Raumfahrt: NASA will kleinen Asteroiden einfangen
Es klingt wie ein Szenario aus einem Sciencefiction-Film, ist aber wahr: Die US-Raumfahrtbehörde NASA plant um das Jahr 2019 den Start einer Raumsonde, die zu einem kleinen erdnahen Asteroiden fliegen soll. Dort angekommen, soll sie eine große Fangtasche ausfahren, sich an die Rotation des etwa sieben Meter großen Himmelskörpers anpassen und ihn schließlich einfangen. Danach soll die Sonde mit Hilfe ihrer Antriebe die Rotation des um 500 Tonnen schweren Gesteinsbrockens stoppen und stabilisieren. Und nun kommt das Unglaubliche: Mit Hilfe von Ionentriebwerken soll der Asteroid innerhalb einiger Jahre in Erdnähe bugsiert und in der Nähe der Mondumlaufbahn auf einem stabilen Erdorbit "geparkt" werden.
Dort angekommen, folgt des Streichs zweiter Teil: Mit Hilfe der derzeit in Entwicklung befindlichen Schwerlastrakete des "Space Launch Systems" (SLS) sollen sich bis zu vier Astronauten an Bord einer Orion-Raumkapsel auf den Weg machen, um dem geparkten Asteroiden einen Besuch abzustatten. Sie erreichen ihr Ziel nach wenigen Tagen Flugzeit, dann dockt die Orion-Raumkapsel an der Raumsonde an. Nun begeben sich die Astronauten auf einen Außenbordeinsatz, um sich die Oberfläche des eingefangenen Himmelskörpers anzusehen, zu dokumentieren und Gesteinsproben für spätere detaillierte Analysen in irdischen Laboren zu entnehmen. Nach Abschluss der Erkundungsphase kehren dann die Astronauten mit ihrer wertvollen Fracht mit der Orion-Raumkapsel wieder zu Erde zurück.
Derzeit befindet sich das Projekt nur in einer Vorschlagsphase, die NASA möchte für das kommende Finanzjahr 2014 etwa 100 Millionen Dollar für eine detaillierte Studie zum Missionsablauf und seiner möglichen Durchführung beantragen. Der Vorschlag basiert auf einer grundlegenden Studie des "Keck Institute for Space Studies", das sich am berühmten California Institute of Technology in Pasadena, Kalifornien, befindet. Sie erschien am 2. April 2012 mit dem Titel "Asteroid Retrieval Feasibility Study", etwa "Asteroiden-Einfang Machbarkeitsstudie". Darin wurden die grundlegenden Züge des jetzt von der NASA angekündigten Projekts vorgestellt.
Bis jetzt ist noch nicht mal ein geeigneter Kleinasteroid mit passender Masse identifiziert, zu dem die Einfangsonde hinfliegen könnte. Dafür muss in den nächsten Jahren die Empfindlichkeit der automatischen Himmelsdurchmusterungen weiter gesteigert werden, um Objekte im Größenbereich von rund sieben Metern entdecken zu können. Ein derartiger Himmelskörper ist beträchtlich kleiner als der Asteroid, der am 15. Februar 2013 über der russischen Stadt Tscheljabinsk in die Erdatmosphäre eintrat und dabei explosiv auseinanderbrach. Sein Durchmesser wird auf bis zu 17 Meter geschätzt, seine Masse auf bis zu 10 000 Tonnen. Mit den derzeitigen Durchmusterungssystemen hätte er sich – selbst unter optimalen Bedingungen – nur rund zwei Stunden vor dem Aufprall aufspüren lassen.
Ist schließlich ein Himmelskörper mit der passenden Größe entdeckt worden, darf er zudem nicht zu rasch rotieren. Denn sonst kann sich die anfliegende Raumsonde nicht an die Bewegungen des Brockens anpassen, um einzufangen, geschweige denn, ihn für den Flug zur Erde abzubremsen. Um den Himmelskörper zu erreichen, soll der Asteroiden-Schlepper mit Ionentriebwerken ausgerüstet werden, die über große Solarzellenflächen mit Strom versorgt werden. Sie liefern zwar nur einen geringen Schub, können ihn jedoch im Gegensatz zu klassischen chemischen Raketen für Monate bis Jahre erzeugen. Somit lassen sich mit Ionentriebwerken große Änderungen der Bahngeschwindigkeit erreichen, wenn man die entsprechende Geduld aufbringt.
Das Einfangen selbst soll mit einer aufblasbaren Struktur gelingen, die an einen großen Becher erinnert. Die Sonde fliegt mit dem offenen Ende auf den unregelmäßig geformten Asteroiden zu und passt sich seiner Bewegung an. Ist der Himmelskörper im Becher angelangt, so zieht sich dieser zusammen und stellt so eine feste Verbindung mit der Sonde her. Danach werden chemische Raketenantriebe gezündet, um die Rotation des Felsbrockens zu stoppen und das Gesamtpaket stabil auszurichten. Ist dies erreicht, dann beginnen die Ionenantriebe mit ihrer Arbeit und schieben den Himmelskörper innerhalb mehrerer Jahre in Erdnähe. Hier angekommen, wird die Sonde mit ihrer Fracht Vorbeiflüge am Mond durchführen, um schließlich auf eine stabile Bahn um die Erde zu gelangen.
Für den Asteroiden-Schlepper gehen die Autoren in der Studie von Kosten von mindestens 2,7 Milliarden Dollar aus, etwas mehr als für den Marsrover Curiosity investiert wurde, der seit August 2012 den Roten Planeten erkundet. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Kosten im Lauf der Entwicklung noch beträchtlich steigen werden. Nicht enthalten in dieser Finanzplanung sind die Kosten für den bemannten Bergungsflug mit der SLS-Rakete und der Orion-Raumkapsel. Sie werden aus einem anderen Budgettopf der NASA bezahlt, wobei sich die Raumfahrtbehörde über die Kosten dezent ausschweigt.
Man muss dieses Projekt eher als Training für spätere Raumflüge in die Tiefen des Sonnensystems ansehen, bei dem sich diverse Technologien erproben lassen. Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Begründung eher dürftig. Mit sehr viel weniger finanziellem Aufwand ließen sich mittels unbemannter Sonden Gesteinsproben von Asteroiden zur Erde transportieren, wie es die kleine japanische Raumsonde Hayabusa im Juni 2010 trotz erheblicher technischer Schwierigkeiten demonstrierte (siehe Sterne und Weltraum 1/2013, S. 44)
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