaßen den Rohstoff für Munition sowie Sprengstoff und hat folglich schon etliche Menschen das Leben gekostet. Wird Ammoniak oxidiert, entsteht Salpetersäure, die zur Produktion von Nitroglyzerin, TNT und anderen Explosivstoffen dient. Schätzungen zufolge kann das Haber-Bosch-Verfahren indirekt mit 100 bis 150 Millionen Toten in bewaffneten Konflikten verbunden werden. (Marc Sutton)
Und auch die Verwendung von Stickstoffdüngern bleibt nicht ohne Folgen. Die Emission von Stickoxiden und Ammoniak in die Atmosphäre liegt heute fünfmal so hoch wie in vorindustriellen Zeiten. Beide gelten als starke Treibhausgase und heizen den Klimawandel an. Unter Sonnenlicht lassen sie die bodennahen Ozonwerte steigen und bilden so den Sommersmog. Gleichzeitig sorgen sie in der Stratosphäre dafür, dass das Ozonloch wächst. Sie überdüngen Böden und senken die Artenvielfalt; werden sie ausgewaschen und in Gewässer geschwemmt, lösen sie ein explosionsartiges Algenwachstum aus. Sterben die Planktonblüten dann ab, verbrauchen sie große Mengen Sauerstoff und lassen insbesondere stehende Gewässer im Sommer schnell umkippen.
Der Verbrauch von Ammoniak als Düngergrundstoff wird mit steigender Weltbevölkerungszahl allerdings nicht zurückgehen. Im Gegenteil, man rechnet sogar mit einer Verdopplung.
"Wird ein anderes Patent es schaffen, die Welt in dem Ausmaß zu verändern?"
(Jan Willem Erisman)
Die Wirtschaft bleibt also weiterhin abhängig von der Ammoniakproduktion, da eine andere gut verwertbare Stickstoffquelle mit weniger Nebenwirkungen so schnell wohl nicht gefunden wird. (Jan Willem Erisman)
"Nahrung und militärische Sicherheit waren die Hauptziele für Haber. Für uns muss die Umweltverträglichkeit der Hauptantrieb für zukünftige Innovationen sein", schreibt Jan Willem Erisman vom Energieforschungszentrum der Niederlande. "Es wird interessant sein, in einem weiteren Jahrhundert zurückzuschauen: Wird ein anderes Patent es schaffen, die Welt in dem Ausmaß zu verändern, wie das von Fritz Haber?"
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