News: Natürlich natürlich
Konsumenten bevorzugen Nahrungsmittel aus natürlichen Zutaten mit nur wenigen Zusatzstoffen. Deshalb suchen die Produzenten nach neuen Wegen, "natürliche" Aromastoffe herzustellen. Nach Vanillin ist Benzaldehyd der am weitesten verbreitete Geschmacksstoff - die Chemikalie schmeckt nach Mandeln. Das natürliche Amygdalin läßt sich aus Mandeln extrahieren - oder von Milchsäurebakterien aus Aminosäuren produzieren. Auf der Kekspackung trägt das Aroma dann ebenfalls die Bezeichnung "natürlich".
Ein Nachteil bei der Extraktion durch enzymatische Hydrolyse ist, daß sich dabei giftige Nebenprodukte wie Blausäure bilden können. Man kann den Aromastoff zwar auch chemisch synthetisieren, doch dann muß das Produkt die Bezeichnung "künstlicher Aromastoff" tragen. Sich die Zusatzstoffe von Mikroorganismen produzieren zu lassen – was eher als natürlicher, denn als synthetischer Prozeß angesehen wird –, ist für die Nahrungsmittelhersteller eine attraktive Alternative zur Extraktion.
Es ist bekannt, daß einige Pilzarten und ein Stamm der Bakteriengruppe Pseudomonas Benzaldehyd aus der Aminosäure Phenylalanin produzieren. Nun entdeckten Masja Nierop Groot und Jan de Bont von der Wageningen Agricultural University, daß Bakterien, die zur Käseherstellung benutzt werden und in vielen Milchprodukten zum Geschmack beitragen, ebenfalls Benzaldehyd synthetisieren können (Applied and Environmental Microbiology, August 1998, Abstract).
Ihr Interesse an Lactobacillus plantarum erwachte, als im Duft von Käse Spuren von Benzaldehyd gefunden wurden. Die Forscher versuchten, daß Bakterium in einem Nährmedium zu züchten, dem sie Phenylalanin beigesetzt hatten. Sie wollten herausfinden, ob die Milchsäurebakterien die Aminosäure in den Aromastoff umwandeln würden – und genau das passierte.
Der erste Schritt in dieser Reaktion ist offenbar die Umformung von Phenylalanin zu Brenztraubensäure durch ein Aminotransferase-Enzym des Bakteriums. Dann allerdings wird die Ketosäure anscheinend auf einem rein chemischen Weg zu Benzaldehyd oxidiert. Lactobacillus ist an diesem zweiten Schritt offenbar nicht mehr beteiligt: Die Wissenschaftler versetzten die Säure mit einem Extrakt aus abgetöteten Bakterien, in dem die bakteriellen Enzyme denaturiert waren – die Reaktion fand dennoch statt. Auch wenn sie nur Metallionen beigaben, wurde die Brenztraubensäure zu Benzaldehyd umgewandelt. Dieser zweite, chemische Schritt erfolgt bei der Käseproduktion nicht besonders schnell – der niedrige pH-Wert, der geringe Sauerstoffgehalt und die niedrige Temperatur behindern die Reaktion. Ist das Milieu allerdings alkalischer, sind Temperatur und Sauerstoffgehalt höher, und stehen genügend Metallionen als Katalysatoren zur Verfügung, läuft die Reaktion wesentlich schneller ab. Die Konzentration der Nebenprodukte wie Mandelsäure und Phenylessigsäure bleibt allerdings trotz der Zugabe von Cu2+-Ionen gleich. Daher nehmen die Forscher an, daß diese Verbindungen keine Zwischenprodukte auf dem Weg von Brenztraubensäure zu Benzaldehyd darstellen, sondern in getrennten Reaktionen aus dem Ausgangsstoff entstehen.
Man geht davon aus, daß der enzymatische Aminosäureabbau eine wichtige Rolle bei der Geschmacksentwicklung im Käse spielt. Von chemischen Reaktionen nahm man das allerdings nicht an. Die Bedingungen für eine Umwandlung von Phenylalanin in Benzaldehyd ist bei der Käseherstellung nicht sehr gut – aufgrund der langen Reifezeiten von Käse sind die Wissenschaftler jedoch der Ansicht, daß selbst unter diesen schlechten Oxidationsbedingungen eine Umwandlung von Phenylalanin in Benzaldehyd stattfindet. Unter günstigeren Voraussetzungen kann man auf diesem Weg möglicherweise den "natürlichen" Aromastoff Benzaldehyd in großem Maßstab produzieren.
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